Gutachtliche Mitteilung über den Zustand des Pfarrhauses zu Lengenfeld unterm Stein auf dem sogenannten Eichsfelde/Regierungsbezirk Erfurt (1886)

Das Pfarrhaus besteht zurzeit aus zwei Teilen, einem älteren Hauptbau und einem jüngeren Anbau. Der hier interessierende Hauptbau ist ein im Jahre 1619 aus Holzfachwerk erbautes zweistöckiges Wohnhaus. Dasselbe hat eine Länge von 11 m, eine Tiefe von 7,5 m und in beiden Stockwerken eine Stockhöhe von 2,9 m. Das verwendete Holz, mit Ausnahme der Schwellen, welche von Eichenholz sind, ist nur Buchenholz. Säulen, Pfosten, Riegel, Balken und Sparren sind teils aus Gangholz (bloß beschalenes Rundholz), teils aus Halbholz (einmal aufgesägtes Holz) und als Kreuzholz (über Kreuz geschnittenes Holz) verwendet. Balken kommen in Stärken von 19/24 cm, Pfosten von 18/18 cm, Riegel von 18/18 cm, Ecksäulen von 21/21 cm und Sparren von 17/17 cm vor.

Der bauliche Zustand des Hauses ist gerade mit Rücksicht auf sein Alter ein ganz ausgezeichneter zu nennen, das Holz ist meist so hart, dass man kaum einen Nagel hinein schlagen kann. Selbst nach der Wetterseite finden sich noch nicht einmal Spuren von Fäulnis. Hin und wieder zeigt sich wohl an einzelnen Stücken Wurmfraß, doch keineswegs in bedenklicher Weise; insbesondere findet sich an Sparren, an welchen noch Rinde vorhanden war, der Wurm nur unmittelbar unter der Rinde, ohne in den eigentlichen Holzkörper überzugehen. Nirgends sieht man auffällige Verwurmungen oder verworfene Hölzer.

In dem Dache sind die aus geringerem Holze hergestellten Sparren trotz neuerdings vorgenommener Reparatur des Daches belassen worden, gewiss ein Zeichen für den noch immer guten Zustand derselben.

Die vorhandenen alten Kirchenrechnungen geben zwar Aufschluss über das Jahr des Baues, des Fällens und der Anfuhr des Holzes, über den Ort, wo das Holz geholt, nicht aber über die Jahreszeit, in welcher dasselbe gefällt ist. So heißt es, dass das Buchenholz zum Teil vom Heiligenberg bei Großbartloff, zum Teil vom Kloster Zella, geholt sei, das Eichenholz aus der Hohlau zwischen Kohlstädt und Buttstädt. (gemeint sind die eichsfeldischen Dörfer Küllstedt und Büttstedt, Anm. d. Redaktion)

Es ist zu bedauern, dass in den Kirchenrechnungen die Jahreszeit des Fällens nicht notiert ist und sind die wenigen Notizen nur dem Umstande zu verdanken, dass bei Vornahme des Fällens, Fahrens, pp. getrunken wurde und die Kosten des Trinkens in der Rechnung einfach mit ihrem Betrage ohne Datum verzeichnet sind.

Die Kürze der uns zu Gebote gestandenen Zeit ließ weitere Nachforschungen nicht zu, doch soll im vorigen Jahre ein altes Haus, welches es wohl meist aus Buchenholz erbaut war und aus gleicher Zeit stammen soll, abgerissen worden und das alte Holz wegen einer guten Qualität, insbesondere auch Buchenlatten zu einem Neubau wieder verwendet worden seien.

Eine nicht weniger interessante Notiz findet sich in der Kirchenrechnung vom Jahre 1611. Da heißt es nämlich, dass Salz angeschafft wurde, damit die Bretter, welche zur Verschalung des Kirchturmes verwendet, gebeizt wurden; an einer anderen Stelle wurde wieder ein Betrag verrechnet für Trinken, als die Bretter zu Turme gesotten wurden.

Leider findet sich kein Rest mehr von diesen Brettern, da im vorigen Jahre eine neue Kirche vollendet worden ist und die letzten vorhandenen Bretter verkauft wurden.

Die vorstehenden Mitteilungen aus den Kirchenrechnungen sind dem freundlichen Entgegenkommen des katholischen Geistlichen, Herrn Pfarrers Großheim zu verdanken.

Die Unterzeichneten schließen diese kurzen Mitteilungen mit dem Wunsche, dass dieselben dazu beitragen mögen, die so lange angezweifelte Brauchbarkeit des Buchenholzes zu Bauzwecken zu beseitigen und damit einen urdeutschen Baum vor allmählichem Verschwinden zu schützen.


Lengenfeld unterm Stein, am 16. Januar 1886

gez. Wohlfarth
Landesbauinspektor zu Gelnhausen

gez. W. Lehn
Forstmeister zu Birstein


Anmerkung
Für die Übertragung des handschriftlichen Originaltextes aus dem Jahre 1886 bedankt sich die Redaktion recht herzlich bei Herrn Thomas Wetter. Weiterführende Informationen finden Sie auf der Website: www.suetterlin-deutscheschrift.de