Der Bischofstein und die hl. Elisabeth

Der Novembermonat gibt alljährlich besondere Veranlassung, uns mit der großen Heiligen, der Wohltäterin der Armen und Notleidenden, Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, zu beschäftigen. Seitdem ich die Dichtung von Dr. Hermann Iseke kenne: „Aus Eichsfelds Vorzeit in Geschichte und Sage“, verbinde ich stets mit der Vorstellung vom Schloss Bischofstein, genau wie mit der Wartburg, solche von der hl. Elisabeth, weil ich nicht vermute, sondern bestimmt annehme, dass die große Heilige hier auf Bischofstein, ihrem einstigen persönlichen Besitz, gewandelt ist. Die heutigen Schlossgebäude sind nicht mehr diejenigen, die die hl. Elisabeth ihr Eigen nennen konnte, vielmehr ist das alte Schloss, das zirka ½ Km nordwestlich des heutigen stand, im 30-jährigen Kriege zerstört und später bei Errichtung des heutigen zu Anfang des 18. Jahrhunderts abgetragen worden.

Die Vorfahren des Landgrafen Ludwig IV., dem Gemahl der hl. Elisabeth, waren vermutlich 1130 im Besitz von Bischofstein, damals nur „Steyn“ genannt, gekommen und zwar mit dem „Gau“ Eichsfeld. Das Erzbistum Mainz hat jedenfalls die Lehnsherrschaft besessen, bevor der Gau an das Landgrafen-Haus überging; denn es machte sogar Eigentumsansprüche geltend beim Tode Giso V. aus dem Geschlechte der Gisonen von Gudensberg, in deren Besitz vorher Schloss Steyn mit Umgebung war. Als Giso V. 1137 zu Präneste in Italien starb, ging dieser Teil des reichen Besitzes der Gisonen an den Landgraf Ludwig I. von Thüringen über, weil er mit Hedwig, der Schwester Giso V. verheiratet war. Der 4. Nachfolger Ludwig I. war der Gemahl der hl. Elisabeth. Bei seiner Vermählung schenkte er seiner jungen, schönen Elisabeth 122l Schloss Steyn als Morgengabe. Elisabeth lebte aber bereits seit 1212 auf der Wartburg und auf der Creuzburg im Werratale, denn sie wurde schon als vierjähriges Kind von Ungarn aus nach Thüringen gebracht. Es erscheint also als selbstverständlich, dass Elisabeth schon als Kind von der Wartburg aus nicht bloß Creuzburg, sondern auch Steyn, den Besitz ihres künftigen Schwiegervaters, besucht hat. Und es mag Schloss Steyn der Königstochter ganz besonders gefallen haben; denn wie hätte Ludwig an seinem Hochzeitstage seiner Elisabeth das Schloss als Morgengabe schenken können, wenn er nicht gewusst hätte, dass er ihr damit eine besondere Hochzeitsfreude machen werde. Unzweifelhaft hat Elisabeth aber Schloss Steyn gekannt.

Wollen wir das aber nicht annehmen, dann ist es außer allem Zweifel, dass Elisabeth nach ihrer Hochzeit ihren persönlichen Besitz besucht und wahrscheinlich auch öfter länger dort geweilt hat, denn sie floh ja gern vor den rauschenden Festlichkeiten auf der Wartburg in die Stille und war glücklich, wenn sie Arme und Notleidende ausfindig machen konnte. Da die hl. Elisabeth auf dem Eichsfelde persönlichen Besitz hatte in Schloss Bischofstein, dort zeitweise wirklich gelebt und Gutes getan hat, so muss sie uns Eichsfeldern besonders nahe stehen. Ist es doch nicht ausgeschlossen, dass sie vom Bischofstein aus den immer vor ihr liegenden Hülfensberg als Wirkungsstätte des hl. Bonifatius besucht hat, umso mehr, weil schon damals der Berg Wallfahrtsort war. Wir wissen aus der Gründungsgeschichte des Karthäuserklosters in Erfurt im Jahre 1371, dass die Gründung hauptsächlich aus den Spenden der Wallfahrer des Hülfensberges bewerkstelligt wurde.

Nach dem Tode Ludwig IV. ward Hermann, der Sohn dieses und der hl. Elisabeth, Erbe von Bischofstein. Kaum zwanzigjährig starb er und nun entstand Streit um die Besitzung auf dem Eichsfelde. Die Tochter der hl. Elisabeth, Sophie von Brabant, erhob Ansprüche an den persönlichen Besitz ihrer Mutter, aber auch Jutta, die Tochter Hermanns, Markgräfin von Meißen, mochte den Besitz nicht missen. Wenn es Sophie von Brabant nicht gelang, sich in Besitz von Bischofstein setzen zu können, so doch ihrer Tochter, der Herzogin von Braunschweig. Sie bestimmte ihren Gemahl Albrecht von Braunschweig, sich in den Thüringer Erbfolgestreit zu mischen, mit dem Ziele der Erwerbung des Eichsfeldgaues mit Bischofstein. Albrecht kam in Besitz desselben und damit saß nunmehr eine Enkelin der hl. Elisabeth auf Bischofstein. Wie lange sie im Besitz geblieben ist, kann nicht genau festgestellt werden. Die hl. Elisabeth genießt in Deutschland, besonders im Thüringer Lande, selbst bei den Protestanten, eine hohe Verehrung, ja, man darf behaupten, dass sie als eine Heilige von der gesamten Christenheit verehrt wird. Wer nur die Wartburg betritt, vor dem taucht auch sofort die rührende Gestalt der hl. Elisabeth empor, die im Leben voll guter Werke, ein Ende voll Marter zu verzeichnen hat. Sie war zu Lebzeiten eine Heilige, wo sie ging und stand, waren Engel um sie, die ihr unsichtbar einen sterngestickten Mantel umlegten und ihr eine funkelnde Krone aufs Haupt setzten, als die Anverwandten sich in Gegenwart des Kaisers und einer Reihe hoher Fürsten der schlicht einherschreitenden „Bettlerin“ schämten.

Als im Jahre 1867 auf der Wartburg deren 800-jähriges Bestehen gefeiert wurde, da gedachte man weniger der erschütternden Wandlungen ihrer Geschichte, man ließ weniger wach werden die Bilder aus der Blütezeit des Mittelalters, nein, man nahm nur heraus das über die Wartburg ausgegossene Zaubergold, als den Festgästen im Rittersaale als Festvorstellung die Aufführung von Franz Liszts Oratorium „Die hl. Elizabeth“ geboten wurde.

Und diese große Frau war auch durch ihr persönliches Besitztum, den Bischofstein, gewissermaßen eine Eichsfelderin geworden, was das gesamte Eichsfeld, besonders aber den Ort Lengenfeld unterm Stein mit dem ehemaligen Schloss der hl. Elisabeth mit Stolz und Freude erfüllen sollte.

N. Lorentz
(Quelle: Eichsfelder Heimatborn)