Das Neujahrssingen
Es ist ein alter Brauch, dass am letzten Tag des Jahres, am Silvestermorgen, die Kinder van Haus zu Haus gehen, dort ein Liedchen singen und dafür kleine Gaben in Empfang nehmen. Ich durfte leider als Junge nur zweimal an der althergebrachten Sitte teilnehmen. Meine Mutter fasste das Singen trotz Widerspruchs meines Vaters als Bettelei auf. Aber dieses zweimalige Mitsingen steht mir noch heute in tiefster Erinnerung. Mein Vater hängte mir, wohl mehr aus Spott und Hohn, den Futterbeutel der Pferde um mit der Bemerkung: „Wann dar vull es, do derfste häim kumme!" So zog ich dann mit meinen Freunden los und bald ertönte unser Sang: „Ich bin ein kleiner König, gebt mir nicht zu wenig." Als ich dann gegen Mittag freudestrahlend heimkehrte und meinen vollen Beutel auspackte, da stand mein Vater schmunzelnd hinter mir und auch meine Mutter konnte sich eines heimlichen Lachens nicht erwehren. Was ich da alles raus kramte! Alles hatte ich eingekiept: Plätzchen, Nüsse, Äpfel, Griffel, Federn, Pfennige, ja selbst Kartoffeln und zwei Stückchen Blutwurst. Obwohl wir ja alles selbst in reichem Maße hatten, war ich auf meine eingeheimsten Sachen stolz. – Diese alte Sitte des Neujahrssingeins hat sich bis zum heutigen Tage erhalten. In den letzten Jahren gesellte sich noch das sogenannte „Dreikönigssingen" dazu. Die alten Sitten und Gebräuche zu erhalten, sie der Nachwelt zu überliefern, das ist das Bemühen aller Heimatfreunde und des Heimatbundes.
Josef Menge
(Quelle: Lengenfelder Echo)