Die Flurnamen von Lengenfeld unterm Stein nach dem Flurbuch vom Jahre 1822

In meiner handgeschriebenen Chronik von Lengenfeld befindet sich eine von Herrn Joseph Richwien gezeichnete Flurkarte. Ich selbst machte mir die Mühe, alle Flurteile mit Nummern zu bezeichnen, so dass jeder, der die Karte zur Hand nimmt, weiß, wo diese oder jene Flurteile zu finden sind. Leider ist es uns nicht möglich, diese Karte auch im „Lengenfelder Echo“ abzubilden. Andererseits aber ist es von Wert, diese alten Flurbenennungen zu veröffentlichen, da die meisten alten Flurnamen schon von der heutigen Generation vergessen, verballhornt (umgemodelt) und umgedeutet sind.
Die Flurnamen beginnen im Geismarschen Feld und gehen rechts der Frieda um unser Dorf, dort an der „Schwarzen Brücke“ auf die linke Seite der Frieda über und enden in der Gegend des Petersberges.
Unser Heimatfreund Heinrich Richwien hat sich der Mühe unterzogen, diese 1822 schon teilweise verhochdeutschten Flurnamen nach der alten, herkömmlichen Lengenfelder Mundart zu deuten.

Lambert Rummel

Lengenfelder Flurbezeichnungen im Dialekt und ein Versuch ihrer Deutung

01. Geismarsches Feld – Gäismersches Fald= in der Flur zu Geismar gelegen.

02. Amschrode – Amscherode= Wüstung, ehemalige Siedlung.

03. Entenberg – Aintenbargk= Berg hinter dem Luttertale, bei der Entenmühle, wo sich Wildenten aufhalten (oder abgeleitet vom Namen Enzibertus – Amtsvogt auf Burg Bischofstein).

04. Winkelwiese – Winkelweesen= wie im Winkel gelegen.

05. Hagelieten – Hainlieten – Heulieten= von Hag (kleiner Wald), Hagemühle wird im Mundartdialekt Heumülln und auch Hainmülln genannt.

06. Bilstal – Buschtal – Büschtol= buschbewachsenes Tal. Bilstal kann aber auch vom Namensteil „Bülz“ herkommen, denn um 1554 waren die von Bülzingsleben die Herren auf Burg Stein.

07. Zurichteweg – Zurichtewagk= Weg nach Großbartloff.

08. Schleusenacker – Schliesenacker= Acker unweit der Mühlenschleuse.

09. Weinberg – Wienbargk= wo ehemals Wein angebaut wurde.

10. Eselsweg – Eselswagk= Weg, wo man ehemals mit Eseln Material, Lebensmittel, Mehl, Wasser usw. zur Burg und Stadt Stein brachte.

11. Hopfengarten – Hoppenhoob= wo Hopfen angebaut wurde zur Bierbereitung.

12. Am Schlossberg – Schlossbargk= Am Schloss Bischofstein.

13. Reisegarten – Räisehorten – Räisehoob= kann eine Ausspannstelle für Reisende, die zum Schloss kamen, gewesen sein.

14. Heller – Haller= nach dem Familiennamen Pfundheller, der dort Landbesitzer war. Einige Einwohner führen die Bezeichnung Haller zurück auf geringes Land, welches kein Heller wert ist, oder nur wenige Heller gekostet hätte?

15. Flachsröste und Schafwäsche – auch bräite Wasser genannt= dort wurden Schafe gewaschen und Flachs gebleicht.

16. Heinzrain: Häinzräin= von Hain, Hag.

17. Zollstätte: Zullstede= ehemalige Zollstätte zwischen Hessen und Mainz.

18. Krätschweg (Born): Kraatschwagk= (kraatschen z. B.: „Ha kraatscht ümhar“) so viel wie langsames Gehen.

19. Hopfenhoob= wie bei Nr. 11 schon beschrieben, wahrscheinlich Hopfenanbaustelle für Lengenfelder Brauberechtigte. Lengenfeld hatte auch ein Brauhaus.

