Etwas über die Marder (1956)
Der Edel- oder Baummarder (Mustela martes) und der Steinmarder (Mustela foina) sind bei uns seltene Tiere geworden. In meiner Jugend, die in die Zeit zwischen 1880 und 1890 fällt, waren beide Marderarten noch viel häufiger bei uns anzutreffen. Der Edelmarder ist dunkelbraun mit schwarzen Grannenhaaren und dottergelbem Kehlfleck. Er ist größer als der Steinmarder, welcher einen trübweißen Kehlfleck trägt. Sein Pelz ist heller und mit dunkelrötlichen Grannenhaaren durchsetzt (steinfarbig — Schutzfärbung). Er wird auch noch Hausmarder genannt, weil er in Gebäuden lebt. Der Edelmarder ist ein Waldtier. Beide sind blutdürstige Räuber. Ihre Raubzeit fällt in die Nacht; sie sind aber am Tage in ihren Verstecken hellwach. Sie beobachten mit ihren listigen schwarzen Augen alles, was um sie herum vorgeht, und drücken sich meistens, wenn es um sie herum laut wird. Im Walde drücken sie sich lang auf Baumäste und in den Scheunen und Schuppen auf die Balken.
Ich hatte folgende Erlebnisse mit Mardern: Wir fanden in unserer Jugend in einem Drosselnest einen noch jungen Marder, welcher noch nicht lange ausgelaufen sein konnte. Er hatte sich ganz in dieses Nest eingerollt und eingedrückt. Erst beim Berühren des Nestes – wir wollten ihn nämlich lebendig fangen –, sprang er blitzschnell an unseren Köpfen vorbei und verschwand im Dickicht des Waldes.
Später fanden wir im Winter bei Neuschnee die Spur eines erwachsenen Edelmarders. Die Spur führte bis vor eine hohe Fichte, auf welche der Marder aufgebäumt war. Auf dieser Fichte war ein großer Eichhornkober. Da keine Spur zur Erde zurück ging, musste also der Marder darin sitzen. Die nächsten Bäume zu dieser Fichte waren in Zweighöhe von Zweig zu Zweig mindestens 4 m auseinander. Nach kurzer Beratung wurden zuerst Knüppel gesucht. Dann musste einer hinauf; er sollte den Kober herunterwerfen, wo wir den Marder auf der Erde mit Knüppeln totschlagen wollten. Der Kober kam auch herunter. Es war kein Marder mehr darin, aber der Kober war noch warm. Dann entdeckten wir den Marder auf einem Ast des nächsten Baumes gedrückt, er schaute listig unserem Treiben zu. Noch eine kurze Jagd mit Knüppelwerfen, und er war im dichten Fichtenstand verschwunden. Sein unbeobachteter Sprung vom Kober bis zum Ast war also über 4 Meter gewesen.
Früher war auf den Dörfern das Marderklopfen bei jedem Neuschnee gang und gäbe. Ich selbst habe 1905 ein solches Marderklopfen in Hildebrandshausen mit ansehen können und will es kurz schildern:
Bei Neuschnee setzten sich schon in grauer Morgendämmerung die passionierten Marderjäger oder -Spürer in Bewegung, durchstreiften die Dorfgärten, krochen durch Lücken der Zäune und Staketen, untersuchten gründlich den Schnee, um die Spuren des Marders festzustellen und nachzusehen, wo sich die Tiere festgesetzt hatten. In der Scheune, im Schuppen oder Backhäuschen, in welche die Spur hineinging, musste der Marder sitzen. Hatte man so einen festsitzenden Marder entdeckt, dann verbreitete sich schnell die Kunde davon und die halbwüchsige Jugend bewaffnete sich mit spitzen Stangen, andere mit Karfreitagsklappern, Topfdeckeln und anderen Spektakelinstrumenten. Sie machten einen ohrenbetäubenden Lärm und stachen mit den Stangen in das Stroh und Heu, warfen Reißholzwellen und Scheitholzhaufen auseinander, um den oder die Marder aus dem Versteck zu treiben.
Ehe der Radau begann, hatten schon Schützen die Gebäude umstellt und warteten mit mehr oder weniger Aufregung auf das Erscheinen des Marders. Da – blitzschnell erscheint er in einem Dachziegelspalt oder im Dachgiebeldreieck (Uhlenflucht) einer Scheune. Drei oder mehr Schüsse knallen und nur selten lag er sofort tot am Boden. Meistens war er zurück, die Gefahr witternd, in die Scheune, oder er hatte sich durch einen kühnen Sprung in ein angrenzendes Gebäude gebettet. Dieser Augenblick der Jagd war das einzige Schöne für einen Naturfreund, das blitzschnelle Erscheinen, der gewandte berechnete Sprung des Marders meistens aus sehr beträchtlicher Höhe und das schnelle Finden eines neuen Versteckes. Nun fing der Spektakel von Neuem an, bis dann der Marder endlich – es ist manchmal Nachmittag dabei geworden – doch zur Strecke gebracht war. Dann ging es zur Schenke und der Balg wurde „versoffen“.
Diese Art Marderjagd wurde später wegen der damit verbundenen Lebens- und Feuersgefahr polizeilich verboten.
Lambert Rummel
(Quelle: „Mühlhäuser Warte“, Ausgabe 1956/12, S. 153 – 154)