Anton Fick: Die weiße Trauerfarbe (1958)
Die
weiße Trauerfarbe
Von A. Fick
Im Selbstverlag (20b) Duderstadt Marktstr. 80
I n h a l t s v e r z e i c h n i s
Die weiße Trauerfarbe 1
Sichel und Sense 7
Ein alter Gewittersegen 13
Volkstümliche Familiennamen 13
Volkstümliche Redensarten 15
Spezialitäten der alten Lengenfelder Küche 17
Lengenfelder Flurnamen 20
Hansmertens Kramladen 21
Leute aus dem alten Lengenfeld 22
Der Spuk im Zellschen Grunde 25
Nachträge 26
Gedruckt 1958 in der Josefs - Druckerei, Bigge
Nachdruck ohne Genehmigung des Verfassers verboten.
Die
weiße Trauerfarbe
Von A. Fick
Im Selbstverlag (20b) Duderstadt, Marktstr. 80
V O R W O R T
Ein paar kurze Notizen über die weiße Trauerfarbe und über die Erntesichel in einigen Dörfern des Südeichsfeldes wuchsen durch vergleichende Abgaben aus anderen Gegenden und Ländern nach und nach zu einer kleinen Stoffsammlung an, die es zweckmäßig erscheinen ließ, die ursprünglich als Fußnoten und Anmerkungen gedachten Beispiele mit ihren dazu gehörenden Textstellen zu den beiden Artikeln zusammenzufassen, mit denen diese Schrift beginnt.
Den Herren Dr. Boegehold und Reimann, Duderstadt, Schmolke in Hausneindorf, Rummel und Heinrich Richwien in Lengenfeld u. Stein, die meine Arbeit durch wertvolle Hinweise förderten, sowie meinem Bruder, dem ich die Schilderungen aus Alt-Lengenfeld verdanke, sei an dieser Stelle gebührend gedankt.
Duderstadt, um die Jahreswende 1957/58
Der Verfasser
Die weiße Trauerfarbe
Einleitend seien Bemerkungen allgemeiner Art über die weiße Trauerfarbe wiedergegeben, wie sie von einigen Forschern geäußert wurden. Die eigentliche Abhandlung versucht, einen Überblick über die Verbreitung der weißen Trauerfarbe zu geben.
M e y e r s L e x i k o n , Leipzig 1929: „Weiß war ehemals die Trauerfarbe in Deutschland.“
H a n s M ü l l e r - B r a u e l , H e i m a t k u n d e d e s R e g. - B e z. S t a d e (vor 1914 erschienen): „Weiß war eben die altgermanische Trauerfarbe; hier hat das Volksbewußtsein diese bis in unsere Zeiten hinüber gerettet, und erst neuerdings ist als Modefarbe die schwarze Totenfarbe eingezogen.“
R o c h o l z begründet in „Glaube und Brauchtum“, daß Weiß die alte deutsche Trauerfarbe sei.
Dr. W i l h e l m P e ß l e r im Handbuch der Volkskunde, Akademische Verlagsgesellschaft Athenaison, Potsdam, 2. Bd. S. 192: „Die Trauerfarben waren schwarz und weiß. In der Regel ist da, wo die weiße Farbe auftritt, diese mit der schwarzen kombiniert, indem die eine als Überhang. Überwurf oder als Haube, die andere mehr oder minder als verhülltes Kleid auftritt. Auch unterscheiden sich die Beerdigungskleidungen oft von der gewöhnlichen Trauertracht.“
O t t o L a u f e r nimmt an, daß die vielfach angenommene Symbolbedeutung der weißen Farbe als Trauerfarbe irrig sei. Die Frauen glaubte man am meisten bedroht, von dem Toten nachgezogen oder sonst wie von seiner Seite geschädigt zu werden. Als Schutzmittel hiergegen galt, sich möglichst unkenntlich zu machen. Das wurde durch Verhüllung erreicht. Man verhüllte nicht nur den Kopf bis auf Augen und Nase, sondern womöglich auch den ganzen Oberkörper. Das geschah wirkungsvoll durch einen Umhang in Form des sogenannten Trauerlakens. Nahm man nun hierzu Leinen, dann war dieses natürlich weiß. Den gleichen Standpunkt nimmt W. E. P e u c k e r t ein (Volkskunde, . . . Francke, Bern, 1951, S. 309; Peuckert, Farbensymbolik im deutschen Volksbrauch, 1948).
