Das Zigeunerkind

Das Zigeunerkind Es mögen bald zweihundert Jahre vergangen sein, da lagerte am Ende des Dorfes Wachstedt eine Zigeunergesellschaft. Sie kampierte in einer Scheune und zündete dort ein Feuer an, um sich zu wärmen und ihre Mahlzeiten zu bereiten. Entsetzt kam der Besitzer, Aschenbach mit Namen, herbeigelaufen und bat sie, doch das Feuer zu löschen. "Ach Väterchen, Väterchen schadet nichts", sprach der Anführer. Da nahm er ein Büschel Stroh und zündete das Seil an. Dasselbe Brannte um das Stroh, aber das Stroh selber blieb unversehrt. "Siehst du nun", sprach er, "Feuer schadet nichts." Am anderen Morgen zog die Gesellschaft ab und der Besitzer ging nun hinaus, um die Spuren ihrer Anwesenheit zu verwischen. Da hörte er aus der Ecke ein weinendes Kind. Er trat näher und fand ein zurückgelassenes kleines Mädchen. Was war zu tun? Er nahm es mit in die Wohnstube und übergab es seiner Frau. "Da bringst du mir eine schöne Bescherung", sagte diese. "Ach wir können doch das Würmchen nicht umkommen lassen; wir sind zwar Arme Weber und haben selber sieben Kinder, aber wo sieben essen, wird das achte auch nicht verhungern." Dann ging er auf die Pfarrei und meldete das Kind an. Weil man nicht wusste, ob die kleine schon das Sakrament der Taufe empfangen hatte, wurde sie bedingungsweise getauft auf den Namen Rosa. Der Pfarrer schrieb an seine Vorgesetzten und meldete den Vorfall dort an. Das Kind wuchs heran und sprang mit den anderen barfuß und mit einem Leinenrock umher, wie es damals üblich war, und aß oft genug Wickenbrot. So war es etwa acht bis zehn Jahre alt geworden. Da kam eines Tages eine prächtige Kutsche ins Dorf. Ihr entstieg ein vornehmer Herr, der sich unverweilt ins Pfarrhaus begab, um sich nach Zigeunern zurückgelassenen Kind, das neun Jahre alt sei, zu erkundigen. Der Pfarrer ließ das Kind rufen. Der Fremde das Kind als das seine an einem Muttermal. Vater Aschenbach wurde dann gerufen und der Besucher, ein ungarischer Graf, bot ihm an, mit ihm nach Ungarn zu ziehen, dort wolle er ihm ein prachtvolles Gut schenken. Aber um keinen Preis wollte Vater Aschenbach von seiner geliebten Heimat weg in die Fremde ziehen. Deshalb übergab ihm der Graf eine schöne Summe Geldes, so dass er sich vier Hufen Land kaufen und sein Haus entsprechend Umbauen konnte. - Aber auch das kleine Mädchen wollte nicht mit, sondern bei seinen Pflegeeltern bleiben Nur durch vieles Zureden war es endlich zum Mitfahren zu bewegen. Das Mädchen ist später eine bedeutende Frau geworden und hat in Eichsfeld verlebten Kinderjahre nie vergessen.

Zusatz: Mitte des 18. Jh. kam einmal zur Winterzeit in der Abendstunde ein Ritter mit Mantel und großen Kanonenstiefeln nach Wachstedt geritten und fragte nach dem Weg nach Flinsberg. Man riet ihm ab, denn im nahen Pfandberg hielten sich Wölfe auf, welche während der Nacht in der Gegend herumstreiften. Allein, er ließ sich nicht halten. Am anderen Tag fand man nur noch Knochenüberreste vom Pferd und Reiter und die Beine, welche noch in den Stiefeln steckten.