20. Schlossweg= Weg zum Schloss Bischofstein.

21. Im Tulch – In d’r Tulken – In d’r Tulchen= wie Nr. 25.

22. Pfarrköpfchen – Pfarrkeppchen= Land zur Pfarrei gehörend auf einer kleinen Kuppe, auch Bergkopf.

23. Zielweg – Zielwagk= gerader Weg nach dem Ziel (siehe Nr. 30 Tübenziel).

24. Im Gern: Garn= Schoß, gelegen wie im Schoß.

25. Tulch – Tulken, auch Tulchen= ist zu deuten auf Tülle, Dialekt Schnüll’n, also eine röhrenförmige Vertiefung, die oben weit, unten eng ist, in der Flur. Beim Bahn- und Sportplatzbau verändert.

26. Burgberg – Borgbargk= Berg bei der Burg.

27. Effeldertal – Affallertaol= Tal nach Effelder.

28. Erbsborn – Arbsborn= Dieses Wasser wurde früher zum Erbsenkochen genommen.

29. Fünfzehn Acker – Fufz’n Acker.

30. Taubenziel – Tübenzeil, auch Tübenziel= dieses Flurstück haben die Tauben schon immer gern bei ihrem Feldflug zum Ziel gehabt. Wird wohl auch manche dort geschossen worden sein; der Schütze hatte ein gutes Ziel.

31. Zielbäume – Zielbäime am Tübenziel (siehe Nr. 30).

32. Am Walperbühl – Am Wawerbiehl= sehr alter Name, germanischer Herkunft.

33. Hinter den Höfen – hingern Heeb’n= hinter den Gärten.

34. Schniedmüll’n = ehemalige Sägemühle im Blankental, im vorigen Jahrhundert noch dort gestanden.

35. Jokshecken und Joksweg – Jokswagk, Joksecken= von Jakob.

36. Oberes Blankental – äbberschtes Blankentaol= blankes Tal, liegt blank, es blinkt.

37. Tüppstieg – aufsteigender Pfad auf Tuffboden, dort wurden früher Tuffsteine (Tüppstäine) gebrochen.

38. Am kleinen Walperbühl= wie Nr. 32.

39. Spreuwinkel – Spreewinkel= vom Mundartwort Spreegel (Sprenkel) z. B. „Än Säumespreegel“ ist ein gebogener Knüppel zum Spannen einer Säge. Wie ein Spreegelbogen liegt das Flurstück. Spreegel abgekürzt, Spree= Spreewinkel.

40. Im Loche – Jaigersch Loch= tiefe Lage, Besitzer dieses Ackers waren Dunkelberg, Förster/Jäger auf Bischofstein.

41. Köhlersborn – Kehlerschborn= Quelle am Köhlerberge, in deren Umgebung früher die Köhler Holzkohle herstellten.

42. Pforzborn – Pforzborn= eine Quelle mit natürlicher Kohlensäure, nach Genuss dieses Wassers Aufstoßen, Gasbildung im Magen und Darm. Heilquelle, gutes Trinkwasser.

43. Im schwarzen Teich – schwarzer Tich= sumpfiges, schwarzes Wasser.

44. Unteres Blankental – ingerschtes Blankentaol.

45. Am Hanstein – Hanstäin= früherer Hansteinischer Besitz.

46. Über dem Dorfe – äbberm Därfe= über dem Dorfe liegende Flurstücke.