Auf dem E i c h s f e l d e trugen bei Beerdigungen die Frauen zu dem schwarzen Kleide ein weißes Tuch, das sogenannte Trauerlaken, das rechteckig gefalten, bei unbedecktem Kopfe wie ein Schaltuch über die Schultern gehangen wurde und bis unter die Knie reichte. Die nächsten Leidtragenden die hinter dem Sarge gingen, trugen außerdem noch ein weißes Tuch über dem Kopf haubenartig nach vorne gezogen, wie etwa die Erntearbeiterinnen ihr Kopftuch. Bauers -
Frauen trugen Damastleinentücher, in die Darstellungen aus der biblischen Geschichte eingewebt waren. Es gab auch einfachere Tücher aus grobem Leinen, „Trelch“ ( = Drillich) genannt (mit und ohne Fransen). (Wüstefeld, Eichsf. Volkskunde.) Anfangs der 1870 er Jahre, also nach dem Deutsch - französischen Kriege, kam in Lengenfeld der Brauch ab. Im Nachbardorfe Effelder hielt er sich etwa 10 Jahre länger 1 ).
Im R i n g g a u ( R e n d a , N e t r a ) trug man zu schwarzem Rock, schwarzer Jacke, Schürze und schwarzem Tuchmantel und ebensolcher Betzel - einen langen, bis in die Knie reichenden weißen Mull - oder Nesselschleier, (Luise Gerbing, Schnepfenthal, Die Thüringer Trachten, S. 87).
In N i e d e r g e b r a trugen die Weibsleute, welche dem Sarge folgten, weiße Tücher und Schürzen. (Ebenda) Im oberen I l m g e b i e t war das weiße Kirchentuch bis in die 1860 er Jahre im Gebrauch (Ebenda, S. 112), in M e u s e l B a c h bis in die 1870 er Jahre (S. 113).
Im Al t e n b u r g e r O s t k r e i s gehörte zur Trauerkleidung der Frauen der weiße Kopfschmuck, ein Schleier aus durchsichtigem Musselin, der über die Haube gezogen wurde; ein Teil des Schleiers hing in Rüschen über den Ärmelhals des Mantels herunter; der andere Teil, das Vorgebinde, wurde nach vorn gezogen und verbarg Ohren, Mund und Kinn wie im Rücken Haare und Nacken. (Ebenda S. 127). Im Kreise E s c h w e g e trugen ältere Frauen zu dem schwarzen Kleide, über der Betzel einen weißen Schleier, der haubenartig weit nach vorn, das Gesicht überschirmte. Über den Hinterkopf wurde ein weißes Leinentuch gelegt, das über den Rücken hinab fiel (Carl Heßler, Hessischer Landes - und Volkskunde, II. Tl. 1904, Marburg, Elwert). Im S c h m a l k a l d e n e r L a n d kamen 1904 bei Beerdigungen noch vereinzelt weiße Hauben vor (C. Heßler, . . . Volkskunde, II. Bd.).
N i e d e r h e s s e n. - „Ältere Frauen tragen zur schwarzen Kleidung kleine glatte Hauben mit weißer Obermütze oder Ziehbetzel aus Battist, die mit einem Florläppchen oder einem Sammelkäppchen oder Tuchkäppchen bedeckt wird. In I b a tragen die Frauen den sogenannten Trauerlappen aus weißem Leinen, der über den Kopf getan, nach vorn haubenartig überragt und im Rücken bis zu den Unterschenkeln hinabreicht“ (Heßler, Hess. Volksk., II. Tl. 1904, S. 74). K i n z i g t a l (Gegend von G e l n h a u s e n ). - „Bei feierlichen Gelegenheiten, Beerdigungen, wird über die Kopfbedeckung der Frauen die Kappe, noch ein blendend weißes Tuch in Gestalt eines Dreiecks gelegt und unter dem Kinn zusammengebunden, eine Ausschmückung, die von der übrigen schwarzen Bekleidung grell absticht“ (C. Heßler, Hessische Volksk. 1904). M a r b u r g. - In der 2 Hälfte des 16.
