Ehemalige Lengenfelder Wandermusikanten

In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte auch Lengenfeld eine Dorfmusikkapelle. Alljährlich zogen sie als Wandermusikanten im Frühjahr hinaus in die Fremde, blieben dort während des Sommers und kehrten im Herbst wieder in die Heimat zurück. In den Herbst- und Winterwochen arbeiteten sie in ihrem Beruf als Weber und Handwerker und musizierten nur nebenberuflich in den umliegenden Ortschaften auf Kirmessen und Familienfesten. Mit einer eichsfeldischen Wandermusikkapelle reisten um 1880 auch die Lengenfelder Adam Lemmel, Heinrich Vollmer, Alois Richwien und Heinrich Riese.

Auf einer Wanderung durch Polen schlossen sie sich einem Wanderzirkus an und zogen mit ihm als Zirkusmusiker in Dragoneruniform durch Russland über Odessa bis Sewastopol. Da der Zirkus hier wegen einer Spielpause für mehrere Monate liegen blieb, wurden sie entlassen. Auf dem Heimwege spielten sie in den Dörfern und Städten, die sie durchwanderten, als Wandermusikanten und bestritten so ihren Lebensunterhalt. Ein Jahr lang waren sie schon von zu Hause fort und ihre Angehörigen waren ohne jegliche Nachricht von ihnen. Im Weberhäuschen in der Keudelsgasse war eine Musikergattin in banger Sorge um den Gatten und Vater ihrer Kinder. Tag für Tag mühte sie sich auf dem Webstuhl ab, um die eingekehrte Not zu mildern. In einem anderen Hause bangte in vielen schlaflosen Nächten eine besorgte Mutter um ihren Sohn. Wieder einmal ging eine solche Nacht zu Ende – und während durch die Scheiben der kleinen Schiebefenster das erste Morgenlicht ins Schlafkämmerlein schimmerte, schallte durch die Stille des Dorfes Trompetenklang. Da rief Mutter Riese: „Unse Häinrich äs do!“ Die Musiker waren wieder in ihre Heimat zurückgekehrt – und obwohl sie auch keinen nennenswerten Verdienstüberschuss mitgebracht hatten, so war doch die Freude des Wiedersehens groß.

Danach stellte Heinrich Vollmer eine eigene Musikkapelle zusammen. Außer den Lengenfeldern gehörten ihr an: Bachmann, Wingerode, Stitz, Reinholterode und Finkelmeier, Dingelstädt. Mit dieser Kapelle musizierte er als Kapellmeister mehrere Jahre in dem Westfälischen Bezirk Arnsberg. Durch die Konkurrenz der Stadtkapellen verdrängt, versuchte er es noch einmal mit acht Mann im Oldenburgischen. Dort war aber die Verdienstmöglichkeit so gering, dass sie im Sommer schon zurückkehrten. Die Wanderkapelle löste sich auf. Die Lengenfelder gingen ihrem Hauptberuf nach und wirkten als Tischler, Schneider und Weber. Im hohen Alter erzählten sie noch gerne von ihren Wanderfahrten, die sie alle auf Schusters Rappen gemacht hatten.

Anneliese Richwien (Blacha)
(Quelle: Lengenfelder Echo)