Im November gedenken wir unserer lieben Verstorbenen (2000)

Nach Regen scheint Sonne, nach Weinen wird gelacht … (aber auch umgekehrt), könnte man diesem alten Schlager nach der fröhlich gefeierten Kirmes 2000 und dem wettermäßig wechselhaftem „Goldenen Oktober“ nachsagen.

Aber genauso wie das Amen in der Kirche folgt diesen fröhlichen Tagen im Oktober – wie Erntedankfest und Kirmes – der als grau und nebelverhangene Totenmonat, der November.

Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag und Totensonntag – das sind Gedenktage an unsere lieben Verstorbenen. Es sind Tage der Besinnung und des Gedenkens. Diesem Umstand gezollt, schrieb einst in kriegerischer Zeit ein bekannter Dichter: „Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen, morgen in das kühle Grab.“ (Wilhelm Hauff)

Und unsere Großmutter, die das gesegnete Alter von 93 Jahren erreichte, sagte es uns mit ihren einfachen Worten: „Ale Liete mun starbe, junge Liete kunn gestarbe.“ Diese Worte habe ich bis heute nicht vergessen. Ja, sogar im Evangelium heißt es daher: „Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde …“ (Matthäus 25,13)

Denken wir daran? Ein Trost für uns Christen, dass wir Lebenden unseren Verstorbenen im Gebet nahe sein können.

Jedes Jahr, wenn die Vegetation in der Natur schwindet, Herbststürme toben, die Blätter von den Bäumen fallen und die Tage recht trüb sind, fühlen wir uns Menschen etwas einsam und werden nachdenklich. Und in dieser Nachdenklichkeit gedenken wir auch unserer Toten. So setzt bereits Tage vor dem Kirchweihfest auf unserem Friedhof ein reges Treiben ein. Überall regen sich fleißige Hände, alter Grabschmuck des Frühjahrs und des Sommers wird abgeräumt und die Gräber werden mit winterfesten Blumen und Stauden bepflanzt und mit frischem Tannengrün abgedeckt.

Auch der Bauhof der Gemeinde war in den letzten Wochen – mit einigen tüchtigen ABM-Kräften – auf dem Friedhof emsig tätig. Lichter und Blumen sind Signale der Hoffnung, daher werden in den Novembertagen unzählige Kerzen und Lampen angezündet und die Angehörigen verweilen an den Gräbern ihrer Lieben mit einem stillen Gebet, einer kleinen Rückschau, einem Dank an den Verstorbenen.

Es sind Tage der Besinnung an diesem Ort der Ruhe und sie bedeuten für viele Menschen ein In-sich-Gehen und eine Meditation, die neue Kraft und Lebensmut geben. Wir gedenken aber auch der 65 Millionen Menschen beider Weltkriege, die im 20.Jahrhundert ihr Leben für einen wagemutigen Irrsinn lassen mussten, ja die fern der Heimat in fremder Erde ruhen. Und die Hinterbliebenen haben oft jahrelang unter einem solchen Verlust gelitten. Leider sind auf dem ganzen Erdball Kriege auch heute immer aktuell, wie wir das in jüngster Vergangenheit vor unserer Haustür – in Europa – erleben mussten.

Auf dem Eichsfeld – auch bei uns in Lengenfeld – ist es daher seit eh und je Brauch und Sitte, dass am Abend von Allerheiligen und Allerseelen Andachten mit der ganzen Gemeinde für die Verstorbenen auf dem Friedhof gehalten werden. Kaum im Laufe eines Jahres sieht man so viele Menschen auf dem Friedhof wie in Novembertagen. Immer wieder aufs Neue kommt uns da zum Bewusstsein, dass vor dem Tod niemand gefeit ist und wir Menschen diesen Weg alle – ob arm oder reich – einmal gehen müssen. Auch in diesem Jahr ist mancher unserer Verwandten, Freunde, Nachbarn und Bekannten oft zu früh ganz plötzlich und unerwartet von uns gegangen. Wie oft müssen wir schmerzlich erfahren, dass Jugend keinesfalls ein Garantieschein wider den Tod ist. Gerade heute, in unserem technisch-mobilen Zeitalter lauern diese tödlichen Gefahren mehr denn je. Liest man die Tageszeitung so erfährt man, wie oft junge Menschen in der Blüte ihres Lebens aus diesem scheiden mussten.

Herr gib Ihnen die ewige Ruhe! Lass sie ruhen in Frieden!


Willi Tasch
(Lengenfelder Echo, November-Ausgabe 2000, S. 11)