_____________
1 Mündlich v. Heinr. Riese, Herrengasse, geb. 1864.
Jahrhunderts wurde von den Frauen zum schwarzen Kleide eine weiße Haube mit langer weißer Binde getragen (Friedrich Hottenroth, Deutsche Volkstrachten, 2. Bd. ). In B i e d e n k o p f trugen um diese Zeit die Frauen ein weißes Mäntelchen zum schwarzen Kleide (Fr. Hottenroth, Deutsche Volkstrachten . . ., Bd. 3). Für die Zeit um 1900 heißt es über die Trauertracht im Kreise Biedenkopf: „Als bessere Trauertracht gelten bei Frauen und Mädchen . . . jedoch weiße „Stülpche“ ( = Mützen). - (Kölnische Volkszeitung, Nr. 154/1899). In N a s s a u kam die weiße Trauerbekleidung 1788 ab (zeitschr.- Bibliographie, Bd. 32, 1913, S. 280).
In der Umgegend von Köln trugen die Frauen in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts ein weißes Tuch, das Kopf und Hals verhüllte, zum schwarzen Kleide (Fr. Hottenroth, Deutsche Volkstrachten vom 16. Jahrhundert an bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, Frankfurt, M. Heinrich Keller, 1898, II. Bd.). Am O b e r r h e i n , in B a s e l und in S t r a ß b u r g war die Trauerfarbe der Frauen in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts schwarz und weiß (Fr. Hottenroth, Handbuch der deutschen Tracht, C. Weise, Stuttgart 1896, S. 750). Um 1600 war die Trauerbekleidung der Frauen in Straßburg ganz weiß. Auch Kopf und Gesicht wurden weiß verhüllt; nur Augen und Nase waren frei. Um das untere Gesicht wurde die Stürze, auch Vorgebinde genannt, ein Leinenstück von verschiedener Breite, gewunden. Die Männer trugen schwarze Mäntel, zu denen die nächsten Anverwandten des Toten noch eine lange weiße Binde gesellten, die sie einfach so um Hals und Kinn legten, daß sie mit beiden Enden vorn und hinten herabhing. Jedoch scheint sie schon um 1600 veraltet gewesen zu sein und nur noch vom niederen Volke getragen worden zu sein.
In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden in S t r a ß b u r g zu einem blaugrauen Kleide eine weiße Flügelhaube, weißes Kopftuch und ein weißer Einsatz als Bruststück getragen, dazu ein langer schmaler, um Kinn und Hals gewickelter Leinenstreifen als eigentliches Trauerzeichen. (Fr. Hottenroth, Deutsche Volkstrachten vom 16. Jahrhundert an bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, Bd. I, Süd - und Südwestdeutschland. Frankfurt, M. Heinr. Keller, 1898, S. 59). Am Ende des 17. und in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts war am O b e r r h e i n die ganze Trauerbekleidung der Frauen weiß. Außerdem banden sie sich ein Stück weißer Leinwand um Mund, Kinn und Hals herum. Diese Leinwand, Stürze genannt, war so breit wie der ganze Körper und so lang, daß man sie unten einschlagen und die Hände darin verbergen konnte, „wie wenn man sie in Säcken hätte“. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war solch eine Kleidung nur noch bei den Begräbnisse adeliger Toten zu sehen ( Fr. Hottenroth, Handbuch, Weise, Stuttgart, 1898, S. 750).
In U l m wurde im 17. und in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts von den Frauen das Vorgebinde getragen, ein weißes Band, welches den
unteren Gesichtsteil umschloß und über dem Kinn eine kleine Schneppe machte. Ein ähnliches Band galt schon im 14. Jahrhundert als Zeichen der Witwenwirtschaft (Fr. Hottenroth, Handbuch, 1896). Wenn in U l m in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Dienstmagd eine Leiche ansagte, trug sie eine weiße Haube und ein weißes Brusttuch; nur Augen und Nase waren frei, dazu ein dunkel blaugraues Kleid (Fr. Hottenroth, Deutsche Volkstrachten, I. Tl. 1898). In A u g s b u r g trugen die Frauen in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts eine weiße Haube; der Mund war mit einem weißen Tuch bedeckt (Hans Weigel, Trachtenbuch, . . . Nürnberg 1577). Nach Jakob Koppmayr „Augsburgische sowohl Kirchen Zeremonien . . . in Kupfer verfertigt.“ trugen in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts die Frauen einen weißen Überwurf zum schwarzen Trauerkleid. In N ö r d l i n g e n wurde um 1780 eine weiße Flügelhaube getragen. Auch der Mund war mit einem weißen Tuch bedeckt, welches so breit war und so lang herabhing, daß die gefalteten Hände damit verdeckt werden konnten (Fr. Hottenrodt, Deutsche Volkstrachten, 1. Tl. 1898). In B u r g h a u s e n a. I n n trugen die Frauen zum schwarzen Kleide ein weißes Tuch um die Schultern (Peßler, Handbuch der Volkskunde).
