Enteignung eines Hauses in Lengenfeld unterm Stein zum Bau der Kanonenbahn (1878)
Der Handarbeiter Caspar Dietrich zu Lengenfeld u. St. hat das ihm und verschiedenen Miteigenthümern gehörende in Lengenfeld u. St. belegene im Kaufkontracte de dato Heiligenstadt den 12. Januar 1853 als ideelle Antheil unter Nro. 93 verzeichnete Gerechtigkeitshaus nebst Zubehör Grundbuch der Häuser Bd 3 Blatt 93 identisch mit den in der Gebäudesteuerrolle unter Nr. 165 und 166 verzeichneten Häusern zum Bau der Berlin Coblenzer Eisenbahn laut Vertrag vom 21. Februar und 29 März 1876 für den verabredeten Kaufpreis von 6000 Mark an die Königliche Eisenbahndirection zu Frankfurt a/M abgetreten.
Zum Zwecke der pfandfreien Abschreibung dieses Grundstücks von dem Grundbuchfolium und des Übergangs des Ersteren in das pfandfreie Eigenthum des Eisenbahn-Fiscus werden die an dem Grundstücke des Handarbeiters Caspar Dietrich und Genossen Real-Berechtigten hiervon und mit der Aufforderung in Kenntniß gesetzt, binnen einer Frist von 14 Tagen vom Tage der im Amtslokale des Ortsvorstandes in Lengenfeld u. St. stattfindenden Auslegung des Plans zum Bau der Berlin Coblenzer Eisenbahn an gerechnet ihre Ansprüche auf den für das abzutretende Grundstück festgesetzten Kaufpreis bei der zur Entgegennahme etwaiger Ansprüche bestellten Ortspolizeibehörde von Lengenfeld u. St. das ist dem Amtsvorsteher Lorenz in Geismar anzumelden und geltend zu machen, widrigenfalls angenommen werden wird, daß die Realberechtigten gegen die gerichtliche Deposition des Kaufgeldes sowie Einwendungen dagegen nicht zu erheben haben, daß auf beigebrachtem Nachweis von der geschehenen Deposition der Enteignungs-Beschluß über das in Rede stehende Grundstück in Gemäßheit des §. 32. des Enteignungsgesetzes vom 11. Juni 1874 bei dem Bezirks-Rathe hierselbst extrahirt werden wird.
Erfurt, den 24. Juni 1878
Der Regierungs-Präsident v. Kamptz
(Quelle: Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Erfurt. Erfurt, den 29. Juni 1878)
Kernaussagen des Textes
Verkauf des Grundstücks:
Caspar Dietrich und seine Miteigentümer verkaufen das „Gerechtigkeitshaus“ (Haus mit bestimmten Nutzungsrechten) samt Zubehör.
Das Haus ist im Kaufvertrag von 1853 unter der Nummer 93 verzeichnet.
Es entspricht den Gebäuden Nr. 165 und 166 in der Gebäudesteuerrolle.
Der Verkauf dient dem Bau der Berlin-Coblenzer Eisenbahn.
Kaufpreis: 6000 Mark.
Vertragsdatum: 21. Februar und 29. März 1876.
Pfandfreie Abschreibung und Übergang in Eisenbahn-Eigentum:
Das Grundstück soll aus dem Grundbuch gelöscht werden, um es in das „pfandfreie Eigentum des Eisenbahn-Fiscus“ (staatliches Eisenbahnvermögen) zu überführen.
Aufforderung an Realberechtigte:
Alle Personen, die an dem Grundstück reale Rechte (z. B. Hypotheken, Wegerechte) haben, werden informiert.
Sie haben 14 Tage Zeit, ab der öffentlichen Bekanntmachung des Bauplans im Amtslokal in Lengenfeld unterm Stein, ihre Ansprüche auf den Kaufpreis geltend zu machen.
Zuständig für die Entgegennahme ist die Ortspolizeibehörde, vertreten durch Amtsvorsteher Lorenz in Geismar.
Folgen bei Nichtanmeldung von Ansprüchen:
Falls keine Ansprüche erhoben werden, wird angenommen, dass die Realberechtigten keine Einwände gegen die gerichtliche Hinterlegung des Kaufpreises haben.
Nach Nachweis dieser Hinterlegung wird die Enteignung gemäß § 32 des Enteignungsgesetzes von 1874 durch den Bezirksrat formell beschlossen.
Bedeutung:
Dieser Text ist eine amtliche Bekanntmachung zur Enteignung eines Grundstücks für den Bau der Berlin-Coblenzer Eisenbahn. Er gibt betroffenen Berechtigten die Möglichkeit, Ansprüche auf den Kaufpreis anzumelden. Wenn sie dies nicht tun, wird das Grundstück endgültig in den Besitz der Eisenbahnverwaltung überführt.