Eine bisher unbekannte Karte vom Eichsfeld aufgefunden

Anlässlich eines Besuches in meiner Heimatstadt Worbis wurde ich auf eine Karte hingewiesen, die sich noch im Privatbesitz des Unionsfreundes Paul Waldmann befände. Herr Waldmann war so freundlich, mir Einblick in diese Karte zu gewähren; Ich fühle mich als Lokalhistoriker verpflichtet, von dieser Stelle aus Herrn Paul Waldmann dafür herzlichst zu danken. Zugleich nehme ich mir als einer der ältesten Lokalforscher des Eichsfeldes das Recht und die Ehre voraus, für alle Lokalforscher des Eichsfeldes Herrn Waldmann Dank zu sagen, da er die Absicht hat, die Karte dem im Entstehen begriffenen Heimatmuseum Worbis als Leihgabe zu stiften. Die Karte, verglichen mit den überlieferten Urkunden des Amtes Bischofstein und anderen, bildet eine wertvolle Fundgrube für meine Chronik von Lengenfeld unterm Stein und Bischofstein. Die Ergebnisse dieser Forschungen gedenke ich im „Heimatborn“ in mehreren Folgen zu veröffentlichen.

Bei Einsicht der Karte wurde mir sofort klar, dass ich eine Kopie der Karten vor mir hatte, die der Kurfürst Daniel von Mainz zwischen 1550 bis 1583 hatte anfertigen lassen, um die Irrungen zu beseitigen, die an den Landesgrenzen zwischen dem Kurfürstentum Mainz und den Landgrafen von Hessen einerseits und des eichsfeldischen und hessischen Adels andererseits entstanden waren. Hierbei kam es zum Austausch des Dorfes Döringsdorf an das Eichsfeld; das Dorf Frieda wurde hessisch. Die Karte ist farbig auf Papier gemalt und auf Leinen aufgeklebt; sie ist 3,5 m lang und 70 cm breit. Der Name des Zeichners ist nicht angegeben, nur der Vermerk, dass die Karte aus dem Augenschein gezeichnet wurde, d. h., von höheren Bergen bzw. einem Kirchturm oder Burgsöller aus. Sie ist somit kein Messtischblatt, sondern nur aus der Entfernungsschätzung hervorgegangen. Maßstäbe und Himmelsrichtungen fehlen. Die Berge sind maulwurfshügelig angedeutet, die tiefsten Täler als Wiesen am dunkelsten gezeichnet. Die Karte zeigt in ihrer Länge die damalige Landschaft von der Eigenrieder Warte am Landgraben, das Frieda- und Werratal bis Eschwege und anschließend das verlängerte Werratal mit Werraschleife beim Ludwig- und Hanstein bis in die Eichsfelder Grenzgegend von Eichenberg. In ihrer Breite zeigt sie den Landschaftsstreifen von der Burg Bischofstein über Hildebrandshausen, Katharinenberg, Wendehausen und die Gauerbschaft Treffurt.

Städte, Dörfer und Burgen scheinen getreu nach ihrem damaligen Aussehen gezeichnet zu sein, desgleichen die Mühlen und besonders die Vorwerke. Ackerland, Hutweiden, Triften, Wälder, Hauptwege und Flussläufe, auch Zollstöcke, Centsteine und Heiligenstöcke sind eingezeichnet. Die Karte gibt wertvolle Hinweise über die Flurbenennungen der damaligen Zeit. Sie wirkt schon bedeutend feiner und sorgfältiger gestaltet als viele andere Karten aus dieser Zeit. Es scheint, als stamme sie aus der Schule Merkators, des Kartenstechers am kurfürstlichen Hof zu Mainz. Man vergleiche damit die bis jetzt erläuterten ältesten Karten des Eichsfeldes (Dr. Johannes Müller in „Unser Eichsfeld“, Jahrgang 1911 Heft 1). Die eigentliche Ursache zu der Grenzberichtigung zwischen Mainz und Hessen sowie auch die Berichtigungen der Lehnsverhältnisse des Adels, die ja den Anstoß zur Anfertigung dieser Karte gaben, lagen, wie aus Urkunden des 14. Jahrhunderts zu ersehen ist, schon 225 Jahre zurück.

