Das Amt Bischofstein (veröffentlicht 1921)

Zum Amt Bischofstein gehörten früher 32 eichsfeldische Dörfer, jetzt existieren davon noch 20, 12 sind untergegangen. In der Urkunde von 1318 heißt es: "Isti sunt redditus pertinentes ad castrum Steyn: Vryde, Gronebich, Geysmara, Bortdorff, Lengeveld, Swopveld, Wyldebeche, Oberwyldebeche, Unterwyldebeche" usw.

Früher gehörte die Burg dem Landgrafen von Thüringen, wurde dann von diesem im Jahre 1294 bzw. 1298 für 200 Mark an den Erzbischof von Mainz verkauft und zu dem bisherigen kurmainzischen Eichsfeld hinzugeschlagen, ungefähr zur selben Zeit wie Amt Haarburg, Rusteberg, Hanstein, Duderstadt. Anfangs hieß die Burg nur der „Steyn“, seit 1426 aber wurde der Name Bischofstein gebräuchlich. 1583 kam das strittige Döringsdorf endgültig zum Amt Bischofstein hinzu, nachdem die endlosen Fehden mit dem Kurfürsten bzw. Landgrafen von Hessen beigelegt waren. Später kam auch das Nachbaramt Greifenstein hinzu, d. h. es wurde durch Personalunion mit unserem Amt verbunden, auf dem Bischofstein wohnten die Beamten. Die Burg hatte ursprünglich hoch oben auf dem Berg trotzig geragt, eine gewaltige alte Linde steht jetzt da, auch sind noch spärliche Mauerreste vorhanden und der Wallgraben. 1747 wurde das jetzige Amtshaus von Grund auf neu errichtet im anmutigen französischen Barock. Am 4. August 1802 wurde das Amt von Preußen okkupiert, der preußische Adler unter dem Schutze eines Militäraufgebotes über dem alten, trauten Mainzer Rade befestigt, die Kasse mit 6117 Talern beschlagnahmt. Zur Zeit der Okkupation mussten von allen Amtsdörfern jährlich 10900 Taler an das Amt gesteuert werden, alle Ausgaben betrugen 2129 Taler, sodass ein schöner Überschuss von 8772 Talern erzielt wurde.

Die Behörde des Amtes Bischofstein setzte sich in der alten kurmainzischen Zeit zusammen:

1. aus dem Amtsvogt,

2. aus dem Amtsrichter,

3. Amtsaktuar,

4. Amtsschreiber,

5. Amtspedell.

Es hausten also nicht Ritter hier, wie auf dem Hanstein, sondern nur Beamte des Kurfürsten. Der letzte Amtsvogt hieß Kellner, ein braver, tüchtiger Mann, der allgemein beliebt war; der letzte Amtsrichter war Löffler aus Großbartloff, der letzte Amtsschreiber hieß Hildebrand (weswegen noch heute die Familie Hildebrand in Lengenfeld „Amtsschriebers“ genannt wird), der letzte Amtspedell Grundmann. Letzterer wurde in der französischen Fremdherrschaft 1806—1815 Kantonsmaire des Kanton Bartloff.

Von den früheren Amtsvögten sei aus den religiösen Wirren der Reformation genannt der Vogt Philipp Falk, der als einer der ersten abfiel vom alten katholischen Glauben, durch seinen Einfluss die protestantische Neuerung arg begünstigte und 1580 landesherrlicher Verordnung trotzend der Fronleichnamsprozession und jeglichem kirchlichen Leben sich fernhielt, auch dann noch, als das katholische Leben wieder neu erwachte, ähnlich wie sein Amtskollege Klaus Wagner auf Greifenstein.

Die Amtsvögte hatten übrigens eine ziemliche Machtbefugnis. In ihren Händen lag die Polizeigewalt, die Revision der Gemeinde, und der Kirchen-Rechnungen, vor allem aber die Gerichtsbarkeit und zwar die niedere; die hochnotpeinliche Gerichtsbarkeit oblag der höheren Instanz zu Heiligenstadt. Auf dem Bischofstein war nur das mildere Gefängnis, das strengere war auf Schloss Gleichenstein. Diesen Kerker schildert 1581 Statthalter Leopold von Stralendorf: „Es war ein guter Turm, so inwendigst ziemlich Raum und Luft, darin die Gefangenen von oben herab durch ein Loch mit einem Seil niedergelaffen wurden und allen Willens ledig und los, stehen, liegen, sitzen und rücken mögen.“ Es war noch ein Eldorado gegen den Rustebergturm, wo sie „in Stock und beschwerliche Fesseln“ gelegt wurden.

