Die Zahnbehandlung in Lengenfeld vor 50 Jahren
Wenn jemand von Zahnschmerzen geplagt wird, so ist es heute eine Selbstverständlichkeit, dass er sich unverzüglich in zahnärztliche Behandlung begibt. In dieser Beziehung haben es die Lengenfelder bequem, denn im Dorfe befinden sich zwei modern eingerichtete Zahnpraxen.
Vor 30 Jahren, am 1. Januar 1928, eröffnete Zahnarzt Gottfried Hagemann seine Praxis, wenig später folgte Dr. Karl Lorenz.
Wie aber war es ehedem? Mit dieser Frage möchte ich der jungen Generation einen Einblick in die Zahnbehandlung um die Jahrhundertwende geben.
Nun – wie war es damals? Einen Zahnarzt im Dorfe gab es noch nicht. Schmerzstillende Tabletten auch nicht. Die nächstliegende Apotheke war in Ershausen. So konnte man oftmals Kinder und zuweilen auch Erwachsene sehen, die wegen Zahnschmerzen ein wollenes Tuch um Kiefer und Kopf gebunden hatten. Mit Hausmitteln suchte man sich Linderung zu verschaffen. Ein Schluck Nordhäuser Branntwein soll manchmal einige Stunden den Schmerz gestillt haben.
Bei Zahnfleischentzündung (mundartlich Fräßling genannt) wurden Umschläge angewandt. Nahmen die Schmerzen trotz Hausmittel kein Ende, dann ging man zum Dorfschmied, der im Zahnziehen einige Kenntnis besaß. Behandlungsraum war die Schmiede – sommertags auch im Freien unter dem Torhaus. Die Behandlung ging ungefähr folglich vonstatten: „Vetter Adam, wullt de mich dann mo enn Zaohn rüslange?" – Oder: „Aoden, kannst mich mo enn Zaohn rüsgedinnse!“ Schmied: „Daos kumme jo gemache – kann glich lösgegeh. Sitz dich do uff daen Stuhl.“ Dann wickelte er sein buntgetupftes Taschentuch um die Hand, nahm die Zange und sagte: „Mach mo din Schnüßen uff – wö eß dann dar Schingeläich?" „He“. Dann setzte Vetter Adam die Zange an. – „A … Au …“ Ein Knattern im Kiefer – und raus war er. „Wörim krehlste dann, dü Damel – he hästen werr!" „Waos kriete dann?“ – „Sö veele wie verr än Kannchen Brahntwie.“ Somit war die Behandlung beendet.
Adam Richwien schrieb hierüber in seinen Versen:
„Un wenn äinem taoten de Zehne weh,
do huß es: ab in de Schmedden geh.
Vetter Schmeedaoden kurierte verr feste Hunrore,
waos 16 Pfennje verr enn Kannchen gob.
Met Fertigkeit zok ha de hohlen Zehne,
daos gung dach sö äinfach – un waor dach sö scheene.“
Adam Simon war Schmiedemeister in Lengenfeld u. Stein. Unermüdlich war er Tag für Tag bis ins hohe Alter hinein in seiner Werkstatt beschäftigt. Rußgeschwärzt stand er am Amboss und hämmerte fleißig auf das glühende Eisen, dass die Funken sprühten. Er hatte es in seinem Berufe nicht leicht, überall musste er einspringen. Eine gewisse Derbheit, die aber nicht schlecht gemeint war, war ihm eigen. Aber niemand nahm ihm ein derbes Wort übel. Er war ein Mann aus dem werktätigen Volke, dem auch ein Platz in der Dorfgeschichte gebührt.
Heinrich Richwien
(Quelle: Lengenfelder Echo)