In memoriam: Willy Jakob (1895 – 1967) - Ein Künstler aus Würzburg schuf wertvolle Werke im Eichsfeld
Zum Geleit
Seit Kindesbeinen an bin ich mit Kunstwerken Willy Jakobs (1895–1967) vertraut. In unserer Pfarrkirche in Steinbach schaut der Heilige Mauritius als großes Ölgemälde auf die Betenden herab. Und auch die schönen Fenster wurden von Willy Jakob gestaltet. So ist es nicht verwunderlich, dass ich schon immer mehr über den Künstler erfahren wollte. Leider gab es nur wenige Informationen und so schrieb ich an den Kirchenmaler Joseph Richwien in Lengenfeld unterm Stein. Der antwortete auch, lobte Jakobs künstlerisches Schaffen und benannte Kirchen, in denen seine Kunst bewundert werden konnte. Leider befanden sich die meisten Kunstwerke im Sperrgebiet. Erst nach der Friedlichen Revolution konnte ich den Spuren des Künstlers folgen. Nun führten mich Reisen in das schöne Mainfranken, nach Würzburg, Aschaffenburg und andere Orte. Ich lernte die Tochter des Künstlers kennen, sprach mit ehemaligen Mitarbeitern, Augustinerpatres, Ritaschwestern und Menschen aus seiner Heimatgemeinde. Nach und nach verinnerlichte ich seinen Stil und manchmal begegnete mir in fränkischen Kirchen völlig unerwartet eines seiner Kunstwerke.
Der Hülfensberg
Auch wenn im Mainfranken die meisten Gemälde zu finden sind, so begann Willy Jakobs künstlerisches Schaffen im weit entfernten Eichsfeld. Ein interessantes Beziehungsgeflecht, das hier nicht weiter verfolgt werden soll, hatte ihn zu den Franziskanerpatres auf den Hülfensberg geführt. Obwohl Jakob bisher keine Erfahrung in der Monumentalmalerei hatte, wagte er sich mit jugendlichem Elan an ein großes Objekt heran. Die Hülfensbergkirche trägt bis heute seine Handschrift. Dem hochverehrtem Hülfenskreuz gab er durch seine Restaurierung ein Gesicht. Lange Zeit übertünchte Deckengemälde wurden freigelegt. Auch die rätselhaften Gemäldereste neben dem alten Eichenstück im linkten Seitenschiff entdeckte er wieder. Da die Darstellung sehr fragmentarisch war, beließ er sie so, wie er sie auffand. Schon Jakob rätselte zusammen mit seinem Lehrer Prof. Dr. Fritz Knapp (1870–1938), ob hier eine Darstellung des in der Sage genannten heidnischen Gottes Stuffo gefunden wurde. Bis heute gibt keine es schlüssige Erklärung. Schließlich bereicherte Jakob die gotischen Gewölbe der Hülfensbergkirche mit sehr volkstümlichen Motiven.
Auf dem heiligen Berg hielt sich der Künstler gern auf. Auch in späteren Jahren war er hier gern zu Gast. In der Kirche zu Hildebrandshausen schuf Jakob 1924 ein riesiges Gemälde am Chorbogen und ein einzigartiges Kriegerehrenmal. Als er 1925 das Monumentalgemälde an der Westseite der Etzelsbachkapelle beendete, war der Künstler 30 Jahre alt und hatte seinen Stil gefunden.
Paul Schäfer und Alois Schuchart als Mitarbeiter
Nun pendelte er zwischen seiner Heimat und dem Eichsfeld, das er lieb gewonnen hatte. Da Jakob ein akademischer Kunstmaler und Restaurator war, brauchte er Firmen und Handwerker, die ihn bei Kirchenrenovierungen unterstützten. Im Eichsfeld fand er viele fähige Leute, meist band er Handwerker aus jenen Orten in seine Tätigkeiten ein, in denen er Aufträge hatte. Intensiver waren die Beziehungen zu Malern und Schnitzern aus Geismar. Bedingt durch seine Anleitung lernten sie Neues kennen und so erschlossen sich für sie weitere Geschäftsfelder. Im Gästebuch des Franziskanerklosters trug Jakob folgenden Vers ein:
„Hier auf dieser Friedensinsel
Landeten drei Malerpinsel.
