Die Schmiedehandwerks-Familie Simon in Lengenfeld unterm Stein (1994)

Seit dem 4. Februar 1765, als der Schmiedemeister Johannes Simon, geboren am 25. Januar 1931 in Uder (Eichsfeld), die Anna Maria Witzel in Lengenfeld unterm Stein heiratete, wird das Schmiedehandwerk von dieser Familie in der siebenten Generation in unserer Gemeinde ausgeübt.

  • Johannes Simon: 1765 – 1801
  • Thomas Simon: 1802 – 1820
  • Johannes Simon: 1821 – 1861
  • Adam Simon: 1862 – 1910
  • Joseph Simon: 1910 – 1944
    (Gebrüder)
  • Adolf Simon: 1910 – 1950
  • Martin Simon: 1951 – 1989
  • Wolf Simon: 1990 – 2024          

Der erste Schmiedemeister der Familie Simon, Johannes, in Lengenfeld unterm Stein war gleichzeitig Klosterschmied in Kloster Zella. Der Bedarf an Schmiedekohle wurde durch eigenes Köhlern auf dem Kälberberg und im Zellaer Holz bei der „Schwarzen Brücke“ bis in die Hälfte des vorigen Jahrhunderts gewonnen.

Die erste Schmiede, die Johannes Simon 1765 auf dem Grundstück Haus-Nr. 103 - heutige Besitzerin Margarethe Hardegen - eingerichtet hatte, verblieb dort in zwei Generationen im Besitz der Familie, nachdem der Enkel, ebenfalls ein Johannes Simon, von Nikolaus Eberhard das Hausgrundstück Nr. 65 am Plan, das unterhalb des Hauses-Höppner lag, im Jahre 1822 käuflich erworben hatte, verlegte er im gleichen Jahr seinen Handwerksbetrieb dorthin. Aber schon nach 53 Jahren musste dieses Haus mit Beginn des Eisenbahnbaues 1875 abgerissen werden. Daraufhin kaufte der Schmiedemeister Adam Simon, der den Familienbetrieb schon seit 1862 leitete und von allen Lengenfeldern nur „Schmeeds-Aoden“ genannt wurde, das Grundstück Haus-Nr. 67 – heute Haus-Nr. 78 – unterhalb der Bäckerei Hardegen und erbaute dort im Jahre 1876 eine vollkommen neue Schmiede mit Wohnhaus, die als Stammhaus der traditionsreichen Schmiedefamilie noch heute steht. „Vetter Schmeed-Aoden“ war bei unseren Groß- und Urgroßeltern nicht nur als sehr guter Handwerker beliebt – er baute sogar als Erfinder nach eigenen Entwürfen Gruden, Kartoffelquetschen und Rübenschneider – sondern er war auch als „Zahndoktor“ in unserer Gemeinde und den umliegenden Dörfern bekannt.

Behandlungsraum war die Schmiede – sommertags auch im Freien unter dem Torhaus. Das Zähneziehen ging ungefähr wie folgt vonstatten:

„Vetter Adam, wullt de mich dann mo enn Zaohn rüslange?" – Oder: „Aoden, kannst mich mo enn Zaohn rüsgedinnse!“ Schmied: „Daos kumme jo gemache – kann glich lösgegeh. Sitz dich do uff daen Stuhl.“ Dann wickelte er sein buntgetupftes Taschentuch um die Hand, nahm die Zange und sagte: „Mach mo din Schnüßen uff – wö eß dann dar Schingeläich?" „He“. Dann setzte Vetter Adam die Zange an. – „A … Au …“ Ein Knattern im Kiefer – und raus war er. „Wörim krehlste dann, dü Damel – he hästen werr!" „Waos kriete dann?“ – „Sö veele wie verr än Kannchen Brahntwie.“ Somit war die Behandlung beendet.

Unser Heimatdichter Adam Richwien schrieb darüber in einem seiner Gedichte:

„Un wenn äinem taoten de Zehne weh,
do huß es: ab in de Schmedden geh.
Vetter Schmeedaoden kurierte verr feste Hunrore,
waos 16 Pfennje verr enn Kannchen gob.
Met Fertigkeit zok ha de hohlen Zehne,
daos gung dach sö äinfach – un waor dach sö scheene.“

Im Jahre 1910 übergab Adam Simon im Alter von 75 Jahren seinem ältesten Sohn Joseph Simon aus zweiter Ehe die Schmiede, die dieser bis zu seinem Tode im Jahre 1944 weiterführte. Da sein einziger Sohn August, der ebenfalls das Schmiedehandwerk erlernt hatte, im November 1943 in der Ukraine vermisst wurde, wurde diese Schmiede im Oberland geschlossen.

