Die Kanonenbahn - Teil 3: Die Kanonenbahn nach 1945
Ab April 1945 wurde die Kanonenbahn durch die Sprengung des Frieda-Viadukts in einen westlichen und einen östlichen Streckenabschnitt getrennt. Heute beschäftigen wir uns mit dem Abschnitt im Eichsfeld zwischen Leinefelde und Geismar ab 1945 bis zur Strecken-Stilllegung des letzten Teilstücks am 28. Februar 1998.
Zunächst galt es, die gesprengte Gießebrücke bei Büttstedt wiederaufzubauen. Bis September 1945 waren die Trümmer beseitigt und bereits am 28. Dezember 1945 wurde die in mühevoller körperlicher Arbeit wieder behelfsmäßig hergerichtete Brücke wieder befahren. Somit konnte der Verkehr zwischen Leinefelde und Geismar wieder durchgehend aufgenommen werden. Hinter Geismar bis zur damaligen Zonengrenze wurden die Gleise komplett abgebaut. Durch die Sperrung der Zonengrenze ging eine Umorientierung des Reiseverkehrs vonstatten. Die Leute fuhren nach Heiligenstadt oder Mühlhausen, aber nicht mehr nach Eschwege. Folglich sank der Reiseverkehr auf dem Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Geismar.
Die Schließung des Haltepunkts Silberhausen-Trennungsbahnhof am 23. Oktober 1947 und die Errichtung des Sperrgebiets mit den Bahnhöfen Lengenfeld/Stein und Geismar brachten weitere Rückgänge im Personenverkehr auf dieser Strecke. Der Güterverkehr hatte nur noch im Nahbereich eine gewisse Bedeutung, die aber nicht kostendeckend sein konnte. Aus Gründen der Rationalisierung (auch das gab es in der DDR) wurden die Bahnhöfe Lengenfeld/Stein, Geismar und Küllstedt ab 28. September 1969 für den Güterverkehr geschlossen.
Somit fand mit dem Winterfahrplan 1969/1970 zwischen Dingelstädt und Geismar kein Güterverkehr mehr statt. Übrig blieb nur noch der Bahnhof Dingelstädt als Güter-Tarifbahnhof. Am 26. November 1965 wurde zwischen Dingelstädt und Geismar der vereinfachte Nebenbahn-Dienst eingeführt, welcher wenige Jahre später bis Silberhausen erweitert wurde. Da die Verkehrseinnahmen weit unter den Personal- und Betriebskosten lagen, wurden am 25. Februar 1991 die Fahrkarten-Ausgaben Effelder und Kefferhausen aufgehoben und die Haltepunkte für den Kleingut-Verkehr geschlossen. Die Fahrkarten verkaufte fortan das Zugbegleitpersonal.
Da das Sorgenkind „Lengenfelder Viadukt“ wegen diverser Schäden kaum noch zu befahren war und im Oberbau der Strecke gravierende Mängel vorhanden waren, wurden bereits im Jahre 1969 Überlegungen zur Stilllegung dieses Teilstücks der Kanonenbahn angestellt. Im Jahre 1984 wurden bei einer Überprüfung der Strecke und des Lengenfelder Viadukts festgestellt, dass Schwellen und Oberbau zwischen km 30,5 und km 35,1 total marode waren und die Brücke gravierende Korrosionsschäden sowie Lagerschäden und bereits in den 30er Jahren festgestellte konstruktive Unzulänglichkeiten aufwies.
Die Sanierungskosten wurden danach für den Viadukt auf 20 Mio. DDR-Mark und für den Oberbau zwischen km 0,5 und km 35,1 mit 2 Mio. DDR-Mark geschätzt. Außerdem mussten die Tunnel und Brücken saniert werden. Geschätzte Kosten: ca. 38Mio. DDR-Mark. Dagegen standen jährliche Einnahmen in Höhe von ca. 70000 DDR-Mark. Da dieser Betrag zur Sanierung für die nur schwach frequentierte Strecke so nicht zu bezahlen war, wurde für die Lengenfelder Brücke noch eine bedingte Genehmigung bis 1992 erteilt, das heißt befahrbar nur mit leichten Reisezügen mit lediglich 10 km/h Höchstgeschwindigkeit. Danach musste die Brücke für jeglichen Verkehr gesperrt werden. Somit war das Ende dieses Abschnitts der Kanonenbahn vorprogrammiert.
Am 9. Dezember 1992 wurde bekanntgegeben, dass die Strecke ab 1. Januar 1993 zwischen den Bahnhöfen Küllstedt und Geismar stillgelegt wird. Somit fuhr am 31. Dezember 1992 der letzte Zug zwischen Leinefelde und Geismar.
Der Abschiedszug wurde gezogen von der DR-Traditionslok 50.3688, einer Güterzug-Dampflok, gebaut bei Skoda im Jahre1938. Das endgültige „Aus“ für die Strecke war jetzt schon abzusehen. Bis zum 29. Mai 1994 fuhren die Züge noch bis zum Bahnhof Küllstedt und ab 30. Mai 1994 nur noch bis Dingelstädt. Zum 31. Mai 1995 schloss dann die Güterverkehrs-Stelle Dingelstädt.
Am 3. August 1996 befuhr dann auch der letzte Triebwagen der Baureihe 771 oder 772 das kurze Teilstück zwischen dem Bahnhof Leinefelde und Dingelstädt.
Im Zeitraum einer Vollsperrung zwecks Erneuerung der Strecke Leinefelde-Gotha, von der die Strecke bei Silberhausen abzweigt, wurden vom 4. August bis zum 1. Dezember 1996 vollendete Tatsachen geschaffen. Die Verbindungsweiche wurde herausgerissen. Zum 28. Februar 1998 wurde der Verkehr auf der Strecke dann formell eingestellt. Das war das endgültige „Aus“ für eine der landschaftlich reizvollsten, aber zugleich unrentabelsten Bahnstrecken in Thüringen.
Hermann Josef Friske