Das Nisteln am Peterstag
Zum eichsfeldischen Brauchtum zwischen Weihnachten und Ostern gehörte früher das Nisteln am St. Peterstag (Petri Stuhlfeier, also am 22. Februar). Am Petersabend schlichen Freunde und Bekannte beiderlei Geschlechts, besonders jüngere Burschen und Mädchen, zueinander in die Häuser. In einem Säckchen oder Körbchen führten sie Häckerling oder minderwertige und ausgesonderte Hinterfruchtkörner oder auch Gesäme mit und warfen es entweder gegen die Fensterscheiben oder in den Flur und die Stube. Dabei wurde gesungen: „Nistel, Nistel, buntes Ei, wenn sie geraten, dann gebt mir zwei“ oder „Nistle, nistle mich en Ei, ist eins nit genug, gabt d’r mich zwei“.
Nisteln bedeutet nach den Gebrüdern Grimm „ein Nest machen“. Machte man nach dem Eichsfelder Volksglauben am Peterstag den Hühnern ein besonders schönes Legenest zurecht, so belohnten es die Hühner das ganze Jahr über mit einem guten Eiersegen. Bei den Dorfgenossen, bei denen man aber genistelt hatte, sicherte sich die Jugend ein Osternest mit bunten Eiern. Legten die Nistler auch größten Wert darauf, unerkannt zu bleiben, so stellten sie sich dann doch zum Abholen der Ostereier pünktlich ein.
So war das Nisteln ein gutgemeinter Brauch im Allgemeinen, er wurde aber auch vielfach als ein Schabernack ausgelegt, den man den Leuten durch Verunreinigung des Flures und der Stube mit Fruchtgesäme zufügen wollte. In solchen Fällen mussten die Jugendlichen besonders darauf achten, nicht erkannt oder erwischt zu werden. Denn dann hatten sie mit einer Dusche kalten Wassers zu rechnen, welche man ahnungsvoll schon vorher zubereitet hatte.
Der Peterstag galt von jeher auch als Lostag für das Wetter. Wie an diesem Tag das Wetter ist, so bleibt es 40 Tage. Sehnsüchtig wurde in früheren Zeiten von der Eichsfelder Schuljugend der Peterstag erwartet. Da war nicht nur schulfrei, sondern da wurde auch von den Kindern auf ihre Art „genistelt“.
Die Kinder brachten den ganzen Tag über ihren Erziehern einen Tribut, bestehend aus Fleisch, Wurst, Eiern und Speck oder auch einigen Groschen Geld. Zum Lohn dafür verwandelte sich der Schüler-Lernraum in einen Spielraum. Die Lehrer machten mit den Kindern allerlei Spiele wie Blindekuh, Plumpsack, Schinkenklopfen u. a., wobei sich die Erzieher scherzhafterweise als Spielobjekt mitbeteiligten.
In manchen Orten war es üblich, dass die Frau des Lehrers zum Peterstag für die Kinder Kuchen backte, auch wurde duftender Kaffee dazu serviert. In der Umgebung von Worbis spendierten die Lehrer den Kindern die berühmten „Worbiser Salzkrengel“ zum Kaffee. Mit Spielen auf der Straße wurde dann am Nachmittag der von den Kindern so freudig erwartete „Peters- oder Nisteltag“ zu Ende gefeiert.
Vinzenz Hoppe (1978)