Erholungsheim „Schloss Bischofstein“ (1970)

Geschichte und Sage ranken um das alte Gemäuer dieses ehemaligen Gutsschlosses in Lengenfeld unterm Stein, das im Jahre 1747 ein Mainzer Kurfürst für seinen Amtsvogt auf einem Bergsattel unterhalb des „Steins" (später „Schloßberg“ genannt) im Eichsfeld bauen ließ. Man muss schon von Süd oder Ost her nach Lengenfeld kommen, um des Bauwerks Schlosscharakter ahnen zu können und zu verstehen, warum der damalige Bauherr gerade diese Stelle als seinen Zwecken passendste aussuchte.

Mit dem Jahre 1802 wurde das Eichsfeld preußisch, damit verlor auch dieser Bau seine ursprüngliche Bestimmung und wurde – je nach Zeit – zu anderen Zwecken genutzt.[1]

Baumeister war Johann Christoph Heinemann aus Dingelstädt. 1813 wurde das Schloss Privatbesitz und wechselte oft den Besitzer. Im Jahre 1808 richtete Dr. Marseille hier ein Landschulheim für die Söhne der herrschenden Klasse ein. Nach dem 2. Weltkrieg wurden auf dem Bischofstein Lehrer ausgebildet. Tatsächlich waren auch die ersten Gäste 30 Urlauber der Gewerkschaft „Lehrer und Erzieher“.

Das bisher industrielle Notstandsgebiet Eichsfeld begann nach 1945 mit einer zielstrebigen Aufwärtsentwicklung und der Bischofstein wurde 1948 dem Urlauberverkehr erschlossen und zu einem FDGB-Erholungsheim. Leider war es bisher nicht möglich, das Objekt käuflich zu erwerben und damit einige wichtige bauliche Veränderungen vornehmen zu können. Gerade die südliche Längsseite des ehemaligen Schlosses zeigt noch die Ställe und Wirtschaftsräume aus früherer Zeit und passt absolut nicht mehr in die jetzige Verwendung. Die zuständigen Stellen hoffen aber auf den Kauf und haben auch schon fertige Pläne für einen Umbau bereit. Wie man hört, denkt man dabei an einen schönen Verandenbau mit reizvollem Blick in das Friedatal und auf das von einer Eisenbahnbrücke überspannte Dorf Lengenfeld mit seinen Fachwerkhäusern. Schon heute darf aber gesagt werden, dass der FDGB-Feriendienst mit den bisher aufgebrachten finanziellen Mitteln seinen Gästen einen romantischen Flecken der eichsfeldischen Landschaft erschlossen hat.

Andererseits wurde damit vielen Bürgern unserer Deutschen Demokratischen Republik, die jährlich hier ihren Urlaub verbringen, das bis dahin kaum bekannte oder doch noch oft verschriene Eichsfeld in gute Erinnerung gebracht.

Ein Urlaub auf Bischofstein, dessen günstige Höhenlage zwischen 300 und 400 m auch den älteren Menschen einen angenehmen Aufenthalt gewährleistet, kann durch die waldreichen Höhen, die grünen Matten und Hänge, die weiten und engen Täler mit ihren Äckern und Wiesen jedem Naturliebenden Ruhe und Erholung geben. Wer aber Tanz und Vergnügungsrummel sucht, wäre hier am falschen Platz.

Von den Gästen immer gerühmt werden die peinliche Sauberkeit im ganzen Haus, die guten Schlaraffenbetten für die nächtliche Ruhe und die wohlschmeckenden Suppen für den Mittagstisch.

Jährlich beherbergt der Bischofstein 2.883 Urlauber und Kurgäste. Bis 1969 waren es insgesamt 40.530. Damit ist wohl bewiesen, dass dieses FDGB-Erholungsheim heute eine große Anziehung bei den Erholungssuchenden hat. Auch die ausliegenden Gästebücher bestätigen das und wer die ausgezeichneten Bilder, Skizzen und Zeichnungen an den Wänden des Speisesaals genauer betrachtet, wird zu dem gleichen Urteil kommen.

Was dem Bischofstein seinen besonderen Reiz und Vorzug gibt, das ist die Geschlossenheit, das Einheitliche zwischen dem Bau, der Landschaft und den Menschen, die in der Gemeinschaft die Urlauber betreuen. Schon der Empfangsabend vermittelt durch die Heimkulturgruppe beste Eindrücke vom Heimklima und den Betreuern, die fast alle aus Lengenfeld oder den umliegenden Dörfern stammen.