47. Markstück – Marksticke= Bedeutung ungeklärt.

48. Rimbühl – Rimbiehl= (siehe Nr. 32)

49. Pfarrkopf – Pfarrkopp= (siehe Nr. 22).

50. Galgen – Galjen= war Hinrichtestelle durch Erhängen.

51. Kletterrain – Klatterrain= steiler Rain, hinaufklettern.

52. Schildweg – am Schule= von Schild.

53. Trifft= geringe Hutung (Schafweide).

54. Hinterm Gericht – hingerm Gerichte = Gerichtsstätte, Richtestätte, im Zusammenhang mit Galgen.

55. Wagental – Wointaol= war früher der beste Weg, auf dem man mit dem Wagen zum Kälberberg fahren konnte.

56. Brandköpfchen – Braandkeppchen= eine Stelle, die dem Sonnenbrand ausgesetzt ist.

57. Flüßchen – Flößchen= kleiner Bach.

58. Vor der Föhrt – verr d’r Föhrt= (Fuhrt) Durchfahrt durch die Frieda

59. Vorgespann – Vörgespann= vorspannen, Rastplatz, wo man mit Vorspannen aushalf, um den Berg hinauf zu fahren.

60. Teichwiese – Tichweesen= sumpfige Wiese mit Teich.

61. Teichhölzchen – Tichhelzchen= kleiner Wald beim Teich.

62. Zellscher Grund – Zallscher Gruind= Grund bei Kloster Zella.

63. Hansteinsche Lehnde – Hanstainsche Laih’n, geringes Bergland, Hansteinscher Besitz. Laihn= lehnt sich an.

64. Holunder Loch – Hollungerloch= wo viele Holundersträucher stehen.

65. Schwarze Brücke – schwarze Brick’n= dunkel gelegene Brücke, schwarz aussehende Brücke, auch Spukbrücke, Waanerbricken.

66. Klosterwiese – Klösterweesen= gehört dem Kloster Zella.

67. Unter der Schranne – Unger d’r Schrann= von Schranne (eine schmale, lange Vertiefung im Felsen).

68. Buchborn= kleines Gewässer zwischen Klosterschranne und Faulunger Stein.

69. Unterm Siebelsberge – Siebelsbargk (Siebelsburg), kann vom Namen Siebold abgeleitet sein.

70. Unterm Stein – Ungerm Stäin= Markante Felsenkuppe. Die Bezeichnung Lengenfeld unterm Stein kommt nicht von diesem Felsen sondern von Burg Stein und von der ehemaligen Stadt zum Stein.

71. Auf dem Schilde= wie 52.

72. Rohrwasser – Röhrwasser= fließt durch Schilf, auch Rohr genannt.

73. Heinrichstal – Hennerschtaol= von Heinrich.

74. Heinrichstalsgraben – Hennerschtaolsgraben.

75. In der Gemosen – in d’r Gemosen= Maß, gemessen, vermessen, also gemoosen.

76. Saunest – Suinaast = Stelle, wo Wildschweine waren und heute auch wieder sind.

77. Gemeinde Land – Gemäine Laand. Besitzer ist die Gemeinde.

78. Drecksbrücke – Dracksbricken = Brücke im Dreck, dreckige Brücke.

79. Schulwiese und Land – Schulweesen – Laand – Deputatland für den Schullehrer.

80. Pfarrwiese – Pfarrweesen= gehört der Pfarrei.

81. Bätzelberg – Batzelsbargk= kann von „Batzel“ (frühere Kopfbedeckung für Frauen), abgeleitet sein.

82. Vor der Gasse – Verr d’r Gassen= Flurstück vor der Keudelsgasse.

83. Riesenhof – Riesentümpel= war Besitztum einer Familie mit Namen Riese.

84. Gänsetelle – Gänsetall’n= Vertiefung im Walde bei der Kleinen Kuppe, Bezeichnung Gänse? Vielleicht, weil Füchse hier geraubte Gänse verzehrten. Fuchsbaue sind mehrere in der Nähe dieser Stelle.

85. Rinnchen= kleine Quelle, zum Wasser war eine Rinne angebracht.

86. Hasenborn= von Hasen oder Asen (=Götter).

87. Himbeerenloch – Himbeerloch= früher reicher Bestand von Himbeeren.

88. Oberster Heiligenberg – Helljenbargk.

89. Oberstes Kirchenholz – Äbberschtes Kärchenholz= gehört der Kirche.

90. Kessel= Talkessel, beim Hildebrandshäuser Wald.

91. Heiligenberg – Helljenbargk= ob von Heiligen herkommt, ist nicht gewiss. Mit diesem Namen werden viele am Nordhang liegende Berge in eichsfeldischen und hessischen Dörfern bezeichnet.

