Die Flurnamen der Gemarkung Lengenfeld
„Wenn die uralte Zeit noch irgendwo haftet in der neuen, so ist dies in den Benennungen der Dorffluren, weil der einfache Mann kein Bedürfnis fühlt, sie zu verändern." (Jakob Grimm). –
Vor den Familiennamen, welche um 1300 aufkamen, waren die Flurnamen da. Sie sind im Allgemeinen auch älter als die mittelalterlichen Baudenkmäler. Manche geben Ausblicke in die heimatliche Geschichte und Volkskunde, z. B.: Am Galgen, Hinterm Gericht, An der Zollstede, Beim Hopfengarten, Am Eselsweg, Im Rösenbach, Am Frauenstein.
Andere sind für die Mundartenforschung von Interesse: Am Rimbiel, Am Tippstieg, In d’r Gemoßen, Im Tulken.
Wieder andere deuten auf Eigenart und Form des Geländes oder des Landstückes hin: Im Gern, Im Tulken, An d’r Brücklaiden, Am Taubenzagel, Vor dem Schilde, Am dürren Fleck. Auf die Art ehemaliger Kulturen weisen hin: Der Rösegarten, der Hopfengarten, die Trift, der Weinberg. Den Namen eines ehemaligen Besitzers tragen: Hanstein, Betzelsberg und Siebelsberg.
In dem Bestreben der Kanzleien, die mundartlichen Formen zu verhochdeutschen, wurden manche unverstandenen Namen durch volksetymologische Deutung verballhornt und ihres wahren Sinnes entkleidet. So wurden: Habezucht zu Habichtzucht, Zielweg zu Ziegelweg, Bülschtal zu Bilstal, Thiemberg zu Dünberg.
Die Flurnamen haben es mit Ortsnamen, volkstümlichen Tier- und Pflanzennamen, Redensarten, Volksrätseln und Volksreimen gemein, dass sie häufig in gleicher oder ähnlicher Form auch anderorts auftreten, wie aus nachfolgender Zusammenstellung ersichtlich ist. Die Jahreszahlen geben die erst malige Erwähnung in Urkunden und Lagerbüchern an.
’s Geismarsche Feld, – ’s Amscherode (1577) gehörte zur Feldmark der Wüstung gleichen Namens und liegt am westlichen Abhang des Entenberges. Zum Teil gehört das Amscherode zur Geismarschen Feldflur. – Am Entenberge (1586); vielleicht eine volksetymologische Umbildung von „Entzenberg.“ – Die Winkelwiese (1664). – An d’r Hagelieden, 1664 Hainleiten genannt. – Im Bülschtal (1577), 1664 Bülschlebisches Tal genannt, soll heißen: Das Tal der von Bültzingslöwen, denen fast 200 Jahre lang das halbe Amt Bischofstein verpfändet war. – Am Frauenstein (1586; hier befand sich der Frauenstein, der im Volksmunde als Grabstein des „Fräubchens von England“ gilt. Um 1840 wurde er von dem damaligen Landbesitzer auf Heppensems Hof gebracht, um Anfang der 1880er Jahre beim Bau der neuen Kirche in die Kirchhofsmauer eingelassen zu werden, wo er sich heute noch befindet. – Am Bartloffer Wege. – Der Schleusenacker. – Am Weinberge. – Am Eselswege (1664). Ihn benutzten die Eseltreiber, wenn sie Wasser aus dem Friedatale zum alten Bischofstein auf der Höhe des Burgberges schafften. – Im Hopfengarten (1684). –