Kaffee tranken sie statt Bier
Und waren doch besoffen schier
Von so viel Schönheit rings im Land.“
Unterschrieben war der Eintrag mit: „Jakob Willy, Paul Schäfer, J. P. Dunkelberg, 19.10.1924.“ Abgesehen davon, dass dieser Eintrag vor genau 100 Jahren stattfand, erinnert er an den Kirchenmaler Paul Schäfer (1888–1969) aus Geismar (Vater von Maria Müller, Lengenfeld u. St.), der seit 1923 mit Jakob zusammenarbeitete. Zwischen ihnen entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft. Durch Willy Jakob bekam Paul Schäfer viele Aufträge im Würzburger Raum, besonders der dortige Augustinerorden wusste seine Arbeiten zu schätzen und beschäftigte ihn in Weiden, Münnerstadt und Würzburg. Schäfer spezialisierte sich in dieser Zeit auf Vergoldungsarbeiten.
Ein weiterer Eichsfelder Handwerker, mit dem Jakob gern zusammenarbeitete, war Alois Schuchart, ebenfalls aus Geismar. An ihn wandte sich der Würzburger Künstler, wenn Holzarbeiten zu erledigen waren. Schließlich bekam auch Schuchart Aufträge aus den fränkischen Raum. Und so schließt sich der Kreis, weil auch der oben genannte Joseph Richwien zeitweilig bei der Bildschnitzerei Alois Schuchart in Geismar arbeitete. Hier lernte er Willy Jakob kennen und erweiterte dann seine künstlerischen Fähigkeiten auch bei dem Würzburger Kollegen. Wer sich Richwiens frühe Kreuzwegbilder in Wendehausen von 1938 anschaut, wird Ähnlichkeiten mit Jakob-Kreuzwegdarstellungen feststellen.
In Hildebrandshausen befinden sich wertvolle Gemälde
Nachdem Willy Jakob auf dem Hülfensberg ein erstes großes Werk geschaffen hatte, engagierte ihn genau vor 100 Jahren Pfarrer August Hornemann aus Hildebrandshausen (hier Pfr. von 1912–1937). Er war von dem Können des jungen Künstlers überzeugt und schwärmte in den höchsten Tönen über seine Kunst. Im Gegensatz zu Norbert Krohmer (1888–1933), der bisher in der Gegend viele Kirchen ausgemalt hatte, war Jakob moderner und mutiger. In Hildebrandshausen ´weilte der junge Künstler nicht nur gern, wegen des großen Auftrags, auch die Nichte des Pfarrers, Berta Hornemann, soll ihn beeindruckt haben. Später lernte Jakob im Pfarrhaus auch den Leinefelder Künstler Joseph Heike (1901–1945) kennen, mit dem er gern auf Wanderschaft ging. Im Pfarrhaus zu Hildebrandshausen kamen also damals drei leutselige junge Menschen zusammen.
Jakobs Kunstwerke in Hildebrandshausen scheinen später nicht mehr die Begeisterung hervorgerufen zu haben wie 1924. Sie wurden alle übermalt. Erst 1979 brachte jener Joseph Richwien, der einst mit Jakob gearbeitet hatte, zumindest das große Gemälde über den Chorbogen mit Christus, dem Weltenrichter, umgeben von Heiligen, wieder hervor. Allerdings ergänzte er es geschickt, indem er dem Heiligen Augustinus ein Bild des Bekennerbischofs Konrad Martin in die Hand gab. Immerhin hatte diese aus Geismar gebürtige Bischof die Kirche 1869 geweiht.
