Die Kanonenbahn - Teil 8: Gießebrücke und Küllstedter Tunnel

Unmittelbar hinter dem Bahnhof Küllstedt wird die Strecke von der Bahnhofstraße überquert, die zwischen Küllstedt und Büttstedt im Jahre 1904/1905 gebaut wurde. Bei Km 18,3 befindet sich die Wasserscheide zwischen Werra und Unstrut mit der höchsten Stelle der Kanonenbahn bei 401 m ü. NN. Von hier aus sind es nur noch wenige Meter bis zur Gießebrücke bei Km 18,5. Sie überquert die heutige Landstraße nach Büttstedt und den Bach Gieße. Die Brücke wurde ursprünglich als steinernes Viadukt erbaut, hatte eine Länge von 39,10 m und eine Höhe von 17,50 m. Sie teilt sich in eine Öffnung mit 11 m und zwei mit 9 m.

Die Baukosten betrugen 77 990 Mark bei Ansichtsflächen in einer Größe von 381 m², das bringt einen Quadratmeterpreis der Sichtflächen von 205 RM. Die Brücke wurde in den letzten Kriegstagen am 6. April 1945 noch unsinnigerweise von der Deutschen Wehrmacht gesprengt, aber bereits im Juli/August 1945 wurde mit dem Wiederaufbau begonnen, aber zunächst nur als Notbrücke, die erst im Jahre 1982 gründlich saniert und in der Bauweise von 1945 beibehalten wurde. Schade!

Zwischen der Gießebrücke und dem Küllstedter Tunnel lag noch der Schrankenposten 10 im so genannten „Böddischen“ bei Km 19,2, der an der alten Straße von Küllstedt nach Effelder lag (heute nur noch ein Feldweg) und dessen Wohnhaus bis ins Jahr 1959 bewohnt war, danach noch als Getreidelager diente und wohl Ende der 60er Jahre abgerissen wurde. Von hier aus sind es nur noch ca. 300m bis zum Küllstedter Tunnel bei Km 19,476, der eine Länge von 1530 m hat und dessen Ende bei Km 21,006 liegt.

Mit dem Bau des Küllstedter Tunnels wurde am 3. Oktober 1876 begonnen, wobei zur Tunnelbohrung bereits Maschinen vom Typ Frauvors & Dubois eingesetzt, jedoch mit mäßigem Erfolg. Es gab lediglich eine Bohrleistung, die zwischen 59 cm und 86 cm pro Tag lag. Dieses lag an der Beschaffenheit des Gebirges und war außerdem teurer als die Handbohrung, so dass bereits am 22. November 1876 auf Handbohrung umgestellt wurde. Beim Vorantreiben des Tunnels traf man auf eine starke Wasserader, bei der man erst einen Seitenstollen graben musste, dessen Fugen mit Zement ausgegossen wurden, um das Wasser abzuführen und das Tunnelgewölbe an der betroffenen Stelle auch nochmals mit einem besonderen Zementguss versehen wurde.

Der getrocknete Seitentunnel wurde anschließend mit Steinen gut voll gestopft. Zusätzlich wurden weitere Stollen entlang der Widerlager zwecks besseren Wasserabfluss vorgetrieben. Dass diese Maßnahmen jedoch immer noch nicht ausreichten, sollte sich bereits wenige Jahre später herausstellen, denn die Tunnelbau-Technik war im Jahre 1878 noch nicht so weit fort geschritten, dass man alle Tricks beherrschte, um drohenden Wasser- und Gewölbe-Einbrüchen Herr zu werden.

Im Tunnel herrscht ein Nord-Süd-Gefälle von 1:112 bei einer mittleren Höhenlage von ca. 384,50 m über NN. Der Tunnel besitzt die Form einer S-Kurve mit einem 975 m langen geraden Mittelstück. Die Widerlager des Tunnels bestanden aus Kalkstein, das Tunnelgewölbe hingegen bestand aus Buntsandstein. Da man den Küllstedter-Tunnel von zwei Seiten aus vorgetrieben hat und die Messtechnik noch nicht so ausgefeilt war wie heute, befindet sich in der Mitte des Tunnels ein Absatz von ca. 30 cm, da sich die beiden Tunnelhälften doch nicht so exakt dort getroffen haben, wo es eigentlich geplant war.

Der Küllstedter Tunnel verschlang die höchsten Baukosten aller Tunnel im Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Treysa und kostete mit seiner Länge von 1530 m die stolze Summe von 2 642 000 Mark, wovon auf die Portale der Betrag von 22 000 Mark fiel, das bedeutet einen Preis für den laufenden Meter von 1726,80 Mark. Das Südportal krönte die Aufschrift: „Begonnen 1876“ und am Nordportal befand sich der Text: „Vollendet 1879“. Von den Worten ist heute an den Portalen nichts mehr zu finden, nur noch die beiden Jahreszahlen krönen die Portale.

Hermann Josef Friske