In L e i n e t a l e bei G ö t t i n g e n ist das weiße Trauerlaken im 19. Jahrhundert allmählich abgekommen. von Kerstlingerode wird um 1840 berichtet, daß damals noch an dem Sonntage, an dem von der Kanzel die Gedächnisworte auf den Toten gesprochen wurden, die Witwe in einem großen weißen Leinentuche in der Kirche saß. 20 Jahre später bezeugt Schambach unter dem Namen „Kerkenlaken“ ein weißes leinenes Tuch, oft nur ein Bettuch, welches die Weiber umtun, wenn sie zur Kirche gehen. Und er fügt hinzu: „Die Art der Kleidung kommt jetzt nur noch selten vor.“ Er hätte noch hinzu fügen müssen, daß es sich um leidtragende Frauen handelte (Otto Laufer, Volkskundliche Erinnerungen aus Göttingen und dem oberen Leinetale).
Im H a r z. - Bei Feierlichkeiten, z. B. Aufwartungen, oder wenn ein Hüttenmann begraben wird, tragen die Hüttenleute weiß, linnene Kittel, die aber herrschaftliche sind und ihnen jedesmal geliehen werden, ein schwarzes Schurzfell, ordentliche runde Hüte und eine brennende Pechfackel (D. Christoph Wilhelm Jakob Gatterer, Beschreibung des Harzes, 4. Tl., S. 33, Nürnberg, Verlag der Bauer - und Mannischen Buchhandlung, 1792).
M a g d e b u r g e r B ö r d e. „Das Trauerkleid, welches auch zum Abendmahl angezogen wurde, war schwarz - weiß gemustert oder einfach schwarz. Als Schultertuch wurde schwarzer Samt mit weißer Seidenstickerei und schwarzen oder weißen Seidenfransen getragen. Hin und wieder galt als Leidtuch ein dunkelblau oder dunkelgrün gesticktes Tuch“(Margot Mewes, Trachten aus der Magdeburger Börde, Natur und Heimat, Nr. 3/ 1954, S. 77).
I s e r h e i d e , Krs. M i n d e n. Die Pferde vor dem Leichenwagen trugen weiße Decken (Paul Sartor, Zur Volkskunde des Reg. Bez. Minden, Zeitschr. d. Ver. f. rhein. u. westf. Volkskunde, 4. Jahrg. 1907, S. 277). H e i m s e n, Krs. M i n d e n . Bei „öffentlichen Beerdigungen“, d. h. feierlichen Beerdigungen für bessere wohlhabende Leute, trugen die Frauen eine schwarztuchene Mütze mit weißem Strich und ein weißen Umschlagetuch ohne Spitze, sowie eine schwarze Tuchschürze.“ (Ebenda, S. 280).
L ü n e b u r g e r H e i d e. - Die Frauen im Trauergefolge verhüllten den Kopf mit dem sogenannten Notlaken (Kück, Das alte Bauernleben in der Lüneburger Heide, Leipzig 1906).
In Meyers Lexikon, Leipzig 1929 wird behauptet : „Weiß ist noch heute die Trauerfarbe in Norddeutschland.“ Das dürfte jedoch wohl für 1929 nicht mehr der Fall gewesen sein. „Auf der Insel Föhr wurde bis zum Jahre 1910 das weiße Frauenüberkleid zur schwarzen, kopfmantelartigen Surekapp getragen.“ ( Dr. W. Peßler, Handbuch d. Volkskunde, 2 Bd.). Die gleiche Feststellung trifft Dr. L. Peters. (Nach den Inseln der Abronen, Föhr und Amrum, Atlantis 7/1932, S. 395). Im G e e s t l a n d des Reg. Bez. S t a d e ruhte der Sarg auf dem Totenwagen, einem Leiterwagen, den ein Nachbar fahren mußte, auf Strohwiepen. Auf dem Sarge saßen, in weißen Trauerlaken eingehüllt oder doch mit umgesteckten weißen Trauertüchern bekleidet, die nächsten weiblichen Angehörigen des Toten (Hans Müller - Brauel, Heimatkunde des Reg. Bez. Stade (vor 1914 erschienen).
