Die Wüstungen des Eichsfeldes (Auszug)

Großbartloff

Kr. H. Gemeindebezirk. Hier befand sich eine Zeit lang die anscheinend mehrfach verlegte Gerichtsstätte innerhalb des Amtes Bischofsstein. Möglich wäre es, dass gleichzeitig in verschieden Orten des Amtsbezirkes Gericht abgehalten wurde.

Um 1577 bis 1677.
„Amt Bischofsstein, ... Effelder ... Über die Bischofssteiner Länderei am Ulmenstein“ – jetzt „Ulenstein“ – „hat der Kurfürst einen eigenen Schulzen in Effelder. Die Leute“ – d. h. die Besitzer der Grundstücke am Ulmenstein – „müssen sich alljährlich zum Hochgericht in“ (Gross-) „Bartloff einfinden.. ... In Struth hat das Amt Bischofsstein Länderei im „Steiner Wald“, die Mannschaften müssen an das hohe Gericht zu Groß-Bartloff gehen, oder wo es sonst gehalten wird.“ (Bischofssteiner J.-B. Bl. 251 und 257. Bei Besprechung der Verhältnisse des Dorfes Großbartloff im gedachten J.-B. findet sich keine Nachricht über ein daselbst abgehaltenes Gericht.)

Um 1600 bis 1618.
Der Kurfürstliche Mann in Großtöpfer musste früher nach (Gross-) Bartloff zum Hohen Gericht. (Saalbuch S. 552. S. Bischofsstein No. 68, Grosstöpfer No. 197. 42, Schwobfeld No. 197. 61 und Steine No.' 197. 62.)

Kesslingsrode

Kr. M. L. Gemeindebezirk Hildebrandshausen, in dem Winkel, welcher im Süden durch die von Mühlhausen nach Wanfried führende Chaussee, im Westen durch die ehemalige Landes-, jetzt Provinzial-Grenze gegen Hessen und im Norden und Osten durch den von der gedachten Chaussee nach Hildebrandshausen führenden, chausseeartig ausgebauten Weg gebildet wird. Innerhalb der gedachten Gegend wurde noch vor 40 Jahren ein etwa 300 Schritte östlich der Grenze gegen Hessen, und etwa ebenso weit nördlich der Chaussee gelegener Platz als „der Kirchhof“ bezeichnet. An diesem Platze vorüber führte ein Fußstieg von Hildebrandshausen nach Wendehausen. Der Name des Ortes, für dessen Bewohner der Kirchhof bestimmt gewesen, war bei der Bevölkerung vergessen. Da Wolf II, S. 7 angibt, „Kesslingsrode habe zwischen den genannten beiden Dörfern, nicht weit vom sogen, faulen Loche gelegen, der Platz des Kirchhofes sei noch kenntbar“ und da der einzige zwischen den gedachten beiden Orten als „Kirchhof" bezeichnete Platz sich an der gedachten Stelle findet, so dürfte wohl mit ziemlicher Sicherheit feststehen, dass Wolf diesen Kirchhof als den von Kesslingsrode hat bezeichnen wollen, obwohl die Bezeichnung „faules Loch“ seit mindestens 40 Jahren nicht mehr gebräuchlich ist. – Urkundliche Nachrichten über den Ort sind bis jetzt nicht aufgefunden worden. Zu vergleichen ist Grünrode No. 217.

Kubsdorf

Kr. H. Gemeindebezirk Döringsdorf und wahrscheinlich Gemeindebezirke Faulungen, Hildebrandshausen und Lengenfeld, an der Stelle des jetzigen einzeln gelegenen Rittergutes Keudelstein. Der Ort wird erst bekannt, nachdem er längst eingegangen und das genannte Gut an seine Stelle getreten war.

Wolf nennt Kubsdorf II, S. 7 unter den Wüstungen im Bezirke des Schlosses Bischofsstein mit dem Bemerken: „war schon vor 1552 eine Wüstung. Bernd von Keudel soll nachher den jetzigen Keudelstein daselbst haben bauen lassen" — s. u. z. J. 1577 bis 1677 —.

