Die Hagemühle (Entwicklungen von 1577 – 2008)

Schon seit dem frühen Mittelalter hat Lengenfeld unterm Stein immer schon drei Mühlen besessen. Im Oberdorf, der Friedaquelle am nächsten, liegt die Obermühle, auch „Herrenmühle“ genannt, da der Besitzer derselben als „Herrenmüller“ den Herren von Keudell lehnspflichtig war. Im Unterdorf, im Grundstück der Meierei eingebettet, steht die Mittelmühle. Ältere Urkunden über die Erbauung der Mittelmühle sind uns nicht bekannt.

Sie hat aber sicher schon vor dem Dreißigjährigen Krieg bestanden, denn in den Kirchenrechnungen der katholischen Kirche von Lengenfeld unterm Stein vom Jahre 1585 wird schon der Mittelmüller genannt.

Die Heynmule, Hainmühle oder Hagemühle, die fünfhundert Meter nordwestlich Lengenfelds, westlich unterhalb Schloss Bischofsteins liegt, hat ihren Namen von den waldigen Höhen um unser Dorf, die früher im Gesamtbegriff Hegene, Hagen und Hainich hießen. In einer Urkunde von 1326 wird gesagt: Schloß und Stadt Stein liegen beim Walde Hegene. 

Die Hagemühle ist eine der ältesten Mühlen des Friedatales. In einer Papierhandschrift des Hauptstaatsarchivs in München sind auf Blatt 8 der Mainzer Urkunden von 1281 Angaben über den Besitz der Burg Stein (pertinentes ad castrum Steyne) eingetragen. Aus diesen summarischen Angaben (in Villis cumia centibus) sind folgende Angaben für die Hagemühle sehr wichtig:

„Von der Heynmule – gegen Thomastag (Thomastag = Entrichtungs- und Abgabetag der Steuern) 6 Heiligenstädter Talente - ferner für 8 Hufen Landes – ferner den Zoll daselbst, der mindestens 50 bis 60 Mark beträgt. Ein Talent gilt 24 Schillinge und 1 Mark = 30 Schillinge.“

Der Flurteil Lengenfelds zwischen der Hagemühle und dem Schloßweg, wo früher dieser Zoll erhoben wurde, heißt heute noch die Zollstede.

Die hohe Pacht von 6 Talenten hatte einen Wert von 6 Acker Wiesen allein und zeugt davon, dass zur Hagemühle ein sehr großer Bezirk früher mahlpflichtig war. Diese Mühle war ohne Zweifel die zur Burg Stein, ab 12. Januar 1409 Bischofstein genannt, und dem späteren gleichnamigen Amt gehörige Amts- oder Bannmühle.

Aus den Urkunden des Stadtarchivs von Wanfried ist zu ersehen, dass der Hagemüller von Lengenfeld den Hessen im Dreißigjährigen Kriege Kundschafterdienste leistete. Hieraus erklärt sich auch, dass das Wohnhaus der Mühle in diesem Kriege nicht zerstört wurde. Wolf schreibt in seiner Politischen Geschichte, dass Lengenfeld von den hessischen Bauern im Jahre 1639 teilweise verbrannt wurde. Nach dem Bericht des damaligen Pfarrers Volkmar Hahn vom 15. Mai 1656 (Akten der Pfarrei) waren von den 1584 bestehenden Herdstätten nach 1648, von 100 an der Zahl, nur noch 24 vorhanden, die anderen verfallen, 1639 meistens verbrannt.

Ein als Wohnhaus genutzter Teil der Hagemühle, laut Inschrift 1577 erbaut, steht heute (1991) noch und ist somit der älteste Bau in Lengenfeld unterm Stein.

Nach dem Jurisdictionalbuch des Amtes Bischofstein hatte die Heynmüllen im Jahre 1664 zwei Mahlgänge und als Besitzer wurde Hans Helmbach genannt. Laut Sterberegister der katholischen Kirche in Lengenfeld unterm Stein starb am 28.7.1693 Conrad Kaufhold, Müller in der Hagemühle im Alter von 53 Jahren. In den Gemeinderechnungen der Commun Lengenfeld wird danach die Witwe des Conrad Kaufhold bis zum Jahre 1699 als Besitzerin der Hagemühle aufgeführt. Hier heißt es:

„Witwe Conrad Kaufhold posidet 1 Mühle mit 2 Mahlgängen, 2 Hufen, 41 ½ Acker und 11 ½ Rodeacker und entrichtet an Steuergeldern 1 Reichsthaler 23 gute Groschen und 7 Pfennige.“

Danach hatte die Hagemühle zu dieser Zeit einen Gesamtgrundbesitz von 66 Acker Land und Wiesen.

Im Jahre 1700 übernimmt Hans Kaufhold, Sohn des Conrad Kaufhold, im Erbgang die Hagemühle.

Seit dieser Zeit können wir die Besitzer der Hagemühle bis heute (1991) lückenlos aufzählen:


1700 – 1744

Hans Kaufhold, Sohn des Conrad Kaufhold.


