Das Kreuz auf dem Faulunger Stein (1992)

Ein langgehegter Wunsch unseres Pfarrers Ernst Witzel (1978 bis 1992 in Lengenfeld unterm Stein), ein hohes Kreuz als sichtbares Zeichen eines starken und unerschütterlichen christlichen Glaubens der Bewohner des Friedatales im Obereichsfeld zu errichten, ist endlich in Erfüllung gegangen. So wurde in der letzten Woche des Monats Mai ein acht Meter hohes Eichenkreuz, das von der Firma Josef Busse in Lengenfeld unterm Stein gezimmert worden war, auf der Westseite des „Faulunger Steins” (450 m NN, 1900 m OSO von Lengenfeld unterm Stein) errichtet. Der Aufbau dieses Kreuzes und die Planierungsarbeiten wurden von den ABM-Kräften der Gemeinden Faulungen und Lengenfeld unterm Stein durchgeführt.

Zur Erinnerung ist an dem Kreuz eine Tafel mit folgender Inschrift angebracht:

GOTT SEI DANK
FÜR DIE
WIEDERERLANGTE
EINHEIT UND FREIHEIT
GEMEINDE FAULUNGEN
1992

Am Sonntag, dem 21. Juni 1992 war es endlich soweit! An diesem Tage des Sommeranfanges, an dem sich das Wetter mit einem herrlichen Sonnenschein am Nachmittag von der schönsten Seite zeigte, wurde dieses Eichenkreuz unter Anteilnahme sehr vieler Gläubiger aus den Dörfern des Friedatales und einer Reisegruppe aus Wesseling am Rhein von unserem Pfarrer Ernst Witzel um 14:00 Uhr eingeweiht. Die heilige Messe zur Einweihung feierten mit unserem Pfarrer die Geistlichen Pfarrer Ewald Alker (Faulungen), Pater Georg Witzel und Pfarrer Lothar Maßberg (Wesseling), ein gebürtiger Lengenfelder, der auch die Festpredigt hielt. Dieses Festhochamt wurde von der Männerschola Lengenfeld unterm Stein und den Friedataler Blasmusikern in hervorragender Weise mitgestaltet.

Mit dem Gesang des Eichsfeldliedes und der Nationalhymne wurde das feierliche Hochamt beendet.

Bei einem besonderen Bratwurstessen, das die Faulunger Jugend vorbereitet hatte, blieben anschließend noch viele Festteilnehmer in froher Runde vereint. Alle waren begeistert über den Standort dieses Gedenkkreuzes, von dem man einen wunderbaren Blick auf das gesamte Friedatal mit unserem Nationalheiligtum, dem Hülfensberg, bis hin zur Hessel in der „Eichsfeldischen Schweiz“ hat.


Walther Fuchs, 1992
(ehemaliger Ortschronist von Lengenfeld unterm Stein)



Festpredigt von Pfarrer Lothar Maßberg aus Anlass der Kreuzeinweihung
(geb.: 17.5.1931 in Lengenfeld unterm Stein,
Pfarrer in Wesseling am Rhein ab 1967)

Meine lieben Landsleute aus Lengenfeld, Faulungen, liebe Schwestern und Brüder aus Wesseling, liebe Christen!

Zu Euch darf heute aus diesem feierlichen Anlass einer sprechen, der dort unten im Tal geboren und getauft wurde, dort die Erstkommunion und Firmung empfangen und mit dreißigjähriger Verspätung am 8. Dezember 1989 die Primiz in seiner Heimatgemeinde nachholen und am 13. Mai 1990 mit 36 Klassenkameraden die Goldkommunion feiern konnte.

„Heim, wo das Kreuz vom Hügel ragt und Dir von Gottes Liebe sagt, schlägt Deine letzte Stunde, es sei auf Eichsfelds Grunde!“, so klingt unser Eichsfeldlied aus. Jeder liebt zurecht seine Heimat.

So singt auch der Rheinländer besonders nach dem letzten Weltkrieg: „Ich möcht zo Fooß nor Kölle jon!“ Ich sehe noch den Rückkehrstrom der Evakuierten, die vor den Bomben nach Mitteldeutschland geflüchtet waren und nun nach dem Krieg zu Fuß und mit Handwagen in Richtung Westen, Richtung Heimat zogen. Im Sommer 45 kam ich per Rad von Geismar. Am Hagemüllers Kopf kam mir so ein Treck entgegen, von den Russen beim Grenzübergang geschnappt und zunächst abgeführt. Der Steigung wegen war ich vom Rad abgestiegen und schob es. Einer der Iwans löste sich von der Truppe und kam auf die andere Straßenseite auf mich zu und bekundete sein Interesse an meinem Fahrrad. Ich deutete ihm, dass ich noch in das nächste Dorf müsse, dann käme ich zurück und brächte ihm das Rad. Darauf wartet er noch heute. So und ähnlich haben wir uns doch damals durchschlagen müssen, um zu überleben. Und im Grunde konnten hier alle nur so überleben.

