Der Mordversuch an Förster Dunkelberg
Lengenfeld unterm Stein, 29. März 1886
Eine scheußliche Blutthat, wie sie in unserem Orte noch nicht vorgekommen, ist in der verflossenen Nacht hier verübt worden. – Vor mehreren Jahren zogen aus dem Dorfe Lutter bei Heiligenstadt die Korbmacher Gebrüder Gundlach hier zu. Diese Burschen erwiesen sich mit der Zeit als rohe Patrone, mit denen jeder den Umgang mied. Es wird auch behauptet, daß sie das meiste Holz, welches sie zu ihrem Geschäfte gebrauchten, gestohlen hätten, und sahen ihnen deshalb die Forstbeamten scharf auf die Finger.
Gestern Abend nun betrat der Förster Dunkelberg, gegenwärtig auf Struth stationiert, die Lorenz’sche Gastwirthschaft, in welcher bereits die Gebrüder Gundlach saßen. Diese fingen durch allerlei Reden an, auf den Forstbeamten zu sticheln, welcher ihnen aber entgegnete, sie möchten das nur gut sein lassen, er wisse mehr von ihnen, als sie glaubten, und er hoffe, daß es ihm noch einmal gelingen werde, sie abzufassen. Hiermit war die Unterredung beendet.
Nach 11 Uhr entfernten sich die beiden Gebrüder Gundlach, und kurz danach trat auch der Förster, der ohne Gewehr war, den Heimweg an. In der Zwischenzeit war einer der Gebrüder Gundlach nach Hause gelaufen, und hatte eine scharfe Barte [breites Beil, Axt / Anm. der Redaktion] geholt.
Beide Brüder begaben sich nun vor das Dorf, um den Förster zu erwarten. Dieser kam auch bald nichtsahnend des Weges daher. Die Gebrüder Gundlach, welche sich versteckt hatten, sprangen nun plötzlich auf den Forstbeamten zu und versetzten demselben zunächst einen Schlag mit dem stumpfen Ende auf Kopf und Nacken, wodurch eine Hand zweimal gespalten und zwei Finger abgehauen wurden. Als der Forstbeamte kein Lebenszeichen mehr von sich gab, ließen die Unmenschen von ihren Mißhandlungen ab und entfernten sich. Gegen Morgen kam der Forstbeamte wieder zu sich, kroch bis an das nächste Haus des Dorfes, wo es ihm gelang, die Einwohner zu ermuntern, die ihn alsbald zu Verwandten in Pflege brachten. Der Beamte hatte wieder soviel Besinnung erlangt, daß er die Gebr. Gundlach als Thäter bezeichnen und die einzelnen Umstände erzählen konnte, fiel jedoch alsbald wieder in Bewußtlosigkeit zurück. Die Verwundungen sind lebensgefährliche. Der Hieb in den Nacken ist allerdings durch den Rockkragen gelindert worden, dagegen scheint der Schädel gespalten zu sein. Heute Morgen wurde der eine der Missethäter verhaftet und in das Gerichtsgefängniß zu Heiligenstadt abgeliefert, der andere hatte sich in der Richtung nach dem Walde zu entfernt und ist bis jetzt nicht zurückgekehrt, doch wird er verfolgt.
Über die Mordthat in Lengenfeld u. St. wird in der „Mühlhäuser Zeitung“ noch geschrieben:
Gestern besuchte ich den in Lengenfeld u. St. schwer krank liegenden Förster Dunkelberg aus Struth, welcher, wie bereits in Ihrer Zeitung berichtet, am Montag voriger Woche nachts auf seinem Patrouillengang von den zwei Mordgesellen Gundlach aus Lengenfeld überfallen und mit Äxten derart bearbeitet wurde, daß der Arzt, welcher an den klaffenden, ca. 17 Zentimeter langen Kopfwunden wohl 3 Stunden zu nähen hatte, den Tod als unmittelbar bevorstehend ansah.
Es steht fest, daß die Mörder – denn nach allem, was bisher über den Fall bekannt wurde, handelt es sich um einen beabsichtigten Mord – ihr Opfer als todt liegen ließen. Der Förster wurde, nachdem die Wunden genäht und Verbände angelegt waren, zu einer ihm verwandten Familie Dunkelberg in Lengenfeld getragen, woselbst ihm sein Kranken- und Schmerzenslager bereitet war.
Hier suchte ich den Bedauernswerthen auf. Als ich an sein Bett herangetreten war und ihn begrüßt hatte, schlug er die Augen auf, dankte mir aufrichtig für den Beweis von Theilnahme und sagte weiter: „Ich bin aus drei Kriegen unversehrt zurückgekehrt, und wäre jetzt beinahe durch Mörderhand gefallen. Gott muß es aber doch mit mir gut meinen, denn wenn ich jetzt mit dem Leben davon komme, so ist dies ein sichtlicher Beweis seiner Gnade.“
Ich unterhielt mich weiter über den Fall mit ihm und gewann die mich recht befriedigende Überzeugung, daß er wohl sehr schwach, aber durchaus geistesfrisch und durchdrungen von der Hoffnung auf seine Wiedergenesung ist. Auch ich glaube, da der Arzt versichert, daß das Gehirn durchaus unverletzt geblieben ist, die Wunden vorzüglich aussehen und nicht eitern, fest an sein Auskommen. Nur zwei Finger der linken Hand, mit der er mehrere Beilhiebe abfing, scheinen verloren, denn diese sind total zerschlagen. Das größte Verdienst gebührt dem behandelnden Arzt in Lengenfeld, welcher mit größter Aufopferung Tag und Nacht seiner Pflicht oblag und jetzt die Versicherung giebt, daß die größte Gefahr, nämlich das Eitern der Wunden, nun glücklich beseitigt sei.
Autor: unbekannt
(Quelle: Heiligenstädter Zeitung – Organ zur Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen für den Kreis Heiligenstadt)