Diese Angaben sind von Werneburg S. 99 übernommen. Jetzt ist Kubsdorf in der Gegend völlig unbekannt. Wahrscheinlich war der Ort ebenso wie das benachbarte Dorf Döringsdorf ein Teil des hessischen Amtes Wanfried und gelangte erst durch den Vertrag von 1583. Septembers. an Mainz. — Wolf II, S. 62,66, Note. — Es folgen deshalb auch die Nachrichten betreffend Döringsdorf, insoweit sie auch auf Keudelstein beziehungsweise Kubsdorf Bezug haben.

Um 1577(72) bis 1677.
„Döringsdorf ist innerhalb 100 Jahren von Neuem zu Bauen angefangen und zuvor keine Wüstung und in weiland Philipps d. E. und Wilhelms, Vater und Sohn, Landgrafen von Hessen Händen .gewesen; fürdess durch Heirat einer Keudelin an Asmus von Butler kommen, von dem es an das Haus Hessen gelangt. — Ist aber 1583, soweit das Gehölz „die Ulrichsbirke" reichet, durch weiland Erzbischof Wolfgang von Mainz an das Erzstift gekommen, allein die Inhaber der Länderei, jenseits „der Centsteine" gelegen, müssen ungeachtet solche unserem gnädigen Herrn mit Zinsen, Lehen und Diensten zugewiesen, dem Amte Wanfried mit Volge, Reis und Steuer gewärtig sein. Das Gehölz die „Ulrichsbirke" gehört dem gen. Herrn, „die Geisliethe" (ca. 4 Acker) der Gemeinde; grenzt mit den Keudel (Wilhelm und seine Brüder) zu Keudelstein wegen ihres Ansitzes, so nun durch ihren Vater, Bernd Keudel, erbaut." — „Die (Einwohner) von Hildebrands-hauseu dienen den Keudel mit dem Pferde und mit der Hand nach dem von (dem Oberamtmann des Eichsfeldes) Stralendorf errichteten Vertrage. .... Schäferei haben die Unterthanen (zu Hildebrandshausen) gehabt, als aber Berld Keudel innerhalb 20 und etlicher Jahre zum Keudelstein, so propie Kubsdorf genannt und eine Wüstung gewesen, einen neuen adligen Ansitz baute, hat er die Schäferei mit 600 Stück zu diesem Besitze gezogen. —

Die Pless (nachträglich hinzugefügt 1800 Morgen) gehört den Keudel und in ihren Burgsitz zu Bischofsstein. — Am 9. Oktober 1572 wurden die Zeugen zwischen den Unterthanen zu Faulungen, Hildebrandshausen und Lengenfeld einer- und dem Keudel zu Schwebda andererseits durch den Oberamtmann Kaspar von Berlepsch verglichen und der Vertrag durch Erzbischof Daniel ratificiert. — Der Streit war über etliche Reisighölzer und Länderei entstanden, welche die Keudel als ihr Eigentum beanspruchten. Die Setzung der Steine und die Zinszahlung begann 1577, da die Keudel „das Sperbersland" in die Wüstung Kubsdorf ziehen wollten."

(Bischofst. J. B. Blatt 105; 108; 239; 240; 242. — Das Saalbuch hat S. 377,383 u. S. 548/51 fast genau die gleichen Angaben. Die „Ulrichsbirke", noch jetzt ein fiskalisches Gehölz, liegt zwischen Keudelstein und Döringsdorf. Die „Centsteine" müssen also recht weit nordöstlich der jetzigen Grenze zwischen den Provinzen Hessen und Sachsen gestanden haben. Die Centsteine, deren Vorhandensein an Ort und Stelle völlig unbekannt, sind nicht aufzufinden gewesen. — Ob Wolf besondere Unterlagen zu Gebote standen, auf Grund deren er die Erbauung des Keudelstein in das Jahr 1552 setzt, oder ob er nur 20 Jahre von dem Vertrage von 1572. Oktober 9. zurückrechnete, ist nicht zu ermitteln gewesen. Auch dieser Vertrag ist bis jetzt nicht aufgefunden. Die Bezeichnungen „Geisliethe" und „Sperbers Land" sind nicht mehr gebräuchlich.)

