Der Reiter ohne Kopf

Zwischen Dingelstädt und Helmsdorf befindet sich in der Nähe der Wüstung Wolkramshausen der Furtweg. Hier soll es um Mitternacht nicht geheuer sein, und manche nächtlichen Wanderer haben dort in der Geisterstunde einen Reiter ohne Kopf gesehen.

Zwei Burschen aus Dingelstädt waren nach Helmsdorf zur Kirmes gegangen. Der saftige Gänsebraten hatte ihnen gut geschmeckt, das schäumende Bier ebenfalls, auch das Tanzbein hatten sie eifrig geschwungen. Mit einem Wort: Es hatte ihnen auf der Kirmes ausgezeichnet gefallen. Erst spät traten sie den Heimweg an. Noch voll von den Erlebnissen des Abends, die sie beeindruckt hatten, unterhielten sie sich unterwegs lebhaft über die froh verlebten Stunden. Als sie an der Wolkramshäuser Mühle vorbei waren, fing die Helmsdorfer Turmuhr an zu schlagen. Die beiden Burschen zählten: eins, zwei, drei. Beim zwölften Schlage fuhr ihnen der Schreck durch die Glieder. Es war ja schon die Geisterstunde angebrochen, und sie mussten noch an dem Furtwege vorbei. Das war ihnen nicht geheuer. Hatten ihnen doch oft die Eltern und Großeltern von dem Reiter ohne Kopf erzählt, der hier um die Mitternachtsstunde umherjagte und die Wanderer erschreckte. Keiner wollte dem anderen seine Angst merken lassen; aber die gemütliche Unterhaltung wollte nicht wieder in Fluss kommen. Ihre Blicke waren immer nach dem Furtwege gerichtet. Als sie ihn erreicht hatten, hörten sie auf einmal Pferdegetrappel hinter sich. Kaum hatten sie Zeit zur Seite zu springen, als auch schon der Reiter ohne Kopf an ihnen vorbeijagte. Plötzlich machte er halt, drehte sich um und drohte den beiden mit der erhobenen Hand. Dann war er spurlos verschwunden. Mit schlotternden Knien eilten die Burschen nach Dingelstädt. Erst vor der Stadt fanden sie allmählich die Sprache wieder. Der ausgestandene Schrecken ließ sie auch nicht schlafen, und während der nächsten Tage noch gingen sie "ganz geschlagen" umher. Als sie aber vierzehn Tage später auf der Dingelstädter Kirmes am Biertisch saßen, da konnten sie sich nicht genug ihrer Tapferkeit rühmen, die sie dem Reiter ohne Kopf gegenüber gezeigt hätten. Einer von ihnen wollte sogar gesehen haben, dass der Reiter eine brennende Pfeife im Mund (!) gehabt und dicke Rauchwolken ausgestoßen habe.