Bei geringen Vergehen wurden die Delinquenten von dem Ortsschultheiß und Schöppen zu fühlbaren Strafen verurteilt, in den einzelnen Dörfern selbst. Es wurden die Delinquenten mit ihrer gestohlenen Sache von dem Nachtwächter durch die Dorfstraße geführt oder zur allgemeinen Schau an den Ring vor der Gemeindeschänke angelegt und so wirklich „an den Pranger“ gestellt. Dies geschah noch bis 1847 in Großbartloff.

Bei größeren Vergehen wurde jedoch, wie bereits bemerkt, das Gericht abgehalten von den Beamten des Bischofsteins. Die Gerichtsstätte wechselte. Manchmal wurde am Amtssitz gerichtet, aber nicht auf der Burg selbst, sondern am Fuße des Bischofsteiner Berges in einer Umfriedung, die „Statt zum Stein“ genannt wurde. Aus dieser Bezeichnung haben früher manche irrtümlich eine Stadt oder eine größere Ortschaft im Tale unter dem Bischofstein vermutet.

Öfter aber, besonders in der ältesten Zeit, fand das Gericht des Amtsvogtes in dem Nachbardorf Großbartloff statt. Gerade die Ortschaften, deren Kirchenpatron St. Petrus war, erfreuten sich größeren Ansehens und waren u. a. meistens ausgezeichnet durch die Gerichtsstätte, wie Wiesenfeld, Helmsdorf, Rustenfelde. Von Großbartloff speziell heißt es im Saalbuch (1577 – 1677) von dem Dorf Effelder: „Über die Bischofsteiner Länderei am Ulmenstein (jetzt „Uhlenstein“) hat der Kurfürst einen eigenen Schulzen in Effeldra. Die Leute (d. h. die Besitzer der Grundstücke am Ulmenstein), müssen sich alljährlich zum Hochgericht in Bartloff einfinden ... In Struth hat das Amt Bischofstein Länderei am Steinerwald; die Mannschaft müssen an das Hohe Gericht zu Bartloff gehen (Blatt 251/252). So musste auch 1600/1618 „der Kurfürstliche Mann Valten Börner zu Dopfern (der ein dienstfreies Gut vom Kurfürsten nämlich in Großtöpfer hatte) nach Bartloff zum hohen Gericht“ (Saalbuch p. 552).

Weil in Großbartloff das Gericht abgehalten wurde, deswegen wohnte auch der Amtsrichter nicht selten direkt in diesem Dorf und nicht auf dem Amtsschloss. So wohnte die berühmte Richterfamilie Löffler ein ganzes Jahrhundert hier, bis zur preußischen Okkupation 1802, ja noch bis 1812, denn auch in der westfälischen Zeit wurde noch hier in einem von der Gemeinde gestellten Lokale oder unter den großen Linden vor dem Dorfe Gerichtstag abgehalten, wie der Schulze (Maire) Linse 1812 berichtet. Der berühmteste Richter der Familie Löffler war praetor und iudex Christophorus Löffler, notarius publicus in Bischofstein et Greifenstein, er förderte 1740 ungemein den Kirchenbau Großbartloffs, starb 1742, hinterließ 8 Söhne, von denen einer Abt und Prälat in Reifenstein, einer Benediktinerpater in Gerode, einer Jesuit und Professor in Heiligenstadt, einer notarius, einer iudex, einer Aktuarius, einer Chirurg wurde.

Jetzt fristet der einst so bedeutende Amtssitz Bischofstein ein recht bescheidenes Dasein, kein Bischof und kein Ritter und kein Amtsvogt und Richter schaltet in seinen weiten Hallen, sondern nur das mehr oder weniger wissenschaftliche Stöhnen und Ringen lernbegieriger Jünglinge aus fremden Gauen und Ländern in einer modernen Studienanstalt. Auch der liebevolle Zauberstab des sagenumwobenen Schauspiels „Der letzte Bischofsteiner“ wird das schlafende Schneewittchen leider nicht zu neuer Herrlichkeit erwecken.

Nikolaus Görich
(Quelle: Unser Eichsfeld, XVI. Jahrgang, 1. u. 2. Vierteljahresheft, 1921, S. 7 – 9)