An den Regen- und Schlechtwettertagen sorgen behaglich eingerichtete Klubräume, Lesezimmer, Speisesaal, Spiel- und Fernsehraum für Abwechslung und Unterhaltung. Alle Zimmer haben Zentralheizung und in Kürze auch volle warme und kalte Wasserversorgung. Für Spiel und Sport können besondere Anlagen innerhalb und außerhalb des Hauses benutzt werden. Eine neue Badeanstalt im Ort Lengenfeld bietet dem Badefreund Entspannung.

Heute ist der Bischofstein auch Naherholungszentrum für die Einwohner der Gemeinden Lengenfeld, Faulungen und Hildebrandshausen. Zu diesem Zweck hat man in den Park- und Gartenanlagen des Heimes neue Garten- und Campingmöbel bereitgestellt und sorgt für eine gastronomische Betreuung im Freien.

Älteren Urlaubern und Gehbehinderten bietet der Park direkt am Heim und der angrenzende Wald Möglichkeiten genug, die bereitstehenden Liegestühle zu nutzen oder sonst Luft und Sonne im Freien zu genießen. Für eine vergnügte Kaffeestunde mit frischem Gebäck ist auch täglich im Speisesaal besondere Tischzeit; man kann aber auch im Ort im sogenannten „Bauernhaus" und anderen Gaststätten einkehren.

Dem gern wandernden Urlauber bieten sich eine Reihe schönster Wanderziele. Gute Fernsicht und Aussicht bietet eine Höhenwanderung nach Effelder – Struth – Kloster Zella, setzt aber kräftige Beine und mindestens 3 bis 4 Stunden Wanderzeit voraus. Ruhe, Beschaulichkeit und reine Naturfreude schenkt der Küllstedter Grund, vom Heim aus in 1 ½ Stunden zu erreichen. Von der Heimleitung organisierte Ausflugsfahrten mit dem Bus nach Eisenach zur Wartburg, der Thomas-Müntzer-Stadt Mühlhausen und nach Heilbad Heiligenstadt sind Höhepunkte des Urlaubs.

Das etwas raue, relativ trockene Klima auf dem hier auf dem oberen Eichsfeld anstehenden Gesteins des Muschelkalks schafft natürlich auch die Bedingungen für eine besondere Flora und der Pflanzenkenner wird sich freuen über die vielen Arten aus dem Reiche der Orchideen und Glockenblumen. Hier gedeihen auch der Enzian und der Türkenbund. Gleich im Park trifft der Naturfreund junge und alte Eiben und bei Kloster Zella die essbare Kastanie.

Diese Tatsache, aber wohl noch mehr die Bezeichnung „Mühlhausen in Thüringen" lassen die Urlauber meinen, dass sie hier Thüringer Luft atmen und sich in einer Thüringer Landschaft befänden.

Aber das bergige Ländchen hier, Eichsfeld genannt, liegt zwischen Harz und Thüringer Wald und unterliegt mit dem Einfluss des rauen Nordharzes. Dem etwas empfindlichen Gaste ist daher anzuraten, wärmere Kleidung mit in den Reisekoffer zu packen, falls er in den Übergangsmonaten den Bischofstein besucht. Die aufklärenden Vorträge über Land und Leute dieser Landschaft gleich zu Beginn der erholsamen Tage sorgen dafür, dass sich der Urlauber bewusst ist, wo er sich befindet.

Der Urlauber kann mit der Bahn von Leinefelde über Dingelstädt nach Lengenfeld unterm Stein anreisen, von wo das Gepäck zum Heim abgeholt wird. Für die aus Thüringen und Sachsen Anreisenden ist die Benutzung des Busses ab Mühlhausen zu empfehlen. Für die Einreise ist ein Passierschein erforderlich.


C. Stockhaus
(Quelle: „Eichsfelder Heimathefte“, 10. Jahrgang, 1970, Heft 4, S. 304 – 307)


[1] Der Verfasser dankt an dieser Stelle recht herzlich dem derzeitigen Heimleiter Herrn Anklam für wertvolle Hinweise und möchte noch auf die Sonderausgabe der „Eichsfelder Heimathefte“ 1964 verweisen: Rolf Barthel: Zwischenspiel in Bischofstein. Beziehungen des Menschen Käthe Kollwitz zum Eichsfeld.