Die W e n d e n f r a u e n trugen um 1816 ein weißes Halstuch, ein großes weißes Tuch um Kopf und Schultern und einen hohen weißen, runden Hut ohne Rand, der aussah wie ein nach oben sich verbreitender Zylinder (Fr. Hottenroth, Deutsche Volkstrachten, Frankfurt, Keller). B u r g i. d. L a u s i t z . Um 1830 trugen die Frauen ein großes weißes Tuch, das über den Kopf ging und bis zur Erde reichte, über Kopf und Schultern, darunter ein weißes Kopftuch und eine weiße Halskrause. Das Kleid war schwarz. (Hottenroth, D. Volkstr. III). Auch N i e d e r s c h l e s i e n war die weiße Trauerfarbe üblich. (W. Steller, D. niederschlesischen Volkstrachten). Mit Recht lehnt der Verfasser die Vorstellung von Weiß als wendischer Trauerfarbe ab, bemerkt W. Peukert bei der Besprechung des genannten Buches.
Bei den Inselbewohnern in der Umgegend von B e r g e n in N o r w e g e n gehören zum Trauergeleite von reichen Verstorbenen bezahlte Klageweiber mit weißer Kopfbedeckung (Otto Böckel, Psychologie der Volksdichtung). S c h w e d e n um 1820: Selma Lagerlöf bei der Schilderung einer Beerdigung in ihrem Roman Gösta Berling „Die Frauen trugen weiße Schürzen mit den breiten Säumen.“ H o l l a n d oder M e c k l e n b u r g (?): Als Heinrich von Mecklenburg Prinzregent der Niederlande, gestorben war, trugen Königin
Wilhemine und ihre Tochter Juliana ein Jahr lang weiße Hoftrauer, wie es der Verstorbene in seinem Testamente gewünscht hatte. (D. Neue Blatt, Hamburg, Nr. 29 v. 19.7.1956). „Im nördlichen W e s t -
f l a n d e r n und in vereinzelten Dörfern Ostflanderns werden die Leichen aus entfernt liegenden Orten auf einem Bauernwagen mit weißer Plane (weißer Wagen) zur Kirche gebracht. Auf dem Wagen nehmen zwei, drei oder vier der nächsten Blutsverwandten Platz, meist nur Frauen (K. C. Peters, Flämisches Volkstum). In F r a n k r e i c h trauerten die Königswitwen wie die Nonnen weiß (Schweizer Lexikon, Zürich, 1948). Im Poitou und in der Vendee werfen die nächsten Nachbarn das Grab aus und tragen den Sarg. Sie sind kenntlich gemacht durch eine Schleife von weißem Band, die an der rechten Schulter befestigt wird.
In der Gegend von Mömpelgard (Montbeliard) haben die Frauen den Kopf mit einem großen weißen taschentuchartigen Gewebe aus Mousselin, Calico oder „percale“ in makellosem Weiß, „doubiet“ genannt, eingehüllt (Arnold van Gennep, Manuel de Folklore Francais Contemporain. Du Berseau a la tombe. Paris 1946, A. et J. Picard et Cie). Bei den alten Römern war die Trauerfarbe bis zur Kaiserzeit weiß (Brockhaus Koversationslexikon, Leipzig 1908). In einigen Gegenden I t a l i e n s tragen heute noch die Frauen und Mädchen weiße Kleidung, um ihren heftigen Kummer über den Tod eines Verwandten oder eines Freundes zu zeigen (D. Fortschritt, Düsseld., Nr. 40 v. 6.10.55). In B ö h m e n trugen 1830 die Frauen ein weißes Tuch, das die Brust verhüllte, ein weißes Stirnband und ein weißes Handtuch zum Umwickeln der Hände, dazu einen schwarzen Rock (Fr. Hottenroth, D. Volkstr., Frankfurt, Keller).
