Bisher höchste Investition: Schule – Ein Lengenfelder Reportage und zugleich Zeitbild aus dem Wende-Jahr 1989

TT-Besuch in Lengenfeld unterm Stein
Auf viele Ergebnisse kluger Kommunalpolitik kann Bürgermeister Augustin Dienemann verweisen – Bürger und Betriebe halfen mit

Käthe Kollwitz, die im Juli 1932 zu Gast bei ihrer Freundin, der Schriftstellerin Beate Bonus-Jeep, auf Schloß Bischofstein in Lengenfeld/Stein weilte, würde heute nicht nur den alten, umfassend restaurierten Herrensitz, sondern auch das Dorf nicht mehr wiedererkennen. Zwar bestimmen noch wie damals Viadukt und Marienkirche das Ortsbild. Aber sonst hat sich doch vieles im Ort an der Frieda verändert. 40 Jahre DDR haben Menschen und Antlitz der Gemeinde geprägt. Rund 35 Millionen Mark wurden in dieser Zeit aus dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt, um Straßen und Gehwege, Schule, Kindergarten, Brücken und Versorgungseinrichtungen zu bauen. Vieles von dem, was das Leben der jetzt 1594 Einwohner verbesserte, entstand in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode. Wer könnte dies besser einschätzen als Bürgermeister Augustin Dienemann, dem dieser Tage unser Besuch galt.

Gern nehmen wir die Einladung des Bürgermeisters zu einem Rundgang durch das Dorf an. Mit dem Titel „Schönste Gemeinde des Kreises Mühlhausen“ war Lengenfeld unterm Stein 1988 ausgezeichnet worden. Unschwer lässt sich erkennen, dass die Lengenfelder zu Recht diese Auszeichnung erhielten, auch wenn es noch Ecken im Ort gibt, die, wie Augustin Dienemann meint, noch in Ordnung gebracht werden müssen. Aber alles in allem ist es doch ein Dorf zum Vorzeigen. Das bestätigen immer wieder die Besucher der FDGB-Bezirksschule Bischofstein.

„Unsere Einwohner haben im vergangenen Jahr im Wettbewerb der Nationaler Front wirklich tüchtig zugelangt, viele Stunden ihrer Freizeit geopfert für ihr Dorf. Auf über zwei Millionen Mark beliefen sich immerhin die Eigenleistungen. Dieses Objekt war eines der wichtigsten und auch kraftaufwendigsten Vorhaben“, versichert Augustin Dienemann und zeigt uns die 1988 fertiggestellte Bäckerei. Auch Saalanbau und Kindergarten wurden realisiert. Drei von der örtlichen Volksvertretung in dieser Legislaturperiode beschlossene, mit Bürgerfleiß: und Hilfe der örtlichen Betriebe verwirklichte Maßnahmen.

Was kluge Kommunalpolitik seit 1984 dem Dorf brachte, können wir im wahrsten Sinne bei unserem Rundgang unter den Füßen fühlen: Mit einem Kostenaufwand von 160.000 Mark wurde die Schulstraße erneuert, dann 1,5 km Gehwege geschaffen, 130.000 Mark für den Brückenbau Bahnhofstraße – Heide eingesetzt. Der Lengenfelder „Schulze“ erzählt vom Fleiß der vielen Anlieger, die hierbei mit zupackten, nennt Namen von Männern, die immer zur Stelle waren.


Stolze Bilanz zwischen zwei Kommunalwahlen
Un­ser Weg führt weiter zur neuen Schule, ein Dreigeschosser. Jetzt herrscht hier Stille. Es ist Ferienzeit „Im September 1985 wurde die Schu­le mit Turnhalle und Heizhaus über­geben für die rund 350 Kinder aus unserem Dorf und den Nachbarge­meinden Hildebrandshausen und Faulungen. Danach konnten wir im alten Schulgebäude den Hort einrich­ten“, berichtet Augustin Dienemann.

Unserem Staat seien Schulneubau und damit die deutlich verbesserten Bedingungen zur Unterrichtung der Kinder 5,8 Millionen Mark wert ge­wesen. Solch eine hohe Investition „auf einen Schlag“ habe es zu keiner Zeit vorher in der Geschichte Lengenfelds gegeben. Für diese Wahlpe­riode nimmt sich die Schule natür­lich als größter „Posten“ aus. Aber mit nicht weniger Stolz verweist der Bürgermeister auf die Rekonstruktion der FDGB-Bezirksschule „Käthe Kollwitz“, die bei der Schule entstandene Buswendeschleife, den Bau der neuen Poststelle, die Kanalisierungsarbeiten am unteren Kirchberg und in der Pfarrgasse, die Wert­erhaltungen am Schwimmbad und die neuen Stallanlagen der LPG (T).

