Das Wunder vom Lengenfelder Schwimmbad - Ungeahnte Rettung der Freibadsaison 2021 nach erneutem Hochwasser

Lengenfeld und sein Freibad bilden eine besondere Schicksalsgemeinschaft. Mehr denn je war dies spürbar, als am Nachmittag des 5. Juni weite Teile des oberen Friedatals infolge eines Unwetters überschwemmt wurden. Nach dem verheerenden Hochwasser vom 23. Juli 2004 war dies bereits die zweite Überflutung des touristisch so wichtigen Areals innerhalb weniger Jahre.

Nachfolgend soll der Versuch unternommen werden, die wichtigsten Entwicklungen dieses Tages zu dokumentieren. Ein Schwerpunkt der Betrachtungen liegt dabei auf den Folgen des Hochwassers für das Lengenfelder Freibad. Dieses wurde in besonderem Maße durch das erneute Extremwetterereignis in Mitleidenschaft gezogen.

Verlauf und Nachwirkungen des Hochwassers vom Samstag, dem 5. Juni 2021

Nach einem scheinbar endlosen Corona-Lockdown, der seinen Anfang im November 2019 genommen und ein weitgehendes Herunterfahren des sozialen und kulturellen Lebens zur Folge hatte, blickten viele Menschen mit Freude auf die Ankündigung, dass das Lengenfelder Freibad am Samstag, dem 19. Juni seine Pforten endlich wieder öffnen würde. Das Schwimmbad als Gradmesser einer gefühlten Normalität in Zeiten der Pandemie – so schien es.

Nachdem lange Zeit unklar war, wann und ob die neue Freibadsaison überhaupt stattfinden würde, hatten Mitarbeiter des lokalen Bauhofs bereits Ende April damit begonnen, das Schwimmbecken abzulassen, gründlich zu säubern und schließlich neu zu befüllen. Darüber hinaus wurde das gesamte Freibadgelände auf Vordermann gebracht, wozu immer wieder freiwillige Helfer mit Hand angelegt hatten, damit dem Saisonstart, der zwei Wochen später anvisiert war, nichts mehr im Wege stehen würde.

Als dann am Nachmittag des 5. Juni dunkle Wolken aufzogen, konnte noch niemand ahnen, was in den kommenden Stunden folgen würde. Gegen 17:15 Uhr setzte zunächst ein Gewitterregen ein. Anders als beim sogenannten „Jahrhunderthochwasser“ des Jahres 2004 lag das Zentrum des Unwetters diesmal augenscheinlich nicht über den Höhendörfern Effelder, Küllstedt und Struth, sondern in südöstlicher Richtung. Dieser Eindruck wird erhärtet durch Augenzeugenberichte einiger Anwohner der Schulstraße und des Oberlandes, die berichten, dass sowohl der Erbsborn als auch das Blankentalswasser kaum erhöhte Wasserstände infolge des Unwetters aufwiesen.

Vor allem über Katharinenberg entluden sich große Regenmengen, die u. a. eine zeitweise Sperrung der Bundesstraße B249 zwischen vorgenanntem Ort und Wanfried zur Folge hatten. Stellenweise war diese wichtige Verkehrsader völlig von Kies, Schlamm und Wasser überzogen, sodass an ein sicheres Passieren nicht zu denken war. Der Starkregen brachte dem Ort Katharinenberg sogar eine Erwähnung im Wetterbericht der ARD am Folgetag (6. Juni) ein. Die Regenmengen wurden hier mit schätzungsweise 80 – 100 l/m² pro Stunde angegeben, während Verantwortliche der Landgemeinde Südeichsfeld sogar von 130 l/m² sprachen.

Nachdem das Unwetter nachgelassen hatte bzw. abgezogen war, trafen die Wassermassen über den Gaiberich kommend in Hildebrandshausen ein, sodass hier entlang des Rosebaches einige Beschädigungen an Privatgebäuden zu verzeichnen waren.

Besonders schwer betroffen war auch Faulungen. Aus dem Nussgrund kommend floss das Wasser hier zunächst in den Ort, wo viele Menschen bei der Gartenarbeit oder Abendplanung überrascht wurden. Neben vollgelaufenen Kellern und Beschädigungen an Wohnhäusern brachten die Fluten zudem eine Gartenmauer zum Einsturz.

Mit einiger Verzögerung erreichten die Wassermassen schließlich über den Faulunger Bach kommend den Oberlauf der Frieda, welche kurz darauf über ihre Ufer trat und hierbei zunächst den Lengenfelder Ortsrand sowie Teile des Sägewerkes überflutete. Besonders betroffen waren in diesem Bereich die Friedafurt, ein privates Wohnhaus am Schwimmbad sowie weite Teile des Freibadgeländes einschließlich des Schwimmbeckens.  