M a d a g a s k a r . - Bei den Sakalavenfrauen (Sakalaven - einer der Volksstämme auf der Insel ) besteht die Trauerkleidung aus weißem Stoff (Buschan, Volkskunde, 2. Bd.).
„Die Farbe der Trauer ist wie überall sonst im Osten, auch bei den Madagassen weiß.“ (Buschan, Völkerk., 2. Bd. S. 377).
C e y l o n . - „Der in weiße Tücher gehüllte Tote wird von weißgekleideten Freunden .... zum Begräbnisplatz getragen.“ (Dr. Georg Buschan, D. Sitten d. Völker, 2. Bd. S. 84).
N o r d i n d i e n . - Bei den oberen Hinduklassen ist die Trauerkleidung weiß“. (Dr. G. Buschan, Ebenda, S. 172).
In A n a m (Indochina) ist die Farbe des Todes und der Trauer weiß. „Auf einem Wagen wird die Leiche zum Scheiterhaufen befördert, begleitet von einer Musikbande, gemieteten Trauerweibern und den Angehörigen, die in Weiß gekleidet sind.“ (Dr. G. Buschan, Ebenda). Auch die S i a m e s e n tragen Weiß als Zeichen der Trauer.
„Bei den C h i n e s e n sind weiße, blaue und graue Trauerkleider üblich.“ (Brockhaus, Konversationslexikon, Leipzig 1908).
„....während in China Weiß die Trauerfarbe ist.“ (Schweizer Lexikon, Zürich 1948).
„Am Grabesrand aber sah er ein junges Weib in Trauerweiß kauern.“ (Meister Tschuang übt hohe Magie und spaltet sein Ich. - „Aus dem Chinesischen übersetzt von Dr. Franz Kuhn).“
„ In J a p a n sind beim Leichenbegräbnis eines Angehörigen der Schintoreligion die Priester, die Leichenträger und die weiblichen Leidtragenden, alle weiß gekleidet. Weiß ist die Trauerfarbe der Schintoanhänger Japans.“ (Buschan, D. Sitten d. Völker, 2. Bd. S. 47).
____________________________
Sichel und Sense
Die Sichel ist eines der ältesten Kulturwerkzeuge der Menschheit. Durch zahlreiche Bodenfunde ist erwiesen, daß sie schon in der Bronzezeit ( 2000 - 800 v. Chr. ) gebraucht wurde.
Unser Wort „Sense“ geht auf das altsächs. „segisna“ und dessen Umkehrung „segense“ zurück 1 ). Die althochdeutsche Form ist „segansa“; mittelhochdeutsche Ausdrücke sind: segense, seinse und sense 2 ).
In früheren Jahrhunderten wurde das Getreide mit der Sichel geschnitten, das Wiesengras dagegen vorzugsweise mit der Sense gehauen oder gemäht. Es bedurfte langer Zeitläufe, bis bei der Getreideernte die Sense anstelle der Sichel getreten war. In manchen Gegenden Frankreichs war die Getreidesense schon mehrere hundert Jahre im Gebrauch, ehe sie z. B. auf dem südlichen Eichsfelde Eingang fand. In Berglandschaften mit steinigem Boden und solchen mit kleinen und schmalen Ackerparzellen behielt man die Sichel zum Schneiden der Frucht, während die Bewohner der Ebene schon seit Generationen dazu die Sense benutzten. Bei den landwirtschaftlichen Geräten hatten sich eben die Formen herausgebildet und durchgesetzt, die sich bei den jeweiligen Arbeits- und Bodenverhältnissen als die zweckmäßigsten erwiesen 3 ).Exakte Angaben über diese Entwicklung fehlen. Für die alte Zeit sind wir auf die Werke von Malern und Schriftstellern angewiesen (Gemälde, Kupferstiche, Vignetten in Stundenbüchern, Bilder in Kalendern, Stellen aus der schönen Literatur, aus den sogenannten Hausvaterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts und aus Wörterbüchern). Für die neuere Zeit helfen uns außerdem Gelegenheitsfunde aus dem heimatkundlichen Schrifttum
1) Grimm, Deutsch. Wörterb., 10 Bd., 1 Abtl., S. 605. 2) Kluge, Etymolog Wörterb. 12 Aufl. v. A. Götze S. 560. 3) Hansen, D. deutsche
und die Angaben der ältesten Leute. Eine Reihe von Beispielen mag das Vorstehende veranschaulichen.
