Juni im Friedatal
Ein lauer Wind weht über die grünende und blühende Flur. Leise streicht er über das Halmenmeer der Getreidefelder, die sich im wogenden Rhythmus wie Wellen im Meere auf und ab bewegen. Winzigen Fallschirmen gleich fliegt der Same des Löwenzahnes in der Luft umher. Aus dem Walde schallt der Kuckucksruf. Im Wipfel einer Fichte am alten Graben singt ein Amselhahn seinem Weibchen ein Minnelied. Im schnellen Fluge umkreist der Mauersegler den Kirchturm. An den Feldrainen blüht der Holunder, und die Blütenpracht der Heckenrosen leuchtet in der Junisonne. Im blühenden Esparsettefelde summen die Bienen und sammeln Pollen und Nektar.
Am Wiesenrande spielen frohe Kinder. Mit selbstgeflochteten Kränzen aus Gänseblümchen und Margeriten haben sie sich das Haar geschmückt. Singend tanzen sie im Reigen um den alten Wildkirschenbaum. Schon zwei Generationen spielten in seinem Schatten und in jedem Jahre labten sich die Dorfjungen an seinen süßen schwarzen Früchten. Auf den Talwiesen ist die Heuernte im vollen Gange. Hochbeladene Leiterwagen rollen auf den Straßen den Scheunen zu. Ratternd zieht eine Zugmaschine der MTS auf einem abgeernteten Gelbkleeschlag neue Ackerfurchen. Schwere Scheibeneggen zerkleinern die braunen Erdschollen und bereiten das Saatbett für eine Grünfutterzwischenfrucht.
Der Tag neigt sich zu Ende. Wie ein rotgoldener Feuerball sinkt hinter fernen Bergen die Junisonne. Auf der Hofbank und auf den Trittsteinen vor den Hauseingängen sitzen rastend die Dörfler und genießen in Feierabendstimmung den Abend. Durch die mit feinem Heu- und Kleegeruch gewürzte Abendluft klingen die ehernen Töne der Abendglocke. Fledermäuse flattern und Junikäfer surren in dämmriger Stunde. Im Wiesengrunde stimmen Sumpf- und Wasserfrösche ihr Abendkonzert an. Glühwürmchen leuchten im Dämmerschein. Oben am Waldrande spielt ein Mandolinenspieler eine stimmungsvolle Melodie. – Dann ist, es ruhig geworden. Nur ab und zu bellt von irgendwoher ein Hofhund, und im dunklen Forst schreit die Waldohreule.
Am 24. Juni, auf Johannistag, gab es in meiner Jugendzeit kaum ein Haus im Dorfe, wo nicht ein Johannikranz aus gelbem Mauerpfeffer am Giebel hing. Vor einigen Jahren waren es nur noch wenige Einwohner, die dieser Sitte treu geblieben waren. Heute ist auch diese jahrhundertealte Sitte in die Historik der Dorfgeschichte eingegangen.
Heinrich Richwien
(Quelle: Lengenfelder Echo)