Als der weithin über unsere Dorfgrenzen hinaus bekannte „Schmeed-Aoden“ im Alter von 83 Jahren am 25. Mai 1918 starb, wurde er unter großer Anteilnahme der gesamten Bevölkerung zu Grabe getragen.

Der sechste Sohn des Adam Simon aus zweiter Ehe, Adolf Simon, der ebenfalls das Schmiedehandwerk erlernt hatte, machte sich, nachdem er die Meisterprüfung abgelegt hatte, selbständig und richtete seine Schmiede 1910 auf dem Grundstück des Buchbindermeisters Heinrich Hardegen ein, die er dann 1923 in das Wohngrundstück Steinwachs im Mitteldorf, Hauptstraße 66, verlegte. Nachdem der Apotheker Josef Graune die Apotheke von dem Grundstück Hauptstraße 45 in seinen Neubau in der Schulstraße 1938 verlegt hatte, kaufte Adolf Simon dieses Gebäude und baute es im gleichen Jahr als Schmiede aus, die er im Jahre 1950 seinem zweiten Sohn Martin Simon übergab.

Schmiedemeister Martin Simon

Martin Simon, der am 16. März 1927 in Lengenfeld unterm Stein geboren wurde, von 1941 bis 1944 das Schmiedehandwerk bei seinem Vater erlernte und am 9. Dezember 1950 die Meisterprüfung mit recht gutem Erfolg abgelegt hatte, gehört zur sechsten Generation in dieser hilfsbereiten und im Beruf erfolgreichen Schmiede-Familie.

Wurden früher in diesem Handwerksbetrieb nur Arbeiten wie Hufbeschlag, Wagenbau und Reparaturen an beschädigten Ackergeräten durchgeführt, so hatte sich der Schmiedemeister Martin Simon mit dem Bau einer Werkshalle und der Neuanschaffung moderner Maschinen im Zuge der Rationalisierung auf den Geländerbau und die Herstellung von Türen und Tore spezialisiert. Bei der Verwirklichung dieser Großaufträge vergaß er nie die kleinen Dienstleistungen für unsere Bevölkerung, die stets glücklich war, dass sie ihren „Schmedd‘n-Märten“ noch hatten. Aus Gesundheitsgründen übergab er im Jahre 1990 diesen Betrieb seinem Sohn Wolf Simon.

Schmiedemeister Martin Simon

Wolf Simon, der am 29. Juli 1952 in Lengenfeld unterm Stein geboren wurde, nach dem Abschluss der zehnklassigen Oberschule bei seinem Vater von 1969 bis 1971 das Schmiedehandwerk erlernt und die Meisterprüfung als Schmied und Schlosser 1982 bestanden hatte, erweiterte sofort mit der Übernahme des Betriebes sein Angebot auf die Produktion von Aluminiumfenstern und -türen und begann 1993 mit der Herstellung von automatischen Schiebe- und Drehtüren. Da die Größe der bisherigen Produktionsstätte nicht mehr ausreichte, verlegte er im gleichen Jahr seinen Hauptbetrieb nach dem Einbau moderner Maschinen in die Werkhalle der ehemaligen Puppenfabrik „Biggi“ in der Hauptstraße 65.

Als angesehener Betrieb im ganzen Eichsfeld und weit darüber hinaus bekannt, liefert der „Simon Metallbau“ mit seinen sieben Mitarbeitern in vollkommener Eigenherstellung weiterhin die individuell gewünschten Treppen, Geländer und Zäune für jedermann.

Außerdem produziert und montiert dieser Betrieb in Kooperation der Firma „Besam“ sämtliche geforderten Typen von automatischen Türanlagen.

Um der Bevölkerung weite Wege und damit Zeit zu ersparen, hat Wolf Simon am 17. April 1993 zusätzlich in der Hauptstraße 72 ein Fahrradgeschäft und einen Schlüsselservice eröffnet. Hilfe und Beratung gelten auch hier als oberster Grundsatz.

Wir wünschen dem Schmiede- und Schlossermeister Wolf Simon als siebente und wahrscheinlich letzte Generation der bekannten und beliebten „Schmiedefamilie Simon“ in Lengenfeld unterm Stein alles Gute, recht viel Glück und noch ein recht langes „Pinke-Pinke auf dem Amboss“.

Walther Fuchs
Lengenfeld unterm Stein, den 14. Juli 1994


Quellennachweis

  • Kirchenbücher der kath. Kirche in Lengenfeld unterm Stein von 1765 bis 1952
  • Gemeinderechnungen ab 1765
  • Lagerbuch der „Commun Lengenfeld“ von 1801
  • Chronik der Gemeinde Lengenfeld unterm Stein von Walther Fuchs
  • Chronik der kath. Kirche in Lengenfeld unterm Stein von Walther Fuchs
  • „Das Dorf entlang“ von Anton Fick
  • Gedichte von Heimatdichter Adam Richwien