Die im Bau befindlichen Bahnstrecken der Königlichen Eisenbahn-Direction zu Frankfurt a. M. (1879) - Eichsfelder Kanonenbahn

Von der nach dem Gesetze vom 11. Juni 1873 auf Rechnung des Staates auszuführenden Staatsbahn Berlin-Wetzlar ist der genannten Direction außer dem Bau der am 15. Oktober 1878 eröffneten Theilstrecke Wetzlar-Lollar der Bau der Theilstrecken Treysa-Niederhone und Eschwege-Leinefelde übertragen.

1. Treysa – Niederhone

Von der 79,62 km langen Strecke Treysa-Niederhone ist die erste Hälfte Niederhone-Malsfeld am 15. Mai d. J. dem Betriebe übergeben, die zweite Hälfte Treysa-Malsfeld ist gleichfalls bis auf einen in seiner Ausführung sehr schwierigen Einschnitt fertiggestellt und wird voraussichtlich im Sommer d. J. eröffnet werden. Der Bau wurde im Herbst 1875 in Angriff genommen. Das Terrain ist zweigeleisig erworben und der Unterbau größtentheils für zwei Geleise ausgeführt. Im Oberbau wird die Bahn jedoch nur eingleisig hergestellt. Die Bahn führt durch gebirgiges Terrain und erforderte, da längere durchgehende Thäler nicht benutzt werden konnten, bedeutende Erdarbeiten und zahlreiche Kunstbauten, theilweise von beträchtlicher Höhe. Unter letzteren sind zu erwähnen der Viaduct im Effzathal von 6 Öffnungen à 30 m Weite mit eisernem Überbau, die 4 gewölbten Brücken über die Beisse mit je 3 überwölbten Öffnungen von 9,5 bis 16 m Weite, die schiefe Brücke über die Fulda von 4 Öffnungen mit eisernem Überbau von je 28 m Stützweite, die Brücke über die Wohra mit 4 gewölbten Öffnungen von 10 m Weite und mehrere andere ähnliche Bauwerke. Die Wasserscheide zwischen Effza und Fulda wird mit dem 904 m langen Remsfelder Tunnel, dessen Ausführung in Folge außergewöhnlich starken Gebirgsdrucks und starken Wasserandranges sehr schwierig war, überschritten. In dem Scheitel der Wasserscheide zwischen Fulda und Wohra führt die Bahn durch den 1.500 m langen Bischofferoder Tunnel. Beide Tunnel sowie die vorerwähnten Kunstbauten des Unterbaues sind seit längerer Zeit vollendet. Die in Rede stehende Strecke schließt in Treysa an die Main-Weser-Staatsbahn und in Niederhone an die Bebra-Göttinger Staatsbahnlinie an. Die Hessische Nordbahn wird in der Mitte der Strecke bei Malsfeld zwischen den Nordbahnstationen Melsungen und Beiseförth überschritten. Zur Vermittelung des Übergangs-Güterverkehrs wird eine ca. 3 km lange Verbindungsbahn von Malsfeld nach Beiseförth erbaut werden.

Die Stationsorte und deren Entfernungen sind folgende:

Stationen

Entfernung in Kilometern

 

Im Einzelnen

Im Ganzen

Treysa

-

-

Ziegenhain

2,52

2,52

Frielendorf

8,56

11,08

Homberg

8,62

19,70

Oberbeisheim

7,52

27,22

Malsfeld

11,79

39,01

Mörshausen

4,29

43,30

Spangenberg

5,39

48,69

Burghofen

11,61

60,30

Waldkappel

6,24

66,54

Bischhausen

5,24

71,78

Niederhone

7,84

79,62

Die seit dem Jahre 1876 im Betriebe befindliche Strecke Niederhone Eschwege von 3,28 km Länge bildet demnächst einen Theil der Berlin-Wetzlarer Bahn und den Anschluss an die Strecke

2. Eschwege – Leinefelde

Der Bau dieser 45,96 km langen Theilstrecke Eschwege – Leinefelde begann im Herbst 1876 und ist soweit gefördert, dass die Fertigstellung zum Mai 1880 zu erwarten ist. Der Unterbau wird zweigeleisig, der Oberbau eingeleisig hergestellt. Von Dingelstädt ab wird das Planum der Gotha-Leinefelder Bahn mitbenutzt und zu dem Ende die bisher eingeleisige Strecke Dingelstädt – Leinefelde zweigeleisig ausgebaut.

Die Bauschwierigkeiten sind auf der Strecke Eschwege – Dingelstädt, da sich die Linie meist an steilen Thalgehängen hinzieht, wobei tiefe Seitenthäler zu überschreiten und scharf vor tretende Bergrücken zu durchschneiden sind, noch größer als auf der Strecke Treysa – Niederhone. Der Umfang der Erdbewegung beläuft sich auf rot. 3.890,000 cbm, wovon bis jetzt 75 pCt gefördert sind. Die zahlreichen und meist complicirten Unterbauwerke sind vollendet.