Am Schlossberge (1586). – Am Uhlenstein (1664). – Im Rösegarten. Hier wurde Flachs geröstet. – Im Heller. Auch in einer Feldflur der Grafschaft Hohenstein kommt die Bezeichnung vor. – Flachsröse und Schafwäsche, ehemals zum Bischofstein gehörig. – Am Hainzerain , 1664 Hentzenrain. An d’r Zollstede (1358). – Am Kräätschbornweg . – Im Hopfenhof (1664). – Im Tulken (1664); verwandt mit Teller, Delle, Tulle; in alten Lagerbüchern auch „Tulch“ genannt. Der Name bedeutet so viel wie Boden senke, Vertiefung. In Wilbich gibt es einen Tulken, in Reinholterode einen Tulkenweg. In Grebendorf, in Hitzelrode, Altenburschla, Burghöfen und Abterode kommen ähnliche Bezeichnungen vor. – Am Pfarrköppchen. – Am Schloßwege. – Am Zielwege; 1664 Ziegelweg genannt, bedeutet so viel wie „Richtweg“. Er verläuft im Effeldertale in gerader Linie auf Schloss Bischofstein zu. – Im Gern: 1664 im Gehren: „Eine Gehre ist ein sich am Ende zuspitzendes Stück Land ...“ (Hartmann: Das Provinzialrecht des Fürstenthums Eichsfeld). – Die Stockwiese. – Am Borgberge (1556). – Im Effeldertale (1586). – Am Erbsborn. Mit seinem Wasser kochten früher die Hausfrauen Erbsen weich. – Am Fünfzehnacker. – Am Taubenzagel, genannt „Tümnzäul.“ Das Stück hat die Form eines Taubenschwanzes. Bei Wilbich und Geismar gibt es auch einen Dümnzäul, desgl. im Sondershäuser Stadtforst. – An den Ziel bäumen, 1664 Ziegelbaum; gleichbedeutend mit „Richtbaum“, der die Richtung angibt (Vergl. das „Krause Bäumchen“ in Westfalen!). Im Kreise Eschwege kommen vor: Zielhecke, Zielstock, Ziegelberg und Ziegellache. Am Walperbühl (1664) = Walburgabühl, = hügel.
– Hinter den Höfen oder Gärten laufen heute noch die Umgehungspfade, die im Mittelalter in Pestzeiten von fremden Wanderern benutzt werden mussten. – Jockshecke und Jocksweg könnten ihren Namen von der Familie Jakob haben, die im 16. Jahrhundert, sehr begütert, im Dorfe lebte. – Im obersten Blanktale. – Am Tippstieg. Im angrenzenden Kreise Eschwege kommen vor: Diebsstieg, Diebspfad, Diebgraben, Diebeskutte, Diebkammer, Diebsbrunnen, Diebskrippen. Die amtliche Schreibweise mit gedehntem „i“ entspricht nicht der mundartlichen Aussprache mit kurzem „i“. – Am Kleinwalperbühl (1586). – Im Spreuwinkel (1664). – Im Loche. – Am Köhlersborn (1664). – Am Pforzborn; angeblich eine Verballhornung von „Pfadsborn.“ – Im schwarzen Teich (1586). – ’s unterste Blanktal (1269 Blankentail). – Am Hanstein. – Überm Dorfe. – Auf’m Markstücke, (1664 Marchstück); eines der besten Stücke in der Flur. – Am Rimbühl (1664). Vergl. Rimbach! – Am Pfarrkopp = Kirchenland. – Am Galgen. – Am Kletterrain, 1664 „Uff’m Kletterain.“ – Am Schildweg. – An d’r Trift (1664). – Hinterm Gericht (1664). – Im Wagentale (1664). – Am Flößchen, 1664 „An dem Floß.“ – Vor d’r Föhrt, 1664 „Buchbornfohrt." – Am Vorspann oder Rastplatz; „Vor dem Schilde“ gelegen, wo die alte Geleitstraße nach Eigenrieden stark zu steigen begann. – Die Teichwiese. Hier hatten im 16. Jahrhundert die von Bültzingslöwen einen Fischteich. – Auf’m Teichhölzchen. – Im Zell’schen Grunde (1586). – An d’r Hansteins d’r Hansteinschen Laiden (Liethe). Liethe oder Leithe = ein allmählich fallender Berghang, der meist in Acker- oder Weidekultur steht. – Das Hollunderloch. – An d’r schwarzen Brücke. – Die Kloster wiese. – Unter der Schränne (Klosterschränn).
