Denn wäre nicht der Bauer ... Gedanken zum Erntedankfest (2002)

Am Sonntag, dem 6. Oktober feiern wir in unserer Kirche „St. Mariä Geburt“ das diesjährige Erntedankfest. Dabei werden unsere Kinder wieder die heimisch gewachsenen Erntegaben zur Segnung zum Altar bringen. So werden wir aus Kindermund als Erntedank folgendes Gebet hören:


„Hab Dank lieber Gott hab Dank!
Für alles Gute, das ich bekommen hab.
Für die Milch, für die Wurst und das Honigbrot.
Für Kartoffeln, Gemüse und Äpfelchen rot.
Denn alles kommt von Dir,
und wir danken Dir dafür.


Hab Dank lieber Gott, hab Dank.
Nun lasst uns alle froh sein und die armen Kinder auch!
Bitte gib doch jedem ein Stückchen Brot,
wische ab ihre Tränen und lindre ihre Not!
Schenk Frieden unserer Welt
unterm großen Himmelszelt."


Während wir Älteren zu unserer Kindheit auf dem Dorf alle noch hautnah mit der Landwirtschaft in Berührung kamen, so wird heute unser täglich gut gedeckter Tisch als selbstverständlich angesehen. In einer Großfamilie – wie es diese vor 70 Jahren auf dem Eichsfeld überwiegend gab – hatte jedes der heranwachsenden Kinder eine Aufgabe zu erfüllen und war sie noch so klein. Wir waren zu Hause eine neunköpfige Familie mit einem kleinen Landwirtschaftsbetrieb. Diesen unterhielt unsere Mutter mit uns Kindern, während unser Vater als Maurer den Unterhalt für die Familie verdiente. Wenn wir mittags aus der Schule nach Hause kamen, hatte jeder von uns am Nachmittag sein Quäntchen im Feld oder Stall beizutragen.

Und in der Kriegs- und Nachkriegszeit konnte manche Familie dank dieser kleinen Landwirtschaft überleben.

Und heute, da gehen wir zum Supermarkt und können nach Herzenslust – was der Geldbeutel hergibt – einkaufen. Doch, es ist nicht der Supermarkt, der für unsere Ernährung sorgt, der uns das Lebensnotwendige bereitstellt, auch wenn es oft so scheinen mag.

Wir leben auch heute noch vom Wunder der Erde!

Auch heute noch werden durch Menschenhand – und Verstand – diese lebensnotwendigen Produkte geschaffen.

Das sind die Frauen und Männer in unseren Landwirtschaftsbetrieben.

Auf Grund unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen in Ost und West haben wir in den neuen Bundesländern heute größere landwirtschaftliche Betriebe, die von relativ wenigen Arbeitskräften mit moderner Technik erfolgreich geführt werden. Doch der Wind aus Brüssel weht diesen Genossenschaften kräftig ins Gesicht. Ist man wirklich der irrigen Meinung, dass man diese gewachsenen großen Einheiten wieder in Tausende Parzellen zerstückeln kann? Können Sie sich vorstellen, dass hier in Lengenfeld die Enkelgeneration bereit wäre, wieder auf Kleinstparzellen Landwirtschaft zu betreiben? Wohl kaum!

Wenn wir uns mit offenen Augen in unserer Flur umsehen, so können wir fruchtbare Felder, saftige Wiesen und Weiden und überdies gut genährtes Vieh entdecken. Man muss schon vor Achtung den Hut ziehen, was die wenigen Arbeitskräfte in unserer hiesigen Agrargenossenschaft leisten.

Eine alte Bauernweisheit lehrt uns: „Wie dar Herre, sö‘s Gescherre.“

Und der Chef dieser Genossenschaft ist ein „Vollblutbauer“ vom Scheitel bis zur Sohle.

Es wäre daher wünschenswert, dass trotz vieler Widrigkeiten mit der die Landwirtschaft zu kämpfen hat – Hagelsturm, Trockenheit und Preisverfall – unsere Agrargenossenschaft erfolgreich weiter wirtschaften kann. Wenn man bedenkt, dass heute ein Zentner Weizen fast nur den gleichen Erlös bringt als vor dem 2. Weltkrieg, dann ist dies kaum nachvollziehbar. Erforderliche Produktionsmittel kosten im Gegensatz dazu ein Vielfaches!

Diese Gedanken kamen mir zum bevorstehenden Erntedankfest und wir sollten daher alle an diesem Sonntag Gott dem Herrn danken, dass er wieder eine gute Ernte wachsen ließ.

Aber auch den Menschen, die durch ihrer Hände Arbeit dies mit ermöglichten, möchte ich ganz einfach einmal DANKE sagen.

So fiel mir ein Gedicht eines längst verstorbenen Lengenfelders (Josef Menge oder Meng‘s Schullehr) aus den Nachkriegsjahren in die Hand, das da heißt:


Denn wäre nicht der Bauer, dann hättest du kein Brot!

Wenn im Lenz die Blumen sprießen,
und es grünet auf den Wiesen,
wenn der Vöglein Lied erschallet,
es in den Lüften widerhallet:
dann durchschreitest du den Acker
Schritt für Schritt und immer wacker.

Über dir das Himmelszelt,
ringsumher die schöne Welt.
Freudig streuest du den Samen,
streuest ihn in Gottes Namen,
dass Gott in seiner Vatergüte
ihn vorsorglich behüte.

Denn jede Ähr‘ in ihrer Pracht
gibt Zeugnis von Gottes Schöpferkraft.
An Wachsen, Blühen und an allem
hast du dein Freud‘, dein Wohlgefallen.
Ja, Bauer sein, das freut dich sehr,
doch Bauersein, oft auch sehr schwer.

Wenn an heißen Sommertagen
Hagel alles tut zerschlagen,
wenn Regen, Sturm und Ungewitter
die Ernte vernichten, gewiss ist‘s bitter.
Und doch heißt es: nicht verzagen!
Auch diese Prüfung musst ertragen.

Denn Bauer, in deiner Hand
liegt die Ernährung von Stadt und Land.
Ohne dein Tun wär‘s bittere Not,
da hätte man nicht das tägliche Brot.
Doch sag‘, was zollt man dir als Preis
für deine Arbeit, deinen Fleiß?


Willi Tasch
(Quelle: „Lengenfelder Echo“, Oktober-Ausgabe 2002, S. 14)