Die Kanonenbahn - Teil 16: Vom Bahnhof Lengenfeld bis zum Bahnhof Geismar

Wenn wir vom Viadukt auf den Bahnhof Lengenfeld zufahren, überquert eine Brücke mit der Nebenstraße nach Hildebrandshausen nur wenige Meter vor dem Bahnhof den Gleiskörper. Am Bahnhof angekommen, kann man im Bahnhofsgebäude, dort, wo einst bereits im Jahre 1909 Hugo Richardt im Warteraum vierter Klasse die Genehmigung zur Einrichtung einer Ausschankstelle erhielt, sich vor oder nach einer Draisinenfahrt stärken oder seinen Durst mit allerlei Getränken löschen.

Nur wenige Jahre später, etwa um das Jahr 1910, folgte der Neubau des Hotels und Restaurants „Zum Bahnhof“ direkt gegenüber vom Bahnhofsgebäude. Das Hotel wurde wahrscheinlich in den späten 20ern oder frühen 30ern von einer Familie Hagemann bewirtschaftet und als letzte Wirtsleute (der Hotelbetrieb wurde wahrscheinlich bereits vor 1939 mangels Gästen wieder eingestellt) fungierte die Familie Rautz bis zum Kriegsende im Jahre 1945, danach war im Gebäude der Lengenfelder Kinderhort untergebracht.

An der wie Pilze aus dem Boden schießenden Bahnhofsgastronomie kann man erkennen, dass überall entlang der Kanonenbahn eine gewisse Aufbruchsstimmung zur Belebung des Ausflugsverkehrs herrschte, deren Erwartungen in keiner Weise auch nur annähernd erfüllt worden sind.

Am Ende des Bahnhofsgeländes angekommen, finden wir rechts und links des Gleises noch alte Prellböcke von den schon seit Jahren abgebauten Gleisen des Güterbahnhofs. Von Lengenfeld aus führt die Strecke mit beachtlichem Gefälle in Richtung Bahnhof Geismar. Nach der Linkskurve hinter dem Bahnhof Lengenfeld unterquert die Landstraße nach Hildebrandshausen den Bahnkörper bei km 31,8. Von dieser Unterführung führt ein Weg hoch zur Bahn, wo sich bei km 31,9 der Bahndamm um einige Meter verbreitert.

Hier könnte das Einfahrtssignal zum Bahnhof Lengenfeld gestanden haben, hier könnte sich aber auch ein Bahnübergang befunden haben, der auf die Felder jenseits der Bahn geführt hätte. Bei km 32,7 befindet sich ein Bahnübergang, der auf eine Wiese führt. Außerdem sprudelt unmittelbar neben dem Gleis eine Quelle, deren Wasser unter der Strecke hindurchfließt und nach einigen Metern unterhalb des Bahndammes in einen Teich mündet.

Außer einer weiteren leichten Linkskurve, etwa in der Mitte zwischen Lengenfeld und Geismar, ist die Strecke hier vollkommen gerade. Ein Feldweg unterquert die Strecke bei km 33,4 durch eine Unterführung und bei km 34,0 wird die Strecke von der Straße nach Döringsdorf unterquert.

Beim Wasserbehälter von Geismar, nur einige Meter hinter der Unterführung, unterquert noch ein gemauerter Wasserdurchlass mit einem Bachlauf die Bahn. Hinter diesem begann bereits das Bahnhofsgelände von Geismar. Von hieraus sind es noch ca. 660 Meter und der Bahnhof Geismar ist bei Km 34,66 erreicht. Der Bahnhof Geismar befindet sich in einer Höhenlage von 245,80 m über NN und wurde gleichzeitig mit dem Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Eschwege am 15. Mai 1880 eröffnet (Bhf. 4. Kl.)

Am 18. und 19. Juni 1906 wurden Sonderzüge für die Wallfahrer zum Hülfensberg von Leinefelde nach Geismar und zurück eingesetzt, aber das dürfte kein Einzelfall gewesen sein, denn Wallfahrten zum Hülfensberg finden bekanntlich in jedem Jahr statt.

Das zweite Gleis zwischen den Bahnhöfen Geismar und Schwebda wurde im Gegensatz zur restlichen Strecke, wo erst ab 4. April 1907 zweigleisig gefahren wurde, bereits am 26. Februar 1907 in Betrieb genommen.

Der Bahnhof Geismar besaß ursprünglich auch eine eigene Bahnmeisterei, die aber bereits im Jahre 1924 als eine der Folgen vom Rückbau des zweiten Gleises nach dem Ersten Weltkrieg aufgelöst wurde. Vom Bahnhof Geismar aus machten sich in all den Jahren mehrmals Waggons selbständig und rollten bis zum Bahnhof Schwebda die Strecke hinab, aber darauf werde ich erst bei der Beschreibung des Bahnhofs Schwebda näher eingehen.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges im Jahre 1945 kam auf den Bahnhof Geismar eine besondere Bedeutung zu: Er wurde Endbahnhof der Reststrecke zwischen den Bahnhöfen Leinefelde und Geismar. Zunächst gab es in den ersten Nachkriegsjahren ja auch noch einen recht passablen Güterverkehr auf der Kanonenbahn und am Bahnhof Geismar, dieses aber nur, weil andere Transportmöglichkeiten, wie z.B. die der per LKW, fehlten.

Ab dem 1. September 1969 war es hiermit schlagartig vorbei, denn alle Güterabfertigungen im weiten Umkreis, mit Ausnahme der in Dingelstädt und im Bahnhof Mühlhausen, wurden geschlossen. Davon war natürlich auch die Güterabfertigung in Geismar betroffen. Obwohl es immer noch nicht genug LKWs gab, um den Güterverkehr reibungslos abwickeln zu können, wurde diese Maßnahme ergriffen selbst auf die Gefahr hin, dass lange Anfahrtswege in Kauf genommen werden mussten, oder auf das altbewährte Pferdefuhrwerk zurückgegriffen wurde.
Nach der Beendigung des Güterverkehrs auf der Strecke wurden die Gleise so weit zurückgebaut, dass sich die Lok gerade so wieder vor den Zug setzen konnte, damit sie ihn wieder nach Leinefelde zurückziehen konnte. Erschwerend kam seit den 50er Jahren hinzu, dass der Bahnhof im Sperrgebiet lag und nur für die Bewohner von Geismar frei zugänglich war, alle anderen benötigten hierzu eine Sondergenehmigung.

Auch für den Bahnhof Geismar kam am 31.12.1992 das Ende, auch er wurde geschlossen, anschließend privatisiert und inzwischen bereits mehrmals weiterveräußert. Es wäre zu wünschen, dass der Bahnhof erhalten wird.

Hermann Josef Friske