Und heute hat gleichsam ein Rückkehrerstrom eingesetzt. Die Evakuierten von damals zieht es immer wieder mal neugierig dorthin, wo sie im Krieg Sicherheit und Heimat, wenigstens für einige Zeit, gefunden haben. Oder sie wollen einfach sehen, wo ihre Freunde, Bekannten und ihr Pfarrer zu Hause sind. Wo auch immer jemand zu Hause ist, er liebt mit Recht seine Heimat, ob an der Frieda und Werra oder am Rhein, das verbindet uns alle, die wir hier zusammengekommen sind.

Aber da ist noch viel mehr, was uns verbindet. Alles hier auf Erden ist auch ein Hinweis auf eine höhere, eine größere Wirklichkeit. Wenn wir so mit liebevollem Herzen von der Heimat sprechen, dann sollten wir auch verstehen, dass es eine ewige Heimat gibt. Darüber sollten wir uns ganz besonders freuen. Alle Heimat hier auf Erden ist letztendlich ein Hinweis auf die ewige Heimat, zu der wir alle unterwegs sind. Wie sagt doch der Dichter von diesem Heimweh: „Wie eine leise Glocke klingt die Sehnsucht in mir an, weiß nicht, woher, wohin sie singt, weil ich nicht lauschen kann. […] Sie ist ein Ton von dorten her, wo alles Feier ist. Ich wollte, dass ich dorten wär, wo man den Lärm vergisst.“

Was ist denn hier auf Erden Heimat? Heimat ist dort, wo das Vaterhaus steht, und wo wir unsere Muttersprache gelernt haben, ist also die Umgebung, in der wir uns von Anfang an geborgen wissen, wo wir Menschen wissen, auf die wir uns verlassen können. Menschen, die uns spüren lassen, dass sie für uns da sind, und die uns lehren, dass auch wir für sie und für andere da sein sollen. Heimat haben und heimisch sein, heißt, füreinander da sein.

Der Apostel Paulus fordert uns auf: „Suchet, was droben ist, wo Christus zur Rechten des Vaters sitzt.“ Dort ist unsere ewige, bleibende Heimat, die uns keiner mehr nehmen kann, aus der uns niemand mehr vertreiben kann. Und der Weg dorthin, das ist Jesus Christus und der Schlüssel für die Tür zum Vaterhaus, das ist das Kreuz. Das Kreuz entsteht dadurch, dass die Waagerechte, die Horizontale von oben durchschnitten wird durch die Senkrechte, die Vertikale. Im Kreuz treffen sich menschliches Denken und göttliches Handeln, im Kreuz trifft sich schon hier auf Erden das Heimweh nach der irdischen Heimat mit der Sehnsucht nach der ewigen Heimat. Im Kreuz bekennen wir, dass wir noch als Pilger unterwegs sind, und dass wir um unser Ziel wissen. Wir wissen, wo wir herkommen, wir wissen aber auch, wohin der Weg führt. Jedes Kreuz will uns an unser ewiges Ziel erinnern. Deshalb kann es nicht genügend dieser Zeichen geben. Es gibt wohl keine Landschaft in unserem Deutschland, in der es so viele Klusen, Grotten und Wegkreuze gibt wie auf unserem Eichsfeld. Wie schon anfangs von mir betont, singen wir mit Recht: „Dort, wo das Kreuz vom Hügel ragt und Dir von Gottes Liebe sagt!“

Ein Kreuz kann noch so groß oder so klein sein, man erkennt es an seiner Mitte. Im Mittelpunkt laufen alle Linien des Kreuzes zusammen. Auf die Mitte also kommt es an.

Hier, irgendwo ganz in der Nähe, so hat man ausgerechnet, ist die geographische Mitte unseres wiedervereinigten Vaterlandes. Wir wissen um den Werbespruch: Thüringen, das grüne Herz Deutschlands. Es ist schon fast eine Verpflichtung und ein Geschenk, dass hier in der Mitte unseres Vaterlandes, wo alle geographischen Linien sich treffen und kreuzen, das Kreuz Jesu Christi fast von jedem Hügel ragt, als Wegweiser zur ewigen Heimat. Wegweiser für uns und für alle, die hier aufkreuzen, hier, wo noch der Herrgott gilt, und nicht nur, was den Magen stillt, wo felsenfester Glaube die Blicke hebt vom Staube.

Wir Eichsfelder sind immer gut gefahren, wenn wir uns im Glauben an das Kreuz gehalten haben. Nach der Art der Eichsfelder zu leben, heimattreu und glaubenstreu, oder Glaube, Sitte und Heimat, das ist wie ein Volltreffer, das ist wie ein Treffer ins Schwarze. Wir haben damals nichts mit den „Braunen“ im Sinn gehabt, es haben auch die „Roten“ uns und unseren Glauben nicht schlucken können, und es sollen auch alle anderen Magenbeschwerden bekommen, die an unserer katholischen Heimat und Gesinnung knabbern wollen.

So möge auch diese Kreuz, das wir heute einweihen, das nun vom Faulunger Stein ins Friedatal blickt, uns alle mahnen und trösten, und ermutigen und im Glauben festigen. Er, Christus der Gekreuzigte und Auferstandene, er möge uns stärken in der Treue zu ihm und seiner Kirche. Und er möge uns segnen, uns und unsere Heimat, die in der Mitte liegt von unserem geliebten deutschen Vaterland.

Amen!


Pfarrer Lothar Maßberg