Von größeren Brückenbauwerken sind hervorzuheben

  • die Werrabrücke bei Eschwege mit 2 Öffnungen à 30,34 m und 7 Öffnungen à 16,4 m mit eisernem Überbau bereits ganz vollendet
  • die Fluthbrücke daselbst mit 4 Öffnungen à 16,4 m
  • eben falls vollendet der Viaduct bei Frieda mit 1 Öffnung à 36 m und 2 Öffnungen à 23 m Stützweite im massiven Pfeilerbau vollendet der eiserne Überbau in Ausführung begriffen
  • der Viaduct bei Lengenfeld mit 6 Öffnungen à 30 m Weite und 2 Öffnungen à 16,4 m mit massiven Pfeilern und eisernem Überbau in einer Curve von 400 m Radius, die Pfeiler sind vollendet und der Überbau zur Hälfte montirt
  • die Unstrutbrücke bei Dingelstädt mit 3 gewölbten Öffnungen von 13 m Weite vollendet

Zwischen den Stationen Schwebda und Küllstedt liegen 6 Tunnels

  • 1. der Frieda-Tunnel 1 060 m lang
  • 2. der Entenberg-Tunnel 280 m lang
  • 3. der Heiligenberg-Tunnel 190 m lang
  • 4. der Mühlenberg-Tunnel I 334 m lang
  • 5. der Mühlenberg-Tunnel II 150 m lang
  • 6. der Küllstedter Tunnel 1515 m lang

Die Tunnels 1 – 5 sind bis auf die Portalbauten seit mehreren Monaten vollendet; der Küllstedter Tunnel, dessen Bau durch starken Wasserandrang bei der Lage in einseitigem Gefälle und durch zweimalige Einbrüche erheblich erschwert ist, wird Laufe dieses Sommers vollendet werden.

Die Stationsorte und deren Entfernungen sind folgende

Stationen

Entfernung in Kilometern

 

Im Einzelnen

Im Ganzen

Eschwege

-

-

Schwebda

4,65

4,65

Geismar

6,63

11,28

Küllstedt

16,84

28,12

Dingelstädt

7,69

35,81

Leinefelde

10,15

45,96

In Leinefelde läuft die neue Strecke in den Bahnhof der Halle-Casseler Bahn ein.

3. Cassel – Waldkappel

Die Geldmittel zum Bau der Cassel-Waldkappeler Bahn sind durch Gesetz vom 17. Juni 1874 bewilligt.

Die Bahn zweigt vom Bahnhof Wilhelmshöhe der Main-Weser-Bahn ab, überschreitet das Fuldathal oberhalb Cassels, berührt das Dorf Bettenhausen, zieht sich dann im Lossethal mit Steigungen von 1: 60 aufwärts über Helsa bis Lichtenau und fällt dann mit 1:60 über Walburg im Wohrathal herab bis Waldkappel, wo der Anschluss an die Strecke Treysa – Niederhone stattfindet. Die Länge der neuen Bahnstrecke vom Bahnhof Wilhelmshöhe ab beträgt 46,25 km.

Der Bau wurde im November 1877 begonnen und wird im Mai 1880 zu Ende geführt werden.

Die Bahn wird in allen Theilen eingeleisig hergestellt. Der gesammte Unterbau wird in wenigen Monaten vollendet sein. Als grösseres Bauwerk ist die Brücke über die Fulda mit 4 Fluthöffnungen à 31,5 m Weite und 4 Fluthöffnungen à 23,6 m Weite zu erwähnen. Dieselbe ist mit eisernem Ueberbau versehen und bereits fertig montirt. Die Losse wird viermal, die Wohra sechsmal mit Brücken von 5 – 14 m Weite überschritten.

Ausserdem ist eine ungewöhnlich grosse Zahl kleinerer Unterbauwerke auszuführen.

Die Stationsorte und deren Entfernungen sind folgende:

Stationen

Entfernung in Kilometern

 

Im Einzelnen

Im Ganzen

Wilhelmshöhe

-

-

Niederzwehren

3,28

3,28

Bettenhausen

5,10

8,38

Oberkaufungen

9,04

17,42

Helsa

4,93

22,35

Fürstenhagen

6,43

28,78

Lichtenau

3,52

32,30

Walburg

3,60

35,90

Hasselbach

5,55

41,45

Waldkappel

4,80

46,25


Bauleitender Techniker der im Vorstehenden beschriebenen 3 Neubaustrecken ist der Regierungs- und Baurath Lehwald, Directionsmitglied der Königlichen Direction zu Frankfurt a. M.

Quelle: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen, Band 19 (1879), Berlin, den 13. Juni 1879, S. 588 – 589.