Ein Sang vom Hasenborn
Daheim – so komm denn Freund, wir wollen wandern
von einem Berg der Heimatwelt zum andern.
Wohin zuerst? So lass den Dünberg uns ersteigen,
von dorten will ich dir vertraute Bilder zeigen.
Sieh nur, wie um der Kuppe schroffes Felsgestein
es flirrt vom goldenen Morgensonnenschein!
Nach Osten schau, wo an den kühn getürmten Klosterschrennen,
der Morgenröte blut’ge Fackeln brennen.
Und hier – die Hände lass uns falten, lass uns lauschen,
wie andachtsvoll, wie im Gebet, die dunklen Föhren rauschen.
Nun schau ins Tal – liegt da nicht eines Traumes Wunderwelt?
Knie nieder, Freund, grüß deine Heimat, grüß dein Lengenfeld!
Es grüßen drunten alte Höfe – alte Winkelgassen –
Nein, nein – solch sel’ger Jugend Bild kann nicht verblassen.
Den kennst du auch, den Hof, der dort im Schein der Morgensonne liegt,
es ist der Hasenhof, der an den Dünbergshang sich schmiegt.
Zehn Schritte weit, ganz nah vor seinem steingefassten Tor,
des Hasenbornes Quelle lustig springt hervor.
Weißt du es noch – wie du gespielt, getollt als Kind,
wo dieses kühle Wässerlein zu Tale rinnt?
Als Hütejungen saßen du und ich am Quell
beim frohen Flötenspiel – beim Sang so silberhell.
Und webt sich keine Sage um das Börnlein her,
der Jugendzeit vertraute Wirklichkeit, sie ist uns mehr.
Im Wintertag – die Flocken tanzten leise,
des Hasenbornes Strahl erstarb im starren Eise.
Wie rings am Hang die blanken Schollen blitzten,
im hellen Jubel unsre Schlitten flitzten.
Dass hier nun flugs entstand die Rodelbahn,
das hat des Hasenbornes Wässerlein getan.
So ging’s talab – wie tat es uns entzücken,
scharf um die Kurve, beinah bis zur „Stennerbrücken“,
und währte lang, bis um der Glocke Abendläuten,
so lange wohl, bis sie uns Spreu und Schlacke streuten,
bis „Annerees“ tat kund Kraft seines Amtes Pflicht:
„Das Rodeln ist am Hasenborn gestattet nicht.“
Ein klein Geschichtchen möcht’ ich um das Börnchen weben:
Hör, was sich einst am Heiligen Abend dort begeben –
Als da im Hof beim Lichterbaum die Kinder sangen,
am Hang die Hasen lustig um das Börnchen sprangen,
ein Jäger stand am Rain – mit sich’rem Aug’ er zielt,
doch jählings er des Heiligen Abends Zauber fühlt –
Versunken muss er stehn und lauschen unverwandt
dem Kindersang – vom Abzug fällt die Hand,
und unbehelligt tun an Strunk und Kohl
die Häslein sich am Festesschmaus wohl.
Der Jäger sinnend geht – Es fällt die Nacht kein Schuss,
weil er an längst vergangene Zeiten denken muss.