Vor 1416 - Herzogtum Berry (Hauptstadt Bourges) zwischen L o i r e und C h e r, F r a n k r e i c h
Im Stundenbuche des Herzogs Jean von Berry, dessen Bilder vor 1416 von Paul von Limburg gezeichnet wurden, sieht man auf der Darstellung des Erntemonats Schnitter, die das Getreide mit der Sense mähen.
Zu Anfang des 16. Jahrhunderts - F l a n d e r n : In einem viämischen Kalender stellt das Bild für den Monat Juni Mäher mit langstieligen Sensen beim Grashauen dar. Aus dem Julibilde sit zu ersehen, daß das Getreide mit der Sichel geschnitten wurde 4 ).
Um 1530 - 1569 - F l a n d e r n und S ü d h o l l a n d: Pieter Brueghel d. Ält., geb. bei Breda, gest. in Brüssel: Sein Bild vom Sommer zeigt Erntearbeiter, die das Getreide mit Sensen (lange Stiele und lange Sensenblätter) mähen 5 ).
1517 - W a l l i s (Südschweiz): Thomas Platter erzählt von seiner Mutter: „Sie schnitt (die Frucht, den Roggen), drosch und (tat) andere Arbeiten.“ 6 )
1535 - D e u t s c h l a n d (F r a n k e n ?) : In einem Volksliede heißt es: Ich hört ein sichelin rauschen, wohl rauschen durch das korn.“ 7 )
1499 (?) - 1553 - H e s s e n . Aus den Schriften des Erasmus Alberus. „Zur Zeit Albers war die Sense noch ausschließlich Gerät zum Grasmähen. Das zeigt das lateinische Wort dafür, Dict. H. H 1 b: Falx foenaria = sansen. Zum Fruchtschneiden diente allein die Sichel, Dict. K 3 a: Messoria falx = korn sichel. Aus folgenden Versen der Fabel 18, in der von der Getreideernte die Rede ist , geht das ganz deutlich hervor:
55 f. „Der man sprach zu dem Son, Wolan,
wir müssen mit der sichel dran.“
und 262 ff. „Geh hin, und bring du uns zwo Sichel,
So nem ich ein, So nimpstu ein,
So schneiden wir die Frücht allein.“ 8
Erasmus Albers ist geboren kurz vor 1500 zu Buchenbrücken und gestorben im Jahre 1553. Albers hat auch ein Wörterbuch verfaßt.
Bauertum, S. 128. 4) Flämischer Kalender, farbige Wiedergabe aus dem Codex latinus 28 345, Verlag F. Bruckmann, München. 5) P. Brueghel. Flämisches Volksleben, Verlag Woldemar Klein, Berlin: Das Brueghelbuch, Schroll Verlag, Wien. 6) Thomas Platters Lebenserinnerungen eines fahrenden Schülers,Voigtländers Verlag Leipzig. 7) Aus der Sammlung „Graßliedlein“; enthalten in dem Bande der „Blauen Bücher“. Von rosen ein krentzelein, herausg. v. Hubert Stierling, K. R. Langewiesche, Düsseldorf u. Leipzig, S. 85. 8) Geschichtliche Volkskunde der Wetterau nach den Schrit -
1568 - N ü r n b e r g - F r a n k e n , Hans Sachs: In seinem Gedicht: Der Sensenschmidt:
„ Vil Sensen durch mich geschmidet sind /
Mit Hämmerschlagen schnell un schwind /
Die Dengel ich scharf vber dmaß /
Damit man Meht das grüne Graß /
Darauß denn wirt Grumaht und Heuw /
Auch mach ich Sichel mancherley /
Darmit man einschneid das Getreid /
Durch alte Weiber vnd Bauwrn Meid“ 9 )
1607 - M a r k B r a n d e n b u r g , S c h l e s i e n. Johann Coler berichtet in seiner „Oekonomia“, daß das Korn abgeschnitten oder abgehauen würde 10 . Nach dem Sprachgebrauch wird mit der Sichel geschnitten, mit der Sense gehauen oder gemäht. Also scheint man zu Colers Zeiten in den genannten Provinzea sowohl die Sichel, als auch die Sense als Erntegerät benutzt zu haben. Vielleicht richtete sich ihr Gebrauch nach der Form des Geländes und der Beschaffenheit des Bodens; vielleicht auch bürgerte sich in jener Zeit dortselbst die Getreidesense ein.