Plesse

castrum Plesse (?), Lage unbekannt, vielleicht Kr.H. Gemeindebezirk Döringsdorf, oder Kr. M. L. Gemeindebezirk Hildebrandshausen, oder Kr. Eschwege, Gemeindebezirk Wanfried. Der auf der Grenze der beiden Kreise H. und M. L. gegen den Kreis Eschwege, nördlich der Mühlhausen-Wanfrieder Chaussee, nordöstlich von Wanfried sich hinziehende, nach dem Werrathale meist sehr schroff abfallende, bewaldete Bergrücken heißt noch jetzt „die Plesse". Diesen Namen führt auch neben der Bezeichnung „Junkerholz" der früher in seiner gesamten Ausdehnung mit dem Gute Keudelstein verbundene, jetzt zwischen diesem und der Gemeinde Hildebrandshausen geteilte bis an die Grenze gegen Hessen reichende Forst. Und endlich wird mit diesem Namen ein kleiner am Südwestabhange des Berges Plesse, etwa 2000 Schritte nordöstlich von Wanfried in der Gemarkung dieser Stadt gelegener Weiler bezeichnet. Die in der Nähe der letztgedachten Häusergruppe gelegene Feldgegend wird jetzt „der Mittelberg“ genannt, ein Name, welcher im 14. Jahrhundert für einen Teil des damals- diese Gegend bedeckenden Waldes gebräuchlich war, s.u. – An welchem der 3 Plätze die unten gedachten, in der Handschrift A aufgeführten „duo novalia vor deine Plessen“ lagen, wird kaum festzustellen sein. Es sei noch bemerkt, dass sich nordöstlich des im Eingange gedachten Forstortes Plesse oder Junkerholz, in der Nähe des Punktes, an welchem die Grenzen der Gemeindebezirke Döringsdorf, Hildebrandshausen und Wanfried zusammentreffen, dürftige Spuren einer früheren Ansiedelung finden, und dass solche Spuren sich auch in den nördlich jenes Punktes in den Gemeindebezirken Döringsdorf und Hildebrandshausen gelegenen Feldgegenden: „Petersgrund" und „Teufelskutte“ zeigen. Nicht unmöglich ist es, dass auch eine mittelalterliche Burg auf der bei Keudelstein gelegenen „Keudelskuppe“ gelegen und den Namen „Plesse" geführt hat. Das Volk behauptet, dass an letzterem Orte sich eine Burg befunden habe und die umherliegenden Steinbrocken scheinen diese Behauptung zu bestätigen. – Herbers hat an keinem der vorgedachten Orte eine wüste Ortsstätte aus den ihm vorgelegenen Karten feststellen können. Den Namen hat die Gegend vielleicht in der Zeit erhalten, als die Edelherren zu Plesse bei Göttingen in der Mitte des 13. Jahrhunderts als Mainzer Vögte auf dem Schlosse Stein, jetzt Bischofsstein, saßen, siehe Bischofsstein No. 68 z. J. 1282, Oktober 31. Heiligenstadt.

1312. April 20.
Engelbert Ritter, genannt von Hardenberch, verspricht den zwischen ihm und dem Rate zu Mühlhausen bis zu Johannis geschlossenen Waffenstillstand „de Castro Plesse“ getreulich zu halten und falls der Waffenstillstand trotzdem durch ihn oder seine Diener – „famulos" – verletzt werden sollte, sich an einem ihm zu bestimmenden Tage „iuxta villam Kulstede" einzubinden und das zu thun, „quod viris idoneis videbitur". (M. U. B. No. 641. Der Bearbeiter hält zwar das vorgedachte „castrum Plesse" für das Schloss bei Göttingen, da Engelbert zu jener Zeit Vormund seines Stief-Sohnes, des minderjährigen Besitzers dieses Schlosses, des Edelherrn zu Plesse war. – Wolf, Hardenberg I, S. 53/4, wo die Belegstellen und auch die oben gedachte Urkunde angeführt werden. – Es wäre aber doch nicht unmöglich, dass Engelbert in die Fehde verwickelt war, welche seine damals das Schloss Stein besitzenden Vettern Hildebrand von Hardenberg und Burchard und Johann von Saldern mit der Stadt Mühlhausen hatten, dass Engelbert von dem Schlosse seiner Vettern aus die Stadt befehdet hat, und letzteres Schloss oder eine in dessen Nähe angelegte Befestigung als „das castrum Plesse“ bezeichnete. Über die Fehde der Vettern Engelberts mit der Stadt Mühlhausen ist zu vergleichen M.U.B. No. 583 von 1307. Juli 30; s. a. Bischofsstein No. 68.)