92. Unter dem Kirchenholze – Ungerm, auch hingerm Kärchenholze= zu diesem Flurstück gehört auch der „Wendling“. Dieses ist ein Streifen zwischen gegenüberliegenden Äckern, wo beim Pflügen gewendet wird. Mundartlich: „Gewänge“ oder „Wängewaagk“.

93. Lochborn = Quelle unterhalb des Himbeerlochs. Durch Tonröhren zum Kirchberg geleitet, wo er aus einer gebogenen Eisenröhre floss. Sehr gesundes Trinkwasser. Beste ehemalige Brunnenanlage. Abwasser floss im alten Graben zur Frieda. Quillt heute auf dem Grundstück Walter Hahn, alter gemauerter Behälter auf Grundstück H. Fick (früher H. Hosbach).

94. Köpfchen – Köppchen= kleiner Berg (Hügel) liegt unmittelbar am Wege des Bahngeländes auf den Äckern des Anton und Theresia Fick.

95. Klingenbergsweg= ist ein Feldweg nach dem Klingenberg bei Hildebrandshausen. Vor dem Bahnbau hatte er seinen Anfang vom Kirchberg, zwischen Spitze (Haus des Heimatdichters Adam Richwien) und Haus Andreas Wissenbach.

96. Klüschen= Bildstock an der Bahnhofstraße, erbaut 1757.

97. Gucksrain – Gücksrain= Hoher Rain mit gutem Ausguck ins Friedatal. In der Zeit, wo die alte Kirche noch Wehrkirche war, war er ein Beobachtungspunkt.

98. Roter Graben – röter Graoben= roter Sandgraben beim Hause Schwehr am Bahnhof.

99. Lehmkutte – Läimkitten= hier wurde Lehm gegraben zu Bauzwecken und zur Ziegelherstellung.

100. Kurze Äcker – korze Acker.

101. Kleiner Siechrasen – kläiner Seechraosen= ehemalige Quarantäne für Seuchenkranke, schwere ansteckende Krankheiten (wie die Pest).

102. Lange Wiese – lange Weesen.

103. Im Rösebach= Bach von Hildebrandshausen, an dem eine Flachsröste war.

104. Siechrasen= wie Nr. 102. Liegt an der Hildebrandshäuser Straße unterhalb Lengenfelds. Joh. Hardegen ließ an dieser Stelle ein Kreuz aufstellen.

105. Futterwiese – Futterweesen.

106. Schinderrasen – Schingerrasen= dort wurden verendete Tiere begraben.

107. Engelwiese – Engelweesen?

108. Teufelsnase – Tübelsnasen?

109. Vogtsgraben (im Birkental – Berkental mit großem Birkenbestand)= Vogtsgraben, wahrscheinlich nach dem Familiennamen Vogt benannt.

110. Vorm Schlage – verrm Schlagk= Schlagbaum, ehemalige Zollabfertigungsstelle zwischen Kurmainz und Hessen.

111. Fackental (früher Vokemal)= ehemalige Siedlung (Wüstung).

112. Im Schlage – im Schlagk= wie Nr. 110.

113. Vor der Birke – verr d’r Berken= wo Birken wachsen.

114. An der Teufelsnase – an d’r Tübelsnasen.

115. Sperbersgraben – Sparbersgraoben= wo die Sperber horsten.

116. Petersberg und Petershölzchen= wahrscheinlich nach einem Besitzer mit Namen Peter benannt.

117. Arnstal, auch Arnstell= (nach Freiherr von Wintzingerode) eine Wüstung (ehemalige Siedlung).

118. Frieda= friedlicher Bach (Frieda ist vom althochdeutschen Wort „fridu“ abgeleitet und bedeutet Frieden).

Lambert Rummel und Heinrich Richwien
(mit Ergänzungen und Korrekturen von Oliver Krebs)
(Quelle: Lengenfelder Echo, Januar-Ausgabe 1960)