– Im Buchborn (1586). – Unterm Siebelsberge, 1586 Siegfriedsberg, 1664 Siebertsberg. – Unterm Stein. – Am Rohrwasser. – Im Heinrichtals graben. – Im Heinrichstal (1586). – In d’r Gemoßen; – 1664 „In d’r Moßen“ genannt. Heyerode: Gemoßen; Thurnhosbach Krs. Eschwege: Gemöse. Vielleicht handelt es sich um altes Gemeindeland, das in Parzellen aufgeteilt und den Gerechtigkeitsbesitzern zugemessen wurde (Mehler). In Wachstedt wird ein solches Flurstück: „Die Geteilten“ genannt. – Im Saunest. – ’s Gemeindeland. – An d’r Trecksbrücken (1664); Schulwiesen und -land. – Die Pfarrwiese. – Der Bätzelsberg; von Wezilo oder Bezilo, wovon auch die Familiennamen Wetzel und Witzel abgeleitet sind. – Vor der Gassen (Keudelsgasse). – Riesenhof und Riesentümpel. – Die Gänse dellen, auf dem Thiemberg gelegen. Hierhin zogen die Burschen und Mädchen am 3. Ostertage, um sich bei einem Fässchen Bier mit Singen und Tanzen zu vergnügen. – ’s Rinnchen. – Am Hasenborn (1586). – Im Himbeerenloch. – Der oberste Heiligenberg befindet sich seit jeher im Besitze der Kirchengemeinde, wie die ältesten Kirchenrechnungen aus dem 16. Jahrhundert ausweisen. – Das oberste Kirchenholz = ebenfalls Kirchenbesitz. – Im Kessel. – Am Heiligenberge (1561). – Das unterste Kirchenholz = Kirchenbesitz. – Am Lochborn. – Am Küppchen oder: Hinter der Kirche (1664). – Am Klingenbergswege. – Am Klüschen. – Hinterm Gücksrain; in Hildebrands hausen gibt es die gleiche Bezeichnung. – D’r rote Graben. – An d’r Lehmkaute, 1664 Leumenkuhlen. – Auf der Haiden (1664). – Der kurze Acker. –
Der kleine Siechrasen (1664); in Wilbich: Siechenrasen; Geismar Siechengraben; Grebendorf: Siedienhölzchen; Albungen: Siechengraben.
– Die lange Wiesen (1586). – Im Rösenbache (1586); hier wurde ehemals Flachs geröstet. – Die Futterwiese. – Der Schindersgraben. – Die Engelswiese (1664). – Bei der Entenmühle (1664). – Vogtsgraben (Birkental) 1664. – Vorm Schlage (1561). – Am Fackentalswasser. – Im Vackentale. – Vor d’r Birken; 1561 „Auf der Ulrichsbirken“, 1664 „Uff der Birken.“ Im Kreise Eschwege gibt es eine Reihe Flurnamen gleicher und ähnlicher Bezeichnung, so bei Grebendorf, Altenburschla, Datterpfeife, Thurnhosbach, Reichensachsen, Motzenrode. – Im Schlage (1561). – An d’r Diewelsnasen (1586). Ob von Teufel oder Thiobald mag dahin gestellt bleiben. Gleich an die „Tiewelsnasen“ grenzt der „Petersberg“, und beide liegen unweit des Hülfensberges. Völkershausen bei Wanfried hat ein Diewelstal, einen Diewelsgraben und einen Petersgraben. – Der Sperbergraben (1664).
