Die Ortsgeschichte der Gemeinde Hildebrandshausen (1992)
Hildebrandhausen ist ein mittelgroßes Dorf im Südeichsfeld. Es liegt im Tal eines Muschelkalkgebirges. Der Boden ist – wie überall im Eichsfeld – lehmig, tonig, steinig, meist feucht und kalt. Auch das Klima ist nicht so warm wie im angrenzenden Thüringen oder Hessen.
Wann Hildebrandshausen entstand, war nicht festzustellen. Wird Hildebrandshausen erwähnt, dann nur im Zusammenhang mit dem Rittergut Keudelstein, dessen Lehen es war. Die Herren von Keudel scheinen sehr strenge Feudalherren gewesen zu sein. Dies besagt eine Urkunde von 1580 über die Frondienstleistung der Hildebrandshäuser Bauern: Für jede Hufe Land mussten sie 10 Schneeberger Dienstgeld bezahlen, Holz- und Baufuhren nach Schwebda ausführen, die notwendige Menge Heu, Stroh, Frucht mussten von den Bauern nach Keudelstein geliefert werden. Die Einwohner, die keine Pferde hatten, mussten, wenn sie benötigt wurden, 2 Tage Dienst tun. Nachdem sich die Einwohner beschwert hatten, dass sie ihre Äcker nicht verkaufen, verpachten, tauschen oder an die Erben verteilen durften, sah sich der Gutsherr genötigt, diese Anordnung in der Urkunde von 1580 zu mildern: die Einwohner durften ihre Äcker wieder verkaufen, verpachten oder vererben, allerdings nur an Einheimische.
1584 beschwerten sich die Bauern von Hildebrandshausen, dass die Keudel den gemeinsamen Vertrag von 1580 nicht einhielten, sondern ihn sogar in vielem überschritten. DieBeschwerde wurde an den Oberamtmann des Eichsfeldes gerichtet. Der Streit wurde zur Zufriedenheit der Bauern geschlichtet. Die Keudels hatten sich durch ihr strenges Regiment viele Feinde zugezogen. Während des 30-Jährigen Krieges wurden einige Bauern aufständisch gegen ihre Feudalherren und schlossen sich den Aufständischen des Südeichsfeldes an. So gelangten sie in das Lager Thomas Müntzers.
Der Besitz von Keudelstein bestand aus dem 500 Morgen großen Gut, einem Wohnhaus in Hildebrandhausen, 1800 Morgen Wald sowie Ländereien in Lengenfeld, Geismar und Töpfer. Die Jahreseinnahmen beliefen sich 1792 auf 1.330 Reichstaler.
1802, als das gesamte Eichsfeld preußisch wurde, richtete man in dem Junkerhaus einen Spinnereibetrieb ein, der aber nur bis etwa 1860 bestand. Den Keudelstein selbst erwarben 1861 die Ganerben Martin und Lorenz von Geismar. Für 24.000 Taler übernahm Martin das gesamte Gut.
1901 kaufte Landrat von Keudel das ehemalige Gut seiner Vorfahren für 210.000 Mark zurück. Der Krieg zwischen Preußen und Napoleon ging auch an Hildebrandshausen nicht spurlos vorüber. Die Gemeinde musste 1806 zur Truppenverpflegung nach Erfurt 6 Zentner Roggen, 18 Zentner Weizen und 367 Scheffel Hafer liefern.
Als das Eichsfeld dann französisch wurde, schrieb Napoleon 90.000 Reichstaler Kriegssteuer für das Eichsfeld aus, wovon Hildebrandhausen 906 Reichstaler und 18 gg zu tragen hatte.
1814 – wieder unter preußischer Herrschaft – beginnt sich das Ende des 18. Jahrhunderts eingeführte Raschmachergewerbe wieder zu beleben. Dieses Gewerbe war auf dem gesamten Eichsfeld verbreitet und spielte eine große Rolle, da der karge Boden die Bewohner nur notdürftig ernähren konnte. Viele betrieben auch noch das Hausiergewerbe, um sich einen Verdienst zu schaffen. Als 1818 der Zoll eingeführt wurde, sanken die Preise für Raschwaren stark ab, was sich wiederum sehr negativ bemerkbar machte, da die meisten Einwohner Hildebrandshausen die Weberei betrieben.
Zu den ärmsten Einwohnern zählten die Wollkämmer und die Tagelöhner. Diese mussten immer wieder um Unterstützung nachsuchen, um sich überhaupt notdürftig ernähren und kleiden zu können. Auch der Schäfer gehörte zu den Ärmsten, sein Jahreslohn betrug 16 Reichstaler. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts griffen die Hildebrandhäuser, wie die meisten Eichsfelder, zu einem neuen Mittel, um ihren Lebensstandard zu erhöhen: sie gingen nach Hessen und sogar bis ins Rheinland und arbeiteten dort in Zuckerfabriken oder Ziegeleien. Die Familienangehörigen, die im Ort blieben, hatten die Landwirtschaft zu besorgen und oft auch noch an Webstühlen o. ä. zu arbeiten. Der auswärtige Broterwerb war bis zum Jahre 1945 üblich.
Der industrielle Fortschritt um die Jahrhundertwende zeigte sich auch in Hildebrandshausen: 1901 wurde eine Eisenbahnstation gebaut, 1903 die Wasserleitung und 1919 wurde der Ort an die elektrische Überlandzentrale angeschlossen.
1931 trat wieder eine finanzielle Notlage in Hildebrandshausen ein, die eine Einführung der Bier- und Bürgersteuer mit sich brachte. In der Zeit der allgemeinen Arbeitslosigkeit – 1932 – baute die Gemeinde als Notstandsarbeit einen Sportplatz, um den vielen Erwerbslosen eine Beschäftigung zu geben.
Die Zeit des Faschismus und der Zweite Weltkrieg waren für die Gemeinde Hildebrandshausen eine genauso unerfreuliche und schwere Zeit wie für ganz Deutschland. Die Gemeinde hatte im Zweiten Weltkrieg 52 Tote zu beklagen.
Eva-Maria Oberthür
(Quelle: Obereichsfeld-Bote, 3. Jahrgang, Heft 28 vom 10. Juli 1992)