Die Kanonenbahn - Teil 17: Von Geismar bis zum Frieda-Viadukt

Der Bahnhofsbereich von Geismar wird gleich zu Beginn von einem Bach unterquert, der natürlich auch das dazugehörige Bauwerk beansprucht. Am Anfang des Bahnhofsgeländes macht das Gleis einen kleinen Schlenker. Das ist die Stelle, an der sich einst die Gleise verzweigten. Das Stationsschild des Bahnhofs ist heute verschwunden, nur der Aufgang vom Ort zum Bahnhof existiert noch bis in die Gegenwart. Die Nebengebäude des Bahnhofsensembles sind ebenfalls noch erhalten und werden noch bewohnt. Nur wenige Meter hinter diesen Gebäuden befindet sich der Prellbock, die Strecke ist hier heute zu Ende.

Dahinter sind die Gleise nach 1945, wahrscheinlich im Sommer 1947, bis zur Demarkationslinie bei Km 37,8 abgebaut worden. Die Gleise wurden entfernt, weil die damalige Ostzone hohe Reparations-Leistungen nach Russland leisten musste, auch in Form von Loks, Waggons und Gleisen. Dadurch waren dort in der Wiederaufbauphase die Gleise knapp geworden, denn eigene Stahlwerke besaß die Ostzone nicht und so wurden alle nicht mehr benötigten Gleise, insbesondere in Grenznähe zu den Westzonen, herausgerissen, auch die der Kanonen- und der Heiligenstädter Bahn.

Das allgemeine Sicherheitsbedürfnis der russischen Besatzer spielte hierbei ebenfalls eine Rolle, denn Teile der Bevölkerung in der Ostzone versuchten bereits damals, diese lästige Obrigkeit loszuwerden und man wechselte die Besatzungs-Zone zum Teil mit dem kompletten Hausstand. Hinter dem Prellbock verläuft auf der Trasse heute ein Feldweg. Dieser Feldweg überquert zwei Weg-Unterführungen. Die erste hat mit ihren 50 Metern eine recht beachtliche Länge, außerdem beginnt von hier aus linkerhand der Aufgang vom Ort zum Bahnhof Geismar.

Die zweite ist stark ansteigend, liegt am Kreuzweg zum Hülfensberg und besitzt ein abgestuftes Gewölbe und eine starke Stützmauer. Nach etwa 400 m treffen wir auf ein heute noch bewohntes ehemaliges Wohnhaus eines Streckenpostens, in dem sich auch ein Stellwerk befunden haben soll. Etwa bei Km 35,5 (direkt oberhalb des Haltepunkts Großtöpfer von der Heiligenstadt-Schwebdaer Bahnlinie) befindet sich noch ein Kilometerstein, auf dem aber das Blechschild der Kilometerangabe abmontiert wurden.

Wenige Meter danach verlässt der Feldweg die Trasse, die hier für etwa 500 m Opfer der Grenzsicherungsanlagen wurde, denn man hat längs der Trasse einen ca. 80 cm tiefen und 1 m breiten Graben gezogen und den Aushub einfach daneben liegen gelassen. Oberhalb des Ortes Großtöpfer befindet sich noch eine Wegunterführung, die sich heute in einem sehr schlechten Zustand befindet. Das Gewölbe zeigt starke Rissbildung, die wahrscheinlich von einer Dammrutschung herrührt.

Etwa bei Km 37 wurde der Bahndamm ein erstes Mal unterbrochen, wahrscheinlich gab es hier auch einmal eine Wegunterführung, die ebenfalls ein Opfer der Grenzsicherung wurde, denn der dazugehörige separate Wasserdurchlass ist noch vorhanden. Bis zur ehemaligen Demarkationslinie ist die Trasse noch vollständig erhalten, auch die Doppel-Unterführung der Kanonenbahn und der Heiligenstädter Bahnlinie ist noch in vollem Umfang erhalten, denn diese Bahn trifft nach wenigen Metern auf die Kanonenbahn.

Unmittelbar über der Doppel-Unterführung stand auf der Kanonenbahntrasse ein Wachturm der DDR-Grenztruppen. Unmittelbar hinter der Doppel-Unterführung ist die Trasse ein zweites Mal unterbrochen worden, denn hier, bei Km 37,86, befand sich seit 1945 bis zur Wende die Demarkationslinie, die in einer Höhe von ca. 211 m über NN die Kanonenbahn kreuzte. Hinter der Grenze lagen die Gleise noch bis in die 80er Jahre und sind erst kurz vor der Wende entfernt worden.

Die Abzweigstelle Frieda befand sich etwa bei Km 38,6, die beim Bau der Heiligenstadt-Schwebdaer Eisenbahn am 12. Mai 1914 eingerichtet wurde, aber bereits im Jahre 1919 beim Rückbau des zweiten Streckengleises zwischen der Abzweigstelle und Geismar stillgelegt wurde, denn die Züge nach Heiligenstadt befuhren die Strecke jetzt ab Schwebda auf einem eigenen Gleis, dem ehemaligen zweiten Kanonenbahn-Gleis. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der Abzweig reaktiviert, denn der Frieda-Viadukt wurde seit dieser Zeit nur noch eingleisig befahren.

Das zweite Gleis im Frieda-Tunnel benötigte man als Schutz-Vorrichtung, um bei Gefahr komplette Züge bei Beschuss oder Bombenangriffen in den Tunnel fahren zu können. Am 3. April 1945 wurde das Stellwerk endgültig stillgelegt, denn durch die Sprengung der Frieda-Brücke verlor der Abzweig jegliche Funktion. Das Gebäude des Stellwerks ist erhalten geblieben.

Hermann Josef Friske