In der Fortsetzung kam es zur Überflutung von Gärten, Grundstücken, Kellern und Wohnhäusern im Mühlweg sowie am Ortsausgang Richtung Hildebrandshausen unweit der „Bildhannsbricken“ im Unterdorf.

Anwohner des Mitteldorfes am Plan sowie der Hauptstraße kamen überwiegend mit dem Schrecken davon – auch wenn hier einige kleinere Schäden infolge des Hochwassers gemeldet wurden. Um Schlimmeres zu verhindern, versuchten Mitarbeiter des lokalen Bauhofes und weitere Helfer, mithilfe von Baggern angestautes Material (Unrat und Äste) von den Brücken im Mitteldorf fernzuhalten. Gleichzeitig waren an diesem Nachmittag die freiwilligen Feuerwehren von Lengenfeld, Faulungen, Hildebrandshausen, Diedorf, Heyerode, Struth und Eigenrieden im Einsatz, um in den betroffenen Ortschaften der Landgemeinde Südeichsfeld Hilfe zu leisten. Vor allem mussten Keller ausgepumpt werden.

Erneut zeigte sich bei diesem Hochwasser spontane Hilfsbereitschaft und Solidarität unter den Nachbarn, welche die Dorfgemeinschaft in Krisen zusammenhält. Neben kleineren Beschädigungen an Gebäuden des Ortes soll auch der Verlust von einigen Hühnern in einem Garten der Keudelsgasse zu beklagen sein, welche mit den Fluten fortgeschwemmt wurden.

Wie bereits beim Hochwasser des Jahres 2004 hatten sich v. a. im Lengenfelder Mitteldorf unzählige Einwohner und Schaulustige eingefunden, um die Auswirkungen der neuerlichen Überflutung mit eigenen Augen zu erleben. Anders als noch vor 17 Jahren schien es dieses Mal wesentlich leichter, das Ereignis zu dokumentieren, da Jung und Alt mit Smartphones ausgerüstet war, um die Wassermassen in unzähligen Fotos bzw. Videoaufnahmen festzuhalten. Wurde 2004 zumeist noch analog fotografiert, so war es am Nachmittag des 5. Juni 2021 möglich, das Erlebte über die sozialen Medien sogleich in alle Teile der Welt zu senden. Zu den fernsten Empfängern dieses Ereignisses dürfte das frühere Redaktionsmitglied Stefan Barsuhn im australischen Brisbane gehört haben. Dieser merkte sogleich an, dass der technische Fortschritt seit dem letzten Hochwasser enorm an Geschwindigkeit gewonnen habe. So wurden für die Sonderausgabe des Lengenfelder Echos zum Hochwasser des Jahres 2004 in der Redaktion noch überwiegend analoge Fotos eingereicht, die zunächst gescannt werden mussten, um sie digital weiterverarbeiten zu können. Für die aktuelle Dokumentation hingegen lag sämtliches Bildmaterial bereits in digitaler Form vor.

Unter den vielen Handyaufnahmen des aktuellen Hochwassers war es vor allem ein Clip, der besondere Aufmerksamkeit erregte und sogleich tausendfach geteilt wurde. Aufgenommen hatte die kurze Sequenz der merklich frustrierte Schwimm-Meister Othmar Predatsch. Er hatte das Freibadgelände infolge eines Anrufs, den er von besorgten Anwohnern erhalten hatte, noch während der Überflutung aufgesucht. Sich einen ersten Eindruck verschaffend, stellte Othmar Predatsch im Video resigniert fest: „Das war’s! Ich muss leider sagen … die Badsaison … ist dahin …“ Eine allzu verständliche Reaktion angesichts der verschlammten Wassermengen, welche das komplette Schwimmbecken und weite Teile der Liegewiese überflutet hatten.

Doch die Lengenfelder Einwohner und ihr Freibad bilden, wie eingangs bereits bemerkt, seit nunmehr 50 Jahren eine besondere Schicksalsgemeinschaft. Noch am darauffolgenden Tag (Sonntag, 6. Juni) kamen die Verantwortlichen von Freibadverein und Landgemeinde im Rahmen einer Krisensitzung und Lagebesprechung zusammen. Umgehend wurde nach Möglichkeiten gesucht, um die Freibadsaison 2021 noch zu retten. In sprichwörtlicher Windeseile wurde das Schwimmbecken bereits am Sonntag abgelassen und am Montag (7. Juni) sogliech mit der Säuberung begonnen.

Zum großen Arbeitseinsatz am Samstag, dem 12. Juni 2021 kamen nahezu 70 freiwillige Helfer, um das gesamte Freibadgelände wieder auf Vordermann zu bringen.