Inzwischen sind wir am Ortsaus­gang in Richtung Geismar angelangt, am Heinzrain. Hier entstand 1985 ein 24-WE-Block. Hinzu kamen in die­ser Wahlperiode noch 20 Eigenhei­me und über 4,4 Millionen Mark, die die Bürger an Eigenleistungen in der Wohnungswerterhaltung aufwand­ten. Dennoch haben die Lengenfelder in puncto Wohnungen noch Proble­me. Vier Eigenheime werden zwar 1989 begonnen und vier fertiggestellt; es reicht aber noch nicht. Die Ge­meinde habe jedoch eine klare Kon­zeption – so Augustin Dienemann, dass auch in Lengenfeld unterm Stein bis 1990 das Wohnungsproblem als soziale Frage gelöst ist. Und damit ist un­ser Gesprächspartner auch gleich bei den Plänen, die er noch hat: Neubau der Kinderkrippe mit 60 Plätzen und Schaffung eines ländlichen Einkaufs­zentrums. Zuvor aber, im Jubiläums­jahr unserer Republik, geht es erst einmal um die Weiterführung des Gehwegbaus im Oberdorf, Arbeiten am Schwimmbad, die Schaffung von Umkleidekabinen am Sportplatz unter Regie der von Walter Schröder geleiteten BSG und die Errichtung eines Abenteuerspielplatzes für die Kinder. Einige andere Vorhaben, sämtlich basierend auf Verpflichtungen der Bürger, Parteien und Massenorganisationen im Ort, zählt Augustin Dienemann noch auf. Unter dem Strich sollen bis zum Jahresende mindestens Eigenleistungen von zwei Millionen Mark in der Bürgerinitiative „Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach mit!“ zusammenkommen.

Anspruchsvolle Ziele also. Nun, schließlich möchte Lengenfeld unterm Stein in diesem Jahr das Prädikat „Schönstes Dorf“ erfolgreich verteidigen. Leicht wird dies gewiss nicht. Denn die Konkurrenz aus den anderen Gemeinden des Kreises Mühlhausen ist stark. Aber bislang waren die Lengenfelder immer für eine Überraschung im Wettbewerb „Mach mit!“ gut. Und bei den Wahlgesprächen der kommenden Tage und Wochen wird in diesem Eichsfelddorf gewiss noch so manche neue Verpflichtung in den 32 Wirkungsbereichen geboren.

Autor: E. Beck
(Quelle: Thüringer Tageblatt - Nr. 45 – vom 22. Februar 1989)


Lengenfelder Besonderheiten
Mit dem über das Dorf führenden Viadukt, über den seit über 100 Jahren die Eisenbahn rollt, hat Lengenfeld unterm Stein ein für das Eichsfeld einzigartiges technisches Bauwerk.

In viele Länder exportiert werden die in diesem Dorf in einer modernen Produktionsstätte hergestellten „biggi“-Puppen.

Über 100 Kreuzwege hat der in Lengenfeld unterm Stein beheimatete Kirchenmaler Josef Richwien geschaffen. Die Werkstatt des heute 77-jährigen Künstlers wird von Sohn Peter-Raphael, Kirchenmaler und Restaurator, weitergeführt.

In der 3. Generation leitet Buchbindermeister Erhard Hardegen die vom Vater übernommene und vor 79 Jahren vom Großvater gegründete Buchbinderei.

Die Bezirksschule des FDGB ist im Schloss Bischofstein untergebracht.


Bildunterschrift 1:
Augustin Dienemann, seit 1981 Bürgermeister in der Eichsfeldgemeinde Lengenfeld unterm Stein im Kreis Mühlhausen. Von seiner Partei, der SED, wurde der 49-Jährige wieder als Kandidat für die am 7. Mai neu zu wählende Gemeindevertretung vorgeschlagen. Bürgermeister Dienemann kennt sein Dorf von klein auf, denn hier ist er geboren und fühlt er sich zu Hause. Unter seiner Amtszeit hat sich die Gemeinde gut entwickelt. Augustin Dienemann ist seinem Dorf nicht nur ein vertrauenswürdiger Kommunalpolitiker, sondern auch ein umsichtiger Bauherr. Seine Erfahrungen als ehemaliger Brigadier im Baufach, u. a. in Berlin, kamen und kommen Lengenfeld unterm Stein, wie man allenthalben sehen kann, sehr zugute. Foto: TT/Beck

Bildunterschrift 2:
Blick auf Lengenfeld unterm Stein mit der katholischen Dorfkirche im Zentrum. Siedlungsgeschichtlich ein Haufendorf (Dr. Müller), wurde das Dorf im Jahre 1292 urkundlich erwähnt.