Um 1328 bis 1358.
Unter den zum Schlosse Stein – Bischofsstein – gehörigen Einkünften und Rechten des Erzbischofs von Mainz werden aufgeführt: „item habet“ – dominus oder archiepiscopus – ,,duo novalia vor deine Plessen, que solvunt IV maldra avene" – „item habet" – dominus – „nemus coram Plesse vnde in deme Vokemale, excepto uno inonte, qui dicitur et nomin atur der Mittelberch, qui mons cadit Gregorii de Nezze." (Handschrift A, Bl. 7b. Wegen des Alters und des Inhalts der Handschrift s. Aldendorf.)

Um 1577 bis 1677.
„Die Pless" – nachträglich hinzugefügt „1800 Morgen" – gehört den Keudel und in ihren Burgsitz zu Bischofsstein." (Bischofsst. J.-B. Bl. 240, zu vergl. Kubsdorf No. 115.)

Vochenhrot

oder Vochenhart, Vokenrot (Vockenrot ?). Lage unbekannt; vielleicht Kr. H. Gemeindebezirk Döringsdorf oder Kr. M. L. Gemeindebezirk Hildebrandshausen an der Grenze gegen die Provinz Hessen, Lediglich in dem untengedachten Verzeichnisse der zu dem Schlosse Stein gehörenden Einkünfte des Mainzer Stiftes genannt. Der Umstand, dass Vochenhrot zusammen mit „Vokenrot“ und mit Vokemal in dem gedachten Verzeichnisse als bei „Pless“ gelegen, genannt wird, giebt allein Anlass, den Ort in die Nähe des sogenannten auf der Grenze der beiden Provinzen gelegenen Waldes zu setzen. „Mittelberg“ heisst noch jetzt ein im Hessischen gelegener Teil der Plesse, s. Plesse. Vielleicht sind aber „Vokenrot“ und „Vochenhrot“ oder „Vochenhart“ – beide Lesarten sind möglich – zwei verschiedene Orte. Vielleicht hängen die Orte: Vochenhrot und Vokemal mit den „Centsteinen" zusammen, welche oben bei Kubsdorf No. 115 z. J. 1577 bis 1677 gedacht worden sind und in gleicher Gegend gelegen haben dürften. Jedenfalls ist das unterwähnte „Vockerot“ „Vockenrode“ ein ganz anderer Ort, seine Erwähnung bei Wolf und Werneburg beruht auf einem Lesefehler, s. a. Wiherode No. 508.)

Um 1328 bis 1358.
Unter den „redditus pertinentes ad castrum Stein“ – Bischofsstein –, welche der Erzbischof von Mainz zu beziehen hat, werden genannt: „in villa Vochenhrot" – kann auch Vochenhart gelesen werden – einige Zinsen. „Item habet dominus“ – archiepiscopus – „totum nemus Plesse vnde in deme Vokemale excepto uno monte, qui dici-tur et nominatur „der Mittelberch“, qui mons cadit Gregorii de Nezze". (Handschrift A, Blatt 6b und Blatt 7b, s. Aldendorf.)

Levin Freiherr von Wintzingeroda-Knorr
(Quelle: Die Wüstungen des Eichsfeldes : Verzeichnis der Wüstungen, vorgeschichtlichen Wallburgen, Bergwerke, Gerichtsstätten und Warten innerhalb der landräthlichen Kreise Duderstadt (Provinz Hannover), Heiligenstadt, Mühlhausen (Land und Stadt) und Worbis (Provinz Sachsen) / hrsg. von der Historischen Commission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt. Halle: Hendel, 1903.)