Das Pfarrhaus in Lengenfeld unterm Stein (1886)

Das Pfarrhaus in Lengenfeld unterm Stein, Kreis Heiligenstadt, ist seit kurzem Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit der deutschen Bau- und Forst-Sachverständigen geworden. Das Gebäude, ein alter zweistöckiger Fachwerkbau aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts, besteht nämlich in seinen Holztheilen, also Stielen, Balken, Sparren usw. fast ausschließlich aus Buchenholz.

Bei unsern Bautechnikern bestand gegen die Verwendung von Buchenholz zu baulichen Zwecken bisher eine gewisse Abneigung, welche dessen Verbrauch sehr beschränkte und die Erträglichkeit – und damit die ganze Zukunft des deutschen Buchenwaldes – in Frage zu stellen drohte. Erst in neuerer Zeit wandte man dem vortrefflichen und dabei billigen Baustoff wieder eine erhöhte Aufmerksamkeit zu und hat durch langjährige, eingehende Versuche seine ausgezeichneten Eigenschaften bei der Benutzung zu Brückengelägen, Eisenbahnschwellen, Fußbodendielen dergl. zweifellos festgestellt.

Neuerdings wird nun die Entdeckung gemacht, dass alte Fachwerkhäuser ganz aus Buchenholz erbaut sind und daß das letztere sich dem „Zahn der Zeit“ zum Trotz vorzüglich gehalten hat. Über den Zustand des oben erwähnten Lengenfelder Pfarrhauses veröffentlicht das im preußischen Ministerium für öffentliche Arbeiten erscheinende „Centralblatt der Bauverwaltung“ vom 13. d. M. ein höchst interessantes Gutachten, das vom Landesbauinspector Wohlfarth und Forstmeister Lehr erstattet ist. Diese Sachverständige haben den Bau auf‘s eingehendste untersucht und in allen seinen jetzt nahezu drei Jahrhunderte alten Buchenholztheilen vorzüglich erhalten gefunden. Das Holz ist meist so hart, daß man kaum einen Nagel hinein treiben kann; selbst an der Wetterseite finden sich nicht einmal Spuren von Fäulniß.

Das Jahr des Baues (1619) und die Ursprungsorte des Holzes sind aus den alten Kirchen-Rechnungen urkundlich festgestellt, und zwar verdankt man diese Angaben lediglich dem glücklichen Umstande, daß beim Fällen und Anfahren der Hölzer – getrunken wurde, wofür die Kosten in den Rechnungen aufgeführt sind. Ohne den deutschen Durst der alten Fuhrleute und Holzfäller wären wir alle ohne nähere Nachricht. Übrigens vermuthet die Redaktion des genannten Fachblattes, daß sich derartige alte Buchenholzbauten namentlich in dem buchenholzreichen sächsischen, thüringischen, braunschweigischen usw. Landen noch vielfach vorfinden werden und bittet gegebenenfalls um nähere Mittheilungen, die ja dazu beitragen würden, unsere herrliche urdeutsche Buche vor dem allmählichen Verschwinden zu schützen.


Autor unbekannt
(Quelle: Heiligenstädter Zeitung [Kreis-Anzeiger] und Dingelstädter Anzeiger vom 18.02.1886)