Der Mauerpfefferkranz an den Giebeln der eichsfeldischen Höhen-Dörfer und anderes Brauchtum um den Johannistag (1940)

Um Johanni leuchten unter den Häusergiebeln in den Dörfern des oberen Eichsfeldes gelbgrüne Kränze hervor. Betrachten wir uns diese eigenartigen Kränze genauer, so stellen wir fest, dass sie aus blühendem Mauerpfeffer gewunden sind. Wir haben es hier mit einem uralten Brauch zu tun, der im Hessischen noch weiterverbreitet und höchstwahrscheinlich ein Überbleibsel aus dem Brauchtum der Sommersonnenwende ist. Man glaubt heute noch, dass die Häuser, an denen ein Johanniskranz hängt, vor Blitzschlag bewahrt werden. Diese Schutzkraft wird der Kranz am Sonnenwendfeuer erhalten haben. Das Sonnenwendfeuer wurde zum Johannisfeuer, das auch in unserer Gegend noch vereinzelt abgebrannt wird, so wird auch der Mauerpfefferkranz zum Johanniskranz geworden sein.

In den Lagen vor Johanni gehen die Kinder auf die Luche nach dem Mauerpfeffer, der in meiner Heimatflur häufig an alten Rainen zu finden ist. Sorgfältig werden die Blüten von den Mädchen zu einem herrlichen Kranz geflochten. In der Regel hängt dann der Vater oder aber auch die Buben den Kranz unter dem oberen Giebelfenster des Hauses auf.

Wer am Johannistag in der Flur Heilkräuter wie: Kamille, Bräutigams-Kraut oder Johannisblumen pflückt, der erzielt mit ihnen, so lebt hier der Volksglaube, eine ungeahnte Heilwirkung. Freilich sind im Laufe der Jahrzehnte so manche schöne Johannisbräuche abgekommen. Von unseren Dorfältesten erfuhr ich darüber noch Folgendes: Für junge Liebesleute war der Johannistag ganz besonders geeignet, um das Schicksal zu befragen. Die Mädchen hielten da ihr Blumenorakel ab. In der Flur suchten sie Johannisblumen, Margriten um das schöne Spiel „er liebt mich“ usw. damit zu treiben. Weiter werden die Blütenblätter auf den Rücken der linken Hand gestreut, worauf mit der rechten Hand darunter geschlagen wird. Die Zahl der liegenbleibenden oder wieder auf die Hand zurückfallenden Blätter, gibt den neugierig forschenden Mädchen die Zahl der in der Ehe zu erwartenden Kinder an. Die Johannisblume ist deshalb sehr beliebt und findet bei fast allen sommerlichen Festen als Hausschmuck Verwendung.

Vinzenz Hoppe, Struth
(Quelle: „Mein Eichsfeld“, Jahrgang 1940, S. 77 – 78)