Die Sage vom Fräubchen von England

Burg Stein

Eine der bekanntesten Sagen unserer Heimat ist das "Fräubchen von England". Mit ihr verbunden ist der Frauenstein, der Bestandteil der Lengenfelder Denkmalliste ist. Dieser gotische Denkstein, der sich seit 1882 in der Kirchhofmauer befindet, konnte bisher nicht enträtselt werden. Die Sage behandelt die Zerstörung der Burg Stein bei Lengenfeld unterm Stein durch ein "Fräubchen" von England.
Die Burg Stein, vor 1150 erbaut, wurde 1326 vom Landgrafen von Thüringen an den Erzbischof zu Mainz verkauft und seit 1409 als Bischofstein bezeichnet, war Sitz des Vogtes, der 15 Dörfer verwaltete. Diese Sage knüpft an geschichtliche Begebenheiten und drückt das Streben nach Gerechtigkeit aus, obwohl der Held untergeht.
Heute erfährt in unserer Republik die Sage, als Teil unseres kulturellen Erbes, die entsprechende Pflege.

Josef Richwien, der am 10. Januar 1912 in Lengenfeld/Stein geboren wurde, hat die Sage überarbeitet und mit zahlreichen geschichtlichen Bildern illustriert. Er, bekannt geworden als Heimatforscher und Mitglied des Verbandes Bildender Künstler, widmete sich besonders der Erhaltung und Wahrung des kulturellen Erbes.

Ortsgruppe des Kulturbundes
Lengenfeld/Stein 1987

Titel-Schriftzug

Der Frauenstein

Eine Königin von England
ist als „Fräubchen“ uns bekannt.
Auch ihr Grabmal wir kennen,
„Frauenstein“ wir es nennen.
Es sagt, was in alten Tagen
sich hier hat zugetragen.

König auf Pferd mit Begleiter

Von England kam einst übers Meer
ein König hierher.
Auf dem Hülfensberge droben
wollt’ Gott er preisen und loben.
Bei ihm als Begleiter war ein junger Reiter.

In Döringsdorf am Ziele fast
macht er am später Abend Rast.
Jedoch im Wirtshaus hier
fand er kein Quartier,
die Tür war zu,
der Wirt war zur Ruh’.

Da leuchtete aus dem letzten Haus
ein Licht heraus.
Es war beim Küster, und die Leute
feierten Kindtauf gerade heute.
Dort nahm man den hohen Herrn
ins Haus recht gern.

Ankunft-Kindtaufe

Der Steiner Ritter, sehr verwegen,
war bei der Feier auch zugegen.
Als er sah, dass jener reich,
erwacht bei im sogleich
in seiner Räuberbrust
die Habgierlust.

Nachdem er dann vernommen,
warum der König hergekommen,
dass er morgenfrüh beizeiten
auf den Berg will reiten,
hat er in jener Nacht
Böses sich erdacht.

Fort ging drauf dieser Schlechte.
Er führte seine Knecht
an den Weg, den der Fromme
in der Frühe komme,
an den Waldessaum
unter einen Eichenbaum.

Hier musste es gelingen,
den Fremden umzubringen,
weil er das blanke Gold
für sich gern haben wollt’,
um seinen Drang zu stillen,
um seine Kammern zu füllen.

Überfall

Als dann durch den Wald
vom Berg die Glocke schallt
nach dunkler Nacht
war die Tat vollbracht.
Den Diener fassten nicht die Rohen,
er ist entflohen.

Die Beute an dem Tag war Gut.
Drum kühlten sie ihr Sünderblut
mit manchem Becher rotem Wein
auf der Burg zum Stein.
Durch die Gemächer drang
der Zecher Sang.

Raub-Zeche

Des Königs Diener war geeilt
und hat der Königin mitgeteilt
das grausame Verbrechen.
Um sich dafür zu rächen,
kam sie von dannen
mit ihren Mannen.

Ankunft-Fräubchen

Vom Uhlenstein,
als er erreicht,
auf Burg Stein sie zeigt.
„Rache diesem Haus,
Schutt und Asche werde draus,
das sei die Sühne!“
So sprach die Kühne.

Fräubchen auf Pferd

Der Steiner Wächter, der wachsam war,
erkannte sogleich die Gefahr.
Vom hohen Turm
blies er Sturm,
und in Eile
mit Bogen und Pfeile
die Steiner durchs Burgtor jagen,
der Feind flieht, geschlagen.
Die Königin jagt der Steiner Mann
bis hin zur Klosterschrann.
Hier in ihrer Not
auf Leben und Tod
stürzt sie hinab in den Grund.
Sie blieb heil, das Pferd ward wund.
Auf drei Beinen trug nun weiter,
das Ross den Reiter.

Wächter bläst Alarm

In der nächsten Morgenröte
erscholl wieder die Alarmtrompete,
Engländer standen vor
Wall und Tor.

Und unten im Friedatale
beim ersten Sonnenstrahle
die Königin sie sahen
der Burg sich nahen.

Die Steiner in bedrohter Lage
wussten zuvor vom Kampfestage,
dass der Königin Panzerkleid
ist gefeit.

Burg Stein - In der Schmiede

Sollte nun ihr Herzblut fließen,
mussten sie eine Kugel gießen.
Drum sogleich aus Silber hart
eine Kugel gegossen ward.

Schütze auf Turm

Als sie dann drunten
im Bilstal
den Angriff befahl,
schoss ihr der Steiner mit Mordeslust
die Kugel in die Brust.

Sterbendes Fräubchen

Vom Pferd sank
die Heldenfrau
in den kühlen
Morgentau,
und der
Schimmel
bäumte sich
zum Himmel.

Die Königin ist in den Tod geschickt.
Zweimal Rache, dem das geglückt!
Ihn wollen sie haben,
eh’ sie wird begraben.

Die letzte Kraft
ward aufgerafft,
um in die Burg zu dringen.
Es sollte auch gelingen.

Tor und Mauern brachen.
Sie schlugen und stachen
nieder die Steiner
leben blieb keiner.

Kampf auf der Burg Stein

Vom Burgvogt jedoch fehlt jede Spur.
Sie sahen den Geheimgang nur,
darin ist er entschwunden,
er ward nicht gefunden.

Fliehender Steiner

Wer nichts fragt
nach Menschenleben,
dem kann’s hier
keinen Richter geben.
Ein anderer
das Urteil spricht,
die Engländer nicht.

Fortziehende Engländer

Ob gut oder schlecht,
gefallen ist
mancher Knecht.
Ein Häufchen
recht klein
stieg herab
vom Stein.

Unten legten sie ins Grab
die Königin hinab
zum ewigen Schlaf,
dort, wo er sie traf.

Als Denkmal an die Königin
stellten sie einen Stein dahin.
Eine Steinkugel legten sie davor,
da durch ’ne Kugel sie’s Leben verlor.

Vorbei waren Kampf und Qual,
grau zogen Wolken übers Tal,
rot leuchtete im Feuerschein
die Burg zum Stein.
Sie, die einst in starker Wehr,
ward wüst und leer.
Von der stolzen Feste
sind nur noch Reste.

Mauerreste der Burg Stein