Der Sturm auf Kloster Zella 1848
Unser verehrter Mitarbeiter Herr Professor Dr. Jordan in Mühlhausen hatte die Freundlichkeit, mir einen Artikel von Amtsgerichtsrat Gerischer im „Mühlhauser Anzeiger“ 1902 Nr. 69 und 70 (22. und 24. März 1902), in dem auf Grund der Gerichtsakten der Sturm auf Kloster Zella behandelt wird, zuzusenden. Ich teile daraus als Nachtrag zu meinem Aufsatze im 1 Heft dieses Jahrganges noch einiges mit.
Die Struther waren gegen den Besitzer des Klosters hauptsächlich darum erbittert, weil ihnen die alte Vergünstigung, in den Waldungen Raff- und Leseholz, Laub und Streu zu holen und das geschlagene Holz zu bestimmten Preisen nach einer billigen Taxe zu kaufen, entzogen worden war.
Im März wurde die Stimmung immer erregter; man wollte die alten Rechte nicht, wie der Schulze und ruhige Einwohner vorschlugen, in gesetzmäßiger Form zurückerbitten, sondern fordern und nötigenfalls mit Gewalt durchsetzen. Am 23. März kam ein Frachtfuhrmann Sch. aus Mühlhausen heim und wusste von dem Berliner Aufstande zu erzählen und dass man in Mühlhausen Freiheit und Gleichheit ausgerufen habe. Am Abend des 24. März zog man nun, nachdem man im Wirtshause die Ereignisse besprochen und sich an reichlich genossenen Getränken noch mehr erregt hatte, los. Dem Schulzen wurde die alte Landsturmtrommel aus den Freiheitskriegen durch Drohungen abgerungen, und unter Trommelschlag und fortwährendem Rufen von „Freiheit und Gleichheit“ wälzte sich der Haufe durchs Dorf. Widerstrebende wurden durch Drohungen gezwungen mitzugehen. Auf Schulze und Schöppen musste man allerdings doch verzichten. Im Ganzen bestand der Zug aus 60 – 70 Mann.
Zunächst drang man bei dem Förster Hahn und dem Hofmeister Bösel ein, zertrümmerte die Gerätschaften und plünderte Lebensmittel. In Zella schlug man das Tor, die Haustür, die Fensterläden und Fenster ein, drang in alle Räume und warf Betten, Gardinen, Kleidungsstücke, Sofas, Spiegel, Schränke, sogar ein Klavier auf den Hof, zerschlug alles und warf es ins Feuer, dessen Flammen fast zwanzig Fug hoch emporschlugen. Auch die Akten und Papiere wurden auf einen Haufen geworfen, zerrissen und zerhackt und dann angezündet.
Dann machte man sich an eine regelrechte Plünderung. Die Wein- und Branntweinvorräte des Kellers fachten die Zerstörungswut immer mehr an, sodass schließlich alles, was nicht niet- und nagelfest war, zertrümmert wurde. Gewalttätigkeiten gegen Personen wurden indes nicht verübt, der Besitzer war verreist. Der Administrator Achilles und der Förster Dunkelberg hatten sich auf dem obersten Heuboden versteckt. Gegen 3 Uhr früh zog der Haufe reich beladen mit dem Raube ab mit der Drohung, am Nachmittage bestimmt wiederzukommen. Was die Struther übrig gelassen hatten, wurde am anderen Tage von einem Haufen aus Effelder zertrümmert. Das Wiederkommen vergaßen die Struther nachher. Achilles hatte schon, als die Struther heranzogen, an den Landrat v. Wintzingerode um Hilfe geschickt, und am Morgen rückte ein Leutnant mit zwei Unteroffizieren, einen Trommler und 26 Kürassieren vor Struth, wohin der Landrat mit zwei Gendarmen schon vorausgeritten war. Drei Einwohner wurden sofort verhaftet und nach Mühlhausen abgeführt. Die Struther drohten, sie mit Hülfe der Mühlhäuser, die angeblich schon lange auf die Eichsfelder wartete, zu befreien. Man nahm das in Mühlhausen sehr ernst: das Gefängnis wurde militärisch besetzt und die Bürgerwehr stellte sich dem Landrat zur Verfügung. Der Befreiungszug unterblieb. Die Folgen waren für Struth schwer. Gegen 41 Personen wurde Anklage erhoben. 23 wurden verurteilt, zum Teil zu mehrjähriger Zuchthausstrafe. – Diese Darstellung weicht in wesentlichen Punkten von der ab, die ich (S. 7 f.) benutzen konnte.
Klemens Löffler
(Quelle: Unser Eichsfeld, IV. Jahrgang, 1909)