Hansmertens Kramladen (1958)

Hansmertens Kramladen konnte man in der Vorstellungswelt der Kinder mit einer Schatzkammer vergleichen, um deren Wunderdinge ihre Wunschträume kreisten. Dort gab es alles, was in damaliger Zeit ein Kinderherz begeisterte: Malsteine (= Malzzuckersteinchen), Johannesbrot, Süßholz, bengalische Streichhölzer, Spielpistolen, Knallplätzchen, Trillerpfeifen, Hauch- und Abziehbilder, Knicker (Schösse), Schlagreifen, Puppen, Bälle ...

„Schon die gelben, roten und blauen Butzenscheiben hatten ihren bestechenden Reiz. Wer da hindurchlugte, sah eine Wunderwelt. Nicht auszumalen, was die Schaukästen und Regale alles bargen, und was von der Decke alles herabbaumelte. Hie vom Tapetennagel bis zur Großmutterbrille, da vom Lampion (von uns Fackel genannt) bis zur Kienrußbutte, dort vom buntflechtigen „Salbendspatschen“ bis zum hölzernen Kuhstallslatscchen.“ (Eichsfeldia Nr. 157, 3. Juli 1928).

Die Fülle der ausgestellten Waren, sowie einzelne Reklameplakate dämpften das einfallende Tageslicht zu mildem Schein, wie es sich für diese magische Märchenwelt geziemte. In der Dämmerstunde erhellte ein Öllicht in Zinnfassung den Raum. Die altertümliche Hängewaage mit zwei großen Messingschalen hatte ein langes Pendel, das wie eine riesige Stopfnadel aussah.

„Und erst um 'Nikolaustagk' und 'Christtagk'! Es konnte nicht anders sein, als daß St. Nikolaus und Christkind von 'Hansmertens' beziehen mußten. Niemand anders hatte ja so 'häbsche Trumpeten', Bilderbücher, Pistolen und Knall-Platzrohre, Trillerpfeifen und Geischeln (=Peitschen).“ - (Eichsfeldia Nr. 157, 3.7.1928).

Hansmertens Franz, der nach dem Tode seiner Mutter, der guten alten „Wase Mrichen“, als Besitzer des Ladens in Erscheinung trat, war ein Mann mit realem Sinn und geschäftlichem Weitblick. In scheinbarem Gegensatz hierzu standen seine angeborene Gutmütigkeit und ein gelegentlicher Hang zur Großmut, die sich zuweilen in Gesten äußerten, welche bei manchen Dorfbewohnern nicht die rechte Würdigung fanden: Vor dem Schulzenamt (Montags Hüs) steht eine Schar Arbeitsloser. Da tritt aus der Tür seines Ladens heraus Hansmertens Franz, eine Kiste Zigarren in der Hand. Mitleidig, wie er ist, reicht er die Kiste herum, damit sich jeder eine Gratiszigarre nehme. Einige Ungenügsame aber wollten zwei oder drei Stück fassen, worauf Franz nur das eine Wort: „Unverschämt!“ hören lässt. – Sprach's und verschwand mit der Kiste, woher er gekommen.

Anton Fick
(Quelle: Die weiße Trauerfarbe, Duderstadt 1958)