-Unterm Petersberge oder „Im Arnsthal" (1664). –
Waldnamen: In d’r Arskerben; kommt auch in Hibelrode bei Eschwege vor. – Beim alten Schloss. – Die Sperlingsköpfe; 1586 „Sperlingsberg.“ – Das Walperbühl (1577). – Die Brückleiden (= leithe). – Die Güllenpforte – Der Eibengraben (1664). – Die Wanertallen, eine Delle auf der Ebene des Kälberberges, wo es zu Zeiten nicht ganz geheuer sein soll. – Der Kälberberg (1586); in mittelalterlichen Lehnsbriefen „Moseberg“ geheißen. Auch in Datterode, Krs. Eschwege gibt es einen Moseberg. – Der Hanstein; ehemals v. Hansteinischer Besitz. – ’s Rimbiel. – Das Wagental. – Die erste und die zweite Habezucht (1586); Habezucht mag gleichbedeutend sein mit „Heimzucht“ im Raume zwischen Ruhr und Lippe. Es stellt ein Nutzungsrecht der Mark- oder Holzgenossen (im Eichsfeld: „Gerechtigkeitsbesitzer“) an der Mark (dem Walde) dar, in unserm Falle: Holzhauen und Schweinemast. Die „Habezucht“ würde wie die „Heimzucht“ das Recht, die „Gerechtigkeit“ bedeuten, aus etwas (in unserm Falle: Aus dem Walde) eine Habe oder einen Nutzen zu erlangen. Vergl. den Ausdruck: Hab und Gut! Die Heimzuchten zwischen Ruhr und Lippe standen durchweg den Adelshöfen, Klöstern und Oberhöfen zu (Hendus). Unsere Habezucht gehörte zum Kloster Zella. – Das Seelgeret = fromme Stiftung zum Heil der Seele. Das Seelgeret = fromme Stiftung zum Heil der Seele. – Im Buchborn (1664). – Der Siebelsberg. – Der Stein. – Der Thiem- oder Diemberg (1586), vielleicht Berg des Thimo. In den Schreibstuben zu „Dünberg" verballhornt. Die Gegend wurde erst 1000 Jahre und mehr nach der Verdrängung der Kelten besiedelt und in Kultur genommen. Zudem stellt der Berg eine unbedeutende Erhöhung von geringer Ausdehnung dar. Thurnhosbach, Krs. Eschwege: Diemer, Liete, Diemeröder Berg. – Die große Kuppen. – Die kleine Kuppen. – Der Gaiberich (1350).
Nicht alle Namen aus alter Zeit haben sich bis heute erhalten. In Vergessenheit geraten sind: Die Ebenotte, 1551 (Hochebene des Geiberich), Am Eselsbrunnen (im Hahnschen Naturschutzpark an der Zollstede gelegen), Am Köhlerstieg (1586), Im Wiesenbach (1586). Eine Anzahl vergessener Namen weist das Lagerbuch der Vogtey Bischofstein von 1664 auf: den Taubenbusch bei der Hagemühle, die Knippengelängen und die Weggelängen – beim Frauenstein, den Sperlingsgraben – unweit der Geismarschen Grenze, den Steiborn – bei der Diewelsnasen, die Dinkelswiese – ebendort, die Sandgrube – im Bilstale, das Fahrenrieth – unweit der alten Burg Stein, die Kirßenteichswiese, den Buchbornsteich, den Dornberg vorm Buchborn, das dürre Fleck – bei der Faulunger Untermühle, das Knechtslands, den Nußberg, den Pfundhellersberg, den Spitzacker, den Teich = 3 Acker Land und Wiese unter der Diewelsnase, den Hansteinschen Teich im Buchborn bei der Zellschen Wiese gelegen, den Heinrichtalsstieg – heute: Treffurtscher Pfad.
Als Quellen wurden u.a. benutzt: Die Lengenfelder Flurkarte von 1822, das Jurisdiktionalbuch des Amtes Bischofstein (1586 – 1609), das Lagerbuch der Vogtey Bischofstein (1664), die handschriftliche Flurnamensammlung des Kreises Eschwege von Oberstleutnant a. D. Heinemann, „Keudelstein“ von Aloys Höppner, die etymologischen Wörterbücher von Göbe und Trübner.
Anton Fick
(Quelle: Eichsfelder Heimatglocken, März/April 1953, S. 67-70)