Einiges zur Lengenfelder Kirmes (1925)
Allmählich verglühen die letzten Kohlen in den Backöfen. Die Bäcker atmen auf. Hier, wo das Leben flutete, nun gähnende Leere. Im Dorfe ist nun auch die Parole: Besen in Ruh.
Viel verheißend für unsere Kleinen steht in der Backsgasse in majestätischer Ruhe „Wolfs Pracht-Doppelkarussell“. Dort warten unter verhängter Plane Kirmesfreuden. Daneben ragt der buntbewipfelte Angerbaum.
„Wann's Kärmse äs“, hallt der bekannte Kinderreim über die Gasse.
Samstagabend! Lampions leuchten und unter flotten Märschen geht‘s durch die Dorfstraßen. Die Abendzüge bringen noch manchen Gast und manchen, der „mitmachen“ will.
Am Sonntagmorgen gibt die Gemeinde dem Herrn die Ehre und wohnt andachtsvoll dem feierlichen Hochamt mit Festpredigt, Tedeum und Segen bei. Mutter hat für reichen Tisch gesorgt, sodass jeder zufrieden ist.
Nach dem Hochamte setzen in althergebrachter Weise die üblichen Ständchen ein. Es ist Platzmeisterwahl. Pfarrer und Schulze bestimmen da von altersher zwei unbescholtene Burschen zu diesem Ehrenamt. Am Nachmittag ist dann geschlossener Aufzug zum Anger und nun wird‘s lebendig in den Straßen und Gassen. Herbei strömen die Dorfschönen, denn ein Angertanz ist ein Ehrentanz.
Wolf enthüllt – gemeint ist natürlich der Karussellwolf und nicht etwa Wolffs Telegraphenbüro. Lustig trällert die große Orgel: „Wir fahr‘n nach Lindenau…“ Dann wiegen sich in sanften Walzerreigen die Paare unterm grünen Baum. Überrascht schaut mancher auf bei kurzem Tusch der Musik, er erblickt den freundlich dreinschauenden Platzmeister, der ihm ein gefülltes Maß in die Hand drückt. Nach getanem „Bescheid“ drückt er nun diesem gleichfalls nach herzhaftem Börsenzug eine Gegenleistung in die Hand. Wie gut, dass man sich „vorgesehen“ hat.
So wechselt das Bild und Langeweile kommt nicht auf. Da zupft schon wieder der „Familienanhang“ am Rockschoße, der sein Geld bereits alles bei „Wolf“ angelegt hat. Mit der Erklärung, dass es nun das letzte ist, zieht man noch einmal die Börse ...
Spätabends hat dann hier und da ein ehrenwerter „Familienhäuptling“ vergessen, dass er doch schon „in die Jahre“ kommt und er wird wieder jung und tut wohl des Guten zu viel. Merkwürdig krumm erscheinen ihm die Straßen und Gassen und so schief stehen die Lichtmasten und nimmer kennt er sich aus in Ursache und Wirkung. Aber na, man ist verheiratet und weiß doch, wo man hingehört!
Daheim hat „sie“ noch kein Auge zutun können, was „er“ allerdings sehr, sehr bedauert.
Eine „liebevolle Zurechtweisung“ erfolgt und hageldicht fallen „Schlagwörter“. Da drängt es ihn von innen heraus noch einmal ans Fenster.
Durch die weitgeöffneten Flügel tönt Wolfs Karussellorgel in die Nacht: „Die Liebe, die Liebe ist eine Himmelsmacht“. – „Hörst du, Alsche … ist eine Himmels – ma – acht! …“ Da glätten sich ihre Züge und zehn Minuten später schlürft er schwarzen Kaffee. Karussellorgeln sind nützlich, sie können in den Disharmonien des Lebens versöhnend wirken … Karussellorgeln sind sehr nützlich; wird es nicht auch in Hänschens Schulaufsatz zu lesen sein?
Adam Richwien
(Quelle: „Eichfelder Volksblatt“, Ausgabe vom 29.10.1925)