Unter dem Mannhaus der Hildebrandshäuser Kirche befindet sich ein weiteres Jakob-Kunstwerk im ganz anderem Stil. Es handelt sich um ein ungewöhnliches Kriegerehrenmal, das ich zu dem Besten zähle, was Jakob geschaffen hat. Der Künstler wusste, was Krieg bedeutet. Wie so viele Abiturienten meldete er sich als Kriegsfreiwilliger. Schon 1917 kam er in englische Kriegsgefangenschaft. Jakob überlebte, aber sicherlich hatte er viele schreckliche Erlebnisse zu verarbeiten. In den 1920er-Jahren kam das Kriegsthema verstärkt in seinen graphischen Arbeiten zum Ausdruck. Für das Kriegerdenkmal in Hildebrandshausen wählte er das Thema der Kreuzabnahme bzw. Beweinung Christi.
Jakob hatte in Würzburg Kunstgeschichte studiert, kannte sich im Mainfränkischen Kunstschaffen gut aus und hatte sich einen Überblick über die verschiedenen Stilrichtungen erarbeitet. Als Gymnasiast lebte er einige Jahre in Aschaffenburg. Mit Sicherheit ist ihm aus der dortigen Stiftskirche eine Beweinung Christi von Matthias Grünewald aufgefallen. Ganz erstaunlich ist, dass Grünewald in seinem Aschaffenburger Alterswerk ein populäres Bildthema auf das Wesentliche reduzierte. Vom Kreuzesstamm ist nichts weiter als ein Stumpf zu sehen. Von der Gottesmutter ragen nur die Hände in das Bild hinein. Der tote Christus ist sehr plastisch und ausdrucksvoll dargestellt, gezeichnet vom Leid der Kreuzigung. Die Dornenkrone als Zeichen der Erniedrigung befindet sich noch auf seinem Haupt.
Zu Jakobs Studentenzeit war die Grünewaldforschung sehr populär und so dürfte er auch den berühmten Isenheimer Altar (entstanden zwischen 1512 bis 1516) kennen gelernt haben. Auch hier ist in der Predella eine Beweinung dargestellt. Da der Altar in der Kriegszeit in München ausgestellt wurde, beeinflusste er besonders jungen Künstler des Expressionismus.
Mit Grünewald als Inspirationsquelle ist Willy Jakob also kein Einzelfall. Für sein Kriegerdenkmal übernahm Jakob Elemente beider genannten Werke, gestaltete sie jedoch dem Thema entsprechend um. Die angewinkelten Knie des Leichnams, die expressionistische Dornenkrone erinnern an die Aschaffenburger Tafel, der gestützte Oberkörper und vor allem die Platzierung Marias an den Isenheimer Altar.
Das Besondere an Jakobs Darstellung ist, dass die Gottesmutter eine junge Frau ist. Seine Trauernde scheint keine Mutter, sondern eine Braut zu sein. Sie betrachtet die Innenflächen der durchbohrten Hand Jesu, ein Wundmal, das von der Grausamkeit der Menschheit kündet. Mit der Beweinungs- bzw. Pietadarstellung nutzt der Künstler für sein Ehrenmal eine jedem Christen bekannte, vertraute Bildsprache.
Ausblick
Wer weitere Jakob-Kunstwerke bewundern möchte, kann in Eichsfelder Kirchen, wie in Gerbershausen, Rimbach, Bernterode (Heiligenstadt), Kallmerode, Etzelsbach, Steinbach, Kleinbartloff, Beuren und Teistungen fündig werden. Seine Heimatgemeinde Wenigumstadt hat dem Künstler kürzlich ein ganzes Buch gewidmet. In ihm befinden sich auch Aufsätze über Hildebrandshausen und dem Hülfensberg. Willy Jakobs Grab ist nicht in Würzburg zu finden, wo er lebte, sondern auf dem Friedhof seiner Heimatgemeinde. Vor wenigen Jahren wurde es ein Ehrengrabmal und ist so vor einem Abriss geschützt.
Peter Anhalt, 2024