Eine Bildkarte des Eichsfeldes aus dem 16. Jahrhundert
In den 50er Jahren schenkte Herr Paul Waldmann aus Worbis dem damals im Entstehen begriffenen Worbiser Heimatmuseum eine äußerst wertvolle Bildkarte aus der 2. Hälfte des 16. Jh. Sie ist wohl das mit Abstand wertvollste Exponat der Einrichtung und hat die Beachtung und das Erstaunen vieler tausender Besucher erfahren.
Es handelt sich dabei um die Kopie mehrerer Karten, die der Mainzer Kurfürst Daniel Brendel von Homburg zwischen 1550 und 1583 hatte anfertigen lassen, um die Irrungen und Streitigkeiten im Verlauf der Landesgrenzen zwischen dem damals kurmainzischen Eichsfeld und der Landgrafschaft von Hessen beseitigen zu helfen.
Die Bildkarte ist farbig auf Papier gemalt und auf Leinen geklebt. Sie ist mehr als 3 m lang und 70 cm breit. Der Name des Zeichners fehlt. Ein Vermerk besagt, dass die Landschaft nach dem Augenschein gezeichnet wurde, also aus der Vogelperspektive von höheren Bergen, Kirchtürmen oder Burgsöllern aus. Sie ist aus der Entfernungsschätzung hervorgegangen, auch Maßstab und Himmelsrichtungen fehlen.
Die Karte zeigt in ihrer Länge die damalige Landschaft von der Eigenröder Warte am Landgraben, das Frieda- und Werratal mit der Flussschleife beim Kanstein bis in die Grenzgegend vom Eichenberg. In ihrer Breite zeigt sie den Landschaftsstreifen von der Burg Bischofstein über Hildebrandshausen, Katharinenberg, Wendehausen und die Ganerbschaft Treffurt. Städte, Dörfer und Burgen scheinen getreu ihrem damaligen Anschein gezeichnet zu sein, desgleichen die Mühlen und besonders die Vorwerke, Ackerland, Hutweiden, Triften, Wälder, Hauptwege und Flussläufe, auch Zollstöcke, Centsteine und Heiligenstöcke sind eingezeichnet.
Die Karte gibt wertvolle Hinweise über die Flurbezeichnungen der damaligen Zeit. Wegen ihrer übersichtlichen und sorgfältigen Gestaltung wird vermutet, dass sie aus der Schule Merkators stammt, des Kartenstechers am kurfürstlichen Hofe zu Mainz. Es ging damals um den Austausch der beiden Ortschaften Döringsdorf und Frieda. Deutlich hebt sich das rot eingezeichnete Gebiet um die Ortschaft Döringsdorf von der übrigen Buntmalerei ab. Döringsdorf wurde damals eichsfeldisch und Frieda hessisch.
Im Jahre 1331 bekam Siegfried von Bültzingslöwen die Hälfte des Amtes Stein vom Kurfürsten Gerlach zum Unterpfand für ein gewisses Darlehen, das Kurfürst Daniel Brendel von Homburg um das Jahr 1573 einlösen konnte. Während dieser Randschaft waren einige Irrtümer mit dem Landgrafen von Hessen wegen verschiedener Bischofsteiner Dörfer entstanden. Zur Beilegung der Unstimmigkeiten wurde im Jahre 1549 zu Speyer ein Vergleich vorgeschlagen. Eine allgemeine Grenzberichtigung kam jedoch erst anno 1583 zustande (Wolf, Politische Geschichte des Eichsfeldes).
Wo einstmals auf dem Burgberge bei Lengenfeld unterm Stein die alte Veste »Hus sum Steyn«, und danach die Burg Bischofstein gestanden hat, finden wir heute nur Erdlöcher mit alten Mauerresten und Überbleibseln von Burgsöllern. Einige Eichsfelder Heimatforscher haben nach dem Studium lückenhafter Urkunden die Burg geschildert. Aus der vorliegenden Bildkarte im Worbiser Heimatmuseum lässt sich das zuverlässige Bild der Gebäude rekonstruieren, wie es Augenzeugen in der Zeit zwischen 1550 und 1600 aufgezeichnet haben.
Eine Urkunde aus dem Jahre 1572 besagt: »Obwohl die langwierigen Spleen und Irsalen, so sich zwischen Kurfürst Daniel und den von Bültzingslöwen, den dem Bischof eigentümlichen und Bültzingslöwener Randuntertanen des Hauses Bischofstein, der Dorfschaften Faulungen, Lengenfeld und Geismar sowie Friedrich Keudeln zu Schwebda und dessen Söhnen Wolf, Wilhelm und Berndt Keudeln und Untertanen zu Hildebrandshausen - Grenz, Huth, Trift, Länderei und Beheizungen wegen zugetragen, schon am 20.12.1561 durch die Räte Johann Andres Mosbach Thurmpropsten zu Maintz, Thurmdechanten und Camerer Philipsen Brendeln von Homburgk, Amtmann zu Diepurgk und Kaspar Berlepschen zu Sebach verhandelt sind, so hat jetz Kaspar von Berlespsch, Amtmann des Eichsfeldes ... die streitigen Örter bezogen und beschieden« (Aus dem Keudelschen Archiv).
Schon allein aus dieser Darstellung erhellt, dass die besprochene Bildkarte im Worbiser Heimatmuseum zu den wertvollsten zählt, die uns über Jahrhunderte hinweg erhalten geblieben sind. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass dieses Kleinod nach 1943 in den Wirren des Zweiten Weltkrieges von Paul Waldmann gewissermaßen aus dem Chaos gerettet wurde, denn durch Unkenntnis und rohe Gewalt ist ja damals manches wertvolle Kulturgut beseitigt worden. Das Kunstwerk aus dem 16. Jh. ist so wertvoll, dass es eigentlich nicht ausgestellt werden dürfte, weil es auch in einem Heimatmuseum leider manchen Unwägbarkeiten ausgesetzt ist.
Übrigens war der Bäckermeister und Heimatfreund Lambert Rummel der erste, der über dieses Kleinod der Kartographie des Eichsfeldes die Bevölkerung zu unterrichten wusste. Er spendete kurz vor seinem Tode dem Worbiser Heimatmuseum einen großen Teil seiner Sammlungen zur eichsfeldischen Käfer- und Schmetterlingswelt.
Richard Linke
(Quelle: Eichsfelder Heimatstimmen)