1745 – 1750

Hans Heinrich Kaufhold, Sohn des Hans Kaufhold.


1751 – 1756

Georg Merten (Martin)


1757 – 1771

Laurentius Lorenz. Er war gleichzeitig der Besitzer des Bauernhofes unter dem               

Kirchberg, Nr. 9, heutiger Besitzer (1991) Dieter Menge.


1772 – 1798

Adam Lorenz, der am 29. September 1798 in der Hagemühle gestorben ist.

Die Witwe des Adam Lorenz, Maria Anna, geborene Fick, heiratete am 24. Februar 1800 den Michael Mühr, der nun den Mühlenbetrieb leitete. Die Hagemühle blieb aber im Besitz der Erben des Adam Lorenz. Im „Lagerbuch der Commun Lengenfeld“ vom 1. Juni 1801 ist eingetragen:

„Adam Lorenz Sen. Erben, Posidet Haus und Hof, bestehend aus einer Mühle mit zwei Mahlgängen unterhalb Lengenfeld, die Hagemühle genannt. Geben davon jährliche Steuern auf Kurfürstliches Amt Bischofstein:

  • 6 Schneeberger 21 ½ Pfennig Erbenzins,
  • 1 Schneeberger 6 Pfennig für 1 Huhn,
  • 1 Schneeberger 6 Pfennig für 1 Hahn,
  • 1 S Schneeberger 3 Pfennig für 30 Eier,
  • 1 Schneeberger 3 Pfennig für Pflugdienstgeld,
  • 11 ½ Metzen Korn und 11 ½ Metzen Hafer.“


1799 – 1813

Witwe Maria Anna Lorenz, geb. Fick, ab 24. Februar 1800 Ehefrau des Michael Mühr.


1813 – 1839

Bernhard Schuchard aus Geismar, der bereits am 25. Januar 1808 die Maria Barbara Lorenz, Tochter des verstorbenen Hagemüllers Adam Lorenz, geheiratet hatte.


1839 – 1862

Michael Schuchard, Sohn des Hagemüllers Bernhard Schuchard und seiner Ehefrau Maria Barbara, geborene Lorenz.


1863 – 1889

Karl Hildebrand. Er hatte am 28.11.1862 die Regina Schuchard, Tochter des Hagemüllers Michael Schuchard, geheiratet.


1890 – 1933

Michael Hildebrand, Sohn des Hagemüllers Karl Hildebrand. Er starb am 12.11.1933 in der Hagemühle.


1934 – 1960

Katharina Hildebrand, Witwe des Michael Hildebrand.

Der Hagemüller Michael Hildebrand hatte die verwitwete Katharina Witzel (geborene Bitter) nach dem Tode seiner ersten Frau, die am 17.9.1931 gestorben war, am 29.03.1932 geheiratet. Den Mühlenbetrieb leitete ihr Sohn Robert Witzel, den sie in die Ehe mitbrachte, von 1934 bis 1943. Nach dessen Tod übernahm seine Frau Amalia Witzel den Mühlenbetrieb, die von 1948 bis 1950 den Müllergesellen Franz Jagoda eingestellt hatte.

Willi Mielke, der von 1947 bis 1950 den landwirtschaftlichen Betrieb der Mühle führte und von 1950 bis 1960 den Betrieb der Mühle weiter leitete, musste notgedrungen im Jahre 1960 das Mahlen einstellen.

Am 1. Januar 1949 wurde der Gesamtgrundbesitz der Hagemühle in der Statistik „Sämtliche Haushaltungen der Gemeinde Lengenfeld unterm Stein“ wie folgt angegeben:

1.   Gesamtbodenfläche: 4 ha 43 a

2.   Davon landwirtschaftliche Nutzfläche: 4 ha 10 a

3.   Darunter Ackerland: 3 ha 4 a


1960 – 1980

Amalia Witzel, Schwiegertochter der Katharina Hildebrand, die am 1. Januar 1960 die Hagemühle übernommen hatte. Frau Katharina Hildebrand, geborene Bitter, ist am 19. Juli 1966 in Heiligenstadt gestorben.

Nachdem der Mühlenbetrieb am Karfreitag 1960 eingestellt worden war, wurde am 1. September 1966 das Mühlrad abgerissen. Damit war das letzte Stück einer heimatlichen Wassermühlenromantik der Zeit und Not gehorchend in die Vergangenheit gesunken.


1980 (– 2006)

Wilfried Goslar. Am 15. Juni 1980 verkaufte die letzte Müllerin, Frau Amalia Witzel, die Hagemühle mit der Weide an Herrn Wilfried Goslar. Nach langwierigen Außen- und Innenumbauarbeiten, bei denen die Hagemühle als Denkmal früherer Fachwerkbaukunst weitgehend erhalten wurde, eröffnete er am 1. Mai 1989 in diesem über vierhundert Jahre alten und traditionsreichen Gebäude eine ganz moderne Gaststätte mit „Eiscafé“.  


Walther Fuchs (1918 - 1995), Lengenfelder Ortschronist
Lengenfeld unterm Stein, den 15. August 1991