1331 bekam Siegfried von Bülzingslöwen die Hälfte des Amtes Stein vom Kurfürsten Gerlach zum Unterpfand für ein gewisses Darlehen, das Kurfürst Daniel erst 1573 zurückzahlte, Während dieser Pfandschaft sind mit dem Landgrafen von Hessen allerlei Irrtümer entstanden wegen einiger Bischofsteiner Dörfer. Zur Beilegung aller Unstimmigkeiten wurde 1549 zu Speyer ein Vergleich vorgeschlagen. Eine allgemeine Grenzberichtigung kam jedoch erst 1583 zustande (Wolf, Politische Geschichte des Eichsfeldes).

Aber auch aus den vielen Abhängigkeiten und Zuständigkeiten, durch die fast undurchsichtigen Verlehnungs- und Verpfändungsurkunden hervorgerufen, entstanden im 14. Jahrhundert Streitigkeiten, auch unter den Lehnsinhabern. Viele Lehnsrechte waren längst in Vergessenheit geraten. Diese Streitigkeiten beunruhigten die Bewohner des Amtes Bischofstein über 200 Jahre lang. Durch Festlegung und Versteinung der Grenzen sollten sie beseitigt werden, wie folgende Urkunde aussagt:
„1572, 22.9. Obwohl die langwierigen schweren Speen u. Irsalen, so sich zwischen Kurfürst Daniel und den von Bülzingsleben, den dem Bischof eigentümlichen und Bülzingslebener Pfandsuntertanen des Hauses Bischofstein, der Dorfschaften Faulungen, Lengenfeld und Geismar sowie Friedrich Keudeln zu Schwebda und dessen Söhnen Wolf Wilhelm und Berndt Keudel und ihren Untertanen zu Hildebrandshausen-Grenz, Huth, Trift, Länderei und Beholzungen wegen zugetragen, schon am 20.12.1561 durch die Räte Joh. Andres Mosbach Thumprosten zu Meintz, Thumdechanten und Cämerer Philipsen Brendeln von Homburgk, Amtmann zu Diepurgk und Kaspar von Berlipschen zu Sebach verhandelt sind, so hat jetzt Kaspar von Berlipsch, Amtmann des Eichsfeldes, nachdem die vorigen teils gestorben, mit Georg, Hans und Valten von Bülzingsleben, Wilhelm von Westernhagen und Stephan Bohner, der Rechten Doktor als Commisaren, auch Thomas Thunhose, Vogt zu Rusteberg und Bischofstein die streitigen Oerter bezogen und beschieden.“ (aus Aloys Höppners Keudelschen Archiv-Studien).

Nun folgten die Steinsetzungen oben benannter Orte und auch Flurteile, welche nur örtliche Bedeutung haben, deren Steine noch heute bestehen. Das Wo und Wie ist in meiner handschriftlichen Chronik über Lengenfeld und Bischofstein zu lesen.

Wo einstmals auf dem Burgberge bei Lengenfeld unterm Stein die alte Feste „Hus zum Steyn“ mit „Stadt zum Stein“ und danach die Burg Bischofstein gestanden hat, finden wir heute nunmehr Erdlöcher mit alten Mauerresten und Ruderas von Burgsöllern. Einige Heimatforscher haben uns die Burg geschildert nach Studien alter, lückenhafter Urkunden. Aus der Karte lässt sich nun das erste zuverlässige Bild der Burg entnehmen, wie es Augenzeugen in den Jahren zwischen 1550 bis 1600 aufgezeichnet haben. Die dargestellten Burggebäude stimmen mit den Angaben überein, die Amtsvogt Philipp Falk um 1600 gemacht hat.

Lambert Rummel
(Quelle: Eichsfelder Heimatborn, 14.05.1955)