In der Zwischenzeit hatte das Schicksal des Lengenfelder Freibades auch mediale Aufmerksamkeit erreicht: Rundfunk und Fernsehen begleiteten die Nachwirkungen des Hochwassers in zahlreichen Beiträgen, in denen Schwimm-Meister Othmar Predatsch, Andreas Henning als Bürgermeister der Landgemeinde Südeichsfeld sowie der Lengenfelder Ortschaftsbürgermeister Karl-Josef Hardegen über den Fortschritt der Arbeiten berichteten. Mit vereinten Kräften gelang es schließlich, das Freibad noch vor dem ursprünglich geplanten Saisonstart, welcher für den 19. Juni angedacht war, zu eröffnen. Bereits am Donnerstag, dem 17. Juni berichtete das MDR-Fernsehen in zwei umfangreichen Beiträgen live vom Beckenrand über die gelungene Saisoneröffnung bei strahlendem Sonnenschein. Eine bessere Werbung hätte das Lengenfeld Freibad in diesen Tagen nicht bekommen können.

Die Moderatorinnen des MDR konnten in ihren Beiträgen nicht oft genug betonen, welch‘ großartige Arbeit in den zurückliegenden Tagen geleistet worden war. Auch die Wasserkosten von 4.000 Euro, welche die Neubefüllung des Schwimmbeckens veranschlagte, wurden mehrfach thematisiert.

Wer die ganze Tragik des Saisonstarts aufmerksam verfolgt hatte, war deshalb leicht geneigt, das Geschehene als „Wunder von Lengenfeld“ zu bezeichnen. Gekrönt wurde der denkwürdige Saisonstart des Lengenfelder Freibades von einem Dämmerschoppen am Abend des 26. Juni, zu dem sich bei den Klängen von „Radio Frieda“ zahlreiche Gäste versammelt hatten. Bis spät in die Nacht wurde gefeiert, die besonderen Umstände der noch jungen Saison waren allgegenwärtiges Gesprächsthema.

Auch wenn man nach dem neuerlichen Hochwasser oft vernehmen konnte, dass Lengenfeld insgesamt mit einem blauen Auge davongekommen sei, so ist dieses Extremwetterereignis noch nicht zu den Akten gelegt worden. Immer näher kommen die Einschläge, war die einhellige Meinung. Diese Einschätzung teilen indes nicht nur die politischen Verantwortungsträger. Sprach der Volksmund bis zur Jahrhundertwende noch von einem größeren Hochwasser alle 50 Jahre, so scheint diese Regel keinen Bestand mehr zu haben. Vielleicht hatte sie es nie, wie ein vergleichender Blick in die Historie Lengenfelds zeigt. Vor allem im 19. Jahrhundert wurde das obere Friedatal von mindestens zehn größeren Überschwemmungen heimgesucht, wovon Augenzeugenberichte eindringlich berichten.

Im Jahr 2017 wurde schließlich ein zwingend benötigtes Hochwasserschutzkonzept von den Anliegergemeinden des Friedatals in Auftrag gegeben, da die Ereignisse der Vergangenheit immer wieder gezeigt haben, dass der Bachlauf der Frieda zu wenig Ausweichflächen besitzt. Zudem fehlt es an einem Rückhaltebecken zwischen Lengenfeld und Kloster Zella, welches größere Wassermassen aufnehmen könnte. Ferner hat die Erfahrung gezeigt, dass die zahlreichen Brückendurchlässe zwingend vergrößert werden müssen. Wie vonseiten der Landgemeinde Südeichsfeld zu erfahren war, soll mit der Umsetzung des Hochwasserschutzes bis 2023 begonnen werden. Darüber hinaus wird über die Gründung einer Wasserwehr nachgedacht, die an die Feuerwehr angegliedert sein könnte, um künftigen Ereignissen dieser Art schneller und effizienter begegnen zu können.

So scheint es nur eine Frage der Zeit, wann sich das nächste Hochwasser unaufhaltsam seinen Weg durch die Wiesen, Felder und Ortschaften des Friedatals bahnt. Die Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes könnte hier zu einer deutlichen Verbesserung bei künftigen Ereignissen dieser Art beitragen.

Oliver Krebs (Ortschronist)
Lengenfeld unterm Stein, im Juni 2021

Nachtrag

Allen Personen, deren Aufnahmen des Hochwassers in dieser Ausgabe erschienen sind, sei an dieser Stelle für Ihre Unterstützung gedankt. Durch das umfangreiche Bildmaterial war es möglich, den Tag und seine Ereignisse auf anschauliche Weise zu dokumentieren.