Erinnerungen an die Beisetzung des langjährigen Internatsleiters Dr. Wilhelm Ripke auf dem Bischofsteiner Bergfriedhof (1965)

Im Januar 1964 hatte Ripke Abschied von Bischofstein genommen. Hannover wurde sein neuer Wohnsitz. Von da aus besuchte er in den dreizehn Monaten, die ihm vor seinem unerwarteten Tod noch vergönnt waren, viele Bischofsteiner und unternahm ausgedehnte Reisen, die ihm nach den langen Jahren der unfreiwilligen Einsamkeit noch einmal Gelegenheit boten, die Welt zu sehen und das Leben zu genießen, das er so sehr liebte.

Am 29. April 1965 kehrte er nach Bischofstein zurück. An diesem Tage wurde seine Urne auf dem kleinen Friedhof beigesetzt Ripkes letzter Wunsch, an der Seite seiner Frau beerdigt zu werden, erfüllte sich. Leider konnte keiner seiner früheren Schüler an seinem Grab stehen. Auch Frau Mund nicht, ihr wurde die Einreise verweigert. Aber alle Bewohner Bischofsteins waren erschienen und zahlreiche Lengenfelder. Natürlich war auch die mit Bischofstein eng verbundene Käthe Groß zur Stelle, die seit 30 Jahren Wirtschafterin im Schloss ist. Zusammen mit ihrem Mann, dem jetzigen Hausmeister Bischofsteins, hat sie die komplizierten Formalitäten der Bestattung erledigt.

Am Tage der Beisetzung regnete es in Strömen, darum fand die Trauerfeier nicht auf dem Friedhof, sondern im Schloss statt auf dem Flur zwischen Turnhalle und Speisesaal. Zwei Volkslieder erklangen, gespielt von zehn Bläsern; es sprach Herr Reichenbach, der Bürgermeister von Mühlhausen; und dann trug man die Urne zu Grabe. Mit vielen Kränzen und Blumen wurde Ripkes letzte Ruhestätte geschmückt.

Eigentlich sollte die Beisetzung schon am 17. April 1965 sein. Der Termin musste jedoch verschoben werden, weil sich die Überführung der Urne beträchtlich verzögert hatte. Dieser Umstand brachte es mit sich, dass Frau Hilde Natorp und Frau Martha Geier, die am 17. April nach Bischofstein gekommen waren, nicht an der Trauerfeier teilnehmen konnten, da sie bereits vor dem 29. April wieder abreisen mussten. Beide Damen besuchten aber während ihres Aufenthaltes in Bischofstein gemeinsam den kleinen Friedhof, leider war er verschlossen. Frau Geier ließ sich jedoch nicht entmutigen, sondern kletterte behände über das Mäuerchen, um ihre selbst gepflückten Veilchen an Frau Doktors Grab niederzulegen. In einem Bericht an Frau Mund schildert Frau Natorp diese Episode. Weiter heißt es in ihrem Briefe:

„Die Obstbäume haben dicke Knospen und Forsythia blüht. Die Gräber waren sehr sauber und hübsch hergerichtet, die Grube für die Urne ausgehoben und mit Fichtenzweigen ausgelegt.“

Wenn sich künftig die Schüler und Freunde Ripkes an Bischofstein erinnern, werden ihre Gedanken auch an den Gräbern auf dem kleinen Friedhof weilen, dieser stillen Stätte inmitten schöner Wiesen und am Rande des herrlichen Buchenwaldes, in dem einst Ripke so gern mit seinem Hund auf die Pirsch ging.

Nach Dr. Ripkes Tod trafen bei Frau Mund in Hannover sehr viele Briefe und Karten aus aller Welt ein. In ihnen kommt die tiefe Erschütterung über den unersetzlichen Verlust des verehrten Lehrers immer wieder zum Ausdruck. Seine großen pädagogischen Fähigkeiten werden gerühmt, seine umfassende Bildung, seine warme Menschlichkeit und sein liebenswerter Humor. Die Trauer darüber, Ripke nie wiedersehen zu können und das Gefühl, ohne ihn nun ärmer und verlassener zu sein, spricht aus den meisten der oft bewegenden Zeilen. Für viele ehemalige Schüler gehören die Jahre in Bischofstein zu den schönsten ihrer Jugend, ja sogar ihres bisherigen Lebens. […]


Dr. Heiner Kürbs, Nürnberg
(Quelle: „Bischofsteiner Rundschreiben“, Weihnachten 1965, S. 5 – 6)