Ehemalige Osterfeuer in Lengenfeld
Eine herbe Märzluft strich über die heimatlichen Fluren und trocknete die vom aufgetauten Schnee durchnässten Felder. Von den lang gestreckten gelben Blüten des Haselnussstrauches wehte ein feiner Blütenstaub. Zwischen Sträuchern und Hecken im Unterholz leuchtete der lila-rot blühende Seidelbast und die samtweichen Blütenkätzchen der Salweide schimmerten silberweiß in dem Gezweig. Im weißen Glockenkleide blühte das Schneeglöckchen. Auf sonnigen Waldstellen öffneten sich die Blüten der Buschwindröschen und hellblaue Lederblümchen zierten den Waldboden. Auf den Feldern blühte der Huflattich und lockte die ersten Bienen zum Pollensammeln heran. Ein Zitronenfalter gaukelte in der Luft und im Obstgarten sangen die Kohlmeisen ihre kurzen, fröhlichen Strophen: verbie – verbie. Von hoher Spitze einer alten Tanne am Gartenzaun hinter den Höfen (Lotzens Garten) flötete eine Amsel und auf dem Kirchturmhahn jubilierte eine fröhliche Starengesellschaft.
All dieses – das leise Erwachen der Natur und die Vorfreude auf das nahende Osterfest – erfüllte auch unsere Dorfjungenherzen mit Lust und Fröhlichkeit. Nach alter Tradition und Sitte sollten – wie alljährlich – am Abend des 1. Feiertages Osterfeuer brennen. Jeder Ortsteil hatte dazu eine bestimmte Stelle:
Die Kirchberger hatten sie auf dem Küppchen, die Schafhöfer am Wege zum Walperbühl, die schönste aber hatten die Keudelsgässer auf der Anhöhe am Hasenborn.
Ungefähr in der vierten Fastenwoche fingen wir Schuljungens mit dem Zusammenschleppen des nötigen Holzes an. Alle abgehauenen Dörner von Rainen und Wegen und trockenes Reisig aus dem Walde wurden in jeder schulfreien Stunde zusammengetragen. Zuletzt wurden von Haus zu Haus noch Reisigbündel gesammelt, die gern gegeben wurden. Mancher Bub schlich sich in der Dämmerung mit bangem Herzen in die Stube, um die zerrissene Hose vor den Augen der Mutter zu verbergen.
Am Abend, in der Dämmerung des ersten Ostertages, wurden von den Männern die Feuer angezündet. Rund herum standen die Väter und Mütter, die Burschen und Mädchen und die ältesten Schulkinder. Während die auflodernden Flammen das Dunkel des Abends erhellten, wurde der ambrosische Lobgesang „Großer Gott, wir loben dich“ angestimmt und noch Osterlieder gesungen.
Wir Schuljungen schlugen mit glimmenden Holzstücken Kreise durch die Luft. Burschen und Mädchen beschenkten sich mit Ostereiern aus Schokolade und Zucker. Unterdessen war dann der Holzhaufen niedergebrannt, die Leute verließen die Feuerstätte, über die sich das Dunkel der Nacht breitete.
Auch diese alte schöne Sitte gehört seit einigen Jahrzehnten der Vergangenheit an. Doch noch vielen Dorfbewohnern unseres Dorfes ist sie eine schöne Erinnerung an längst vergangene Jugendzeit geblieben.
Heinrich Richwien
(Quelle: Lengenfelder Echo)