1687 - S ü d d e u t s c h l a n d . Wie ein Bild in einem Buche über Land- und Feldbau in jener Zeit ausweist, wurde das Getreide mit Sicheln geschnitten, während nach einem andern Bilde auf Seite 300 desselben Buches das Gras bei der Heuernte mit Sensen (langes Blatt, halblanger Stiel ) gehauen wird. Im Text finden sich keine näheren Angaben über die schneidenden Erntegeräte 11 ).
1691 - Kaspar S t i el e r : F a l x = sens; falx foenaria, intrumentum notissimum, quo foenum secatur, dicitur etiam falx messoria major 12 . Stieler unterscheidet die Grassense und die Getreidesense.
1741 - Frisch in seinem Deutsch - lateinischen Wörterbuch, 2, 265: falx, eine Sense, das Gras zu mähen = falx foemaria; das Getreide abzumähen = falx messoria.
1743 - M i t t e l d e u t s c h l a n d : „Die Sichel ist ein schneidendes Werkzeug, womit man das Gras und das Getreyde auf dem Felde abschneidet.“ Es gibt Gras- und Getreidesicheln. Die Getreidesicheln sind um ein Merkliches größer, als die Grassicheln 13 .
„Die Sense ist ein eisernes Werkzeug, das Gras und Grummet von den Wiesen, und das Getreyde von den Feldern abzumähen und ab -
ten des Erasmus Alberus, von Wilhelm Kammer, Hessischer Blätter für Volkskunde. Bd. XXX, 1931/32, S. 61. 9) Das Standebuch von Jost Amman, mit Reimen v. Hans Sachs. 1568; Neudruck im Insel - Verlag, S. 78. 10) Oeconomia, VII, S. 138. 11) Georgia Curiosa oder Adeliges Land- und Feldleben, Herren v. Hohenberg. Anderter Teil, Nürnberg, 1687, S. 64. 12) D. deutschen Sprache Stammbaumbuch, 2012. 13) Großes Universallexikon ....
zuhauen. Man unterscheidet Gras- und Getreydesensen. Beide führen einerlei Eisen und sind nur den Stilen oder sogenannten Sensenbäumen nach verschieden. Die Getreydesense hat einen geraden Baum, ungefähr 2 ¾ Ellen lang, ohne Krücke, jedoch ungefähr in der Mitte mit einem Knebel versehen.
Die Grassense hat einen krummlaufenden Baum und hat am Ende, das man in der linken Hand behält, eine Krücke und beim 3. Teile von oben hinunter einen hölzernen Knebel, wie einen Haken, den man beim Hauen in der rechten Hand hält.“14 ).
1724 - 1803 - Klopstock (Q u e d l i n g b u r g); „...wer vor der Ähre die Sense wetzet.“
1734 - Joh. Christ. Adelung zu Spantekow i. P o m m e r n geboren, gest. 1806 in Dresden. In seinem Wörterbuch heißt es : „Die Sense ist ein Werkzeug zum Mähen von Getreide, Gras usw. bestehend aus einem langen breiten, vorn bogenförmig gekrümmten, stählernen Blatte und einem sehr langen, hölzernen Stiele, das mit beiden Händen gefaßt und mit ausgestrecktem Arm in gleichmäßigem Schwunge über den Boden geführt wird, dadurch unterschieden von der stärker gekrümmten, halbkreisförmigen, kurzstieligen, mit einer Hand geschwungenden Sichel.“15 )
G o e t h e , geb. 1749 zu F r a n k f u r t a/M., gest. 1832 zu W e i m a r : „Philine . . . schnitt in die Luft, die Ernte für Sichel und Sense, wie sie sagte, schon vor sich sehend.“
A n z e n g r u b e r , geb. 1839 in Wien , gest. 1889 daselbst. „Gleich nebenan . . . handhabte ein langer hagerer Bauer . . . die Sense und eine mannbare und eine halbwüchsige Dirne die Sichel; aber während die Männer über das ganze Feld weg mähten, schnitten die Mädchen . . . am Fuße des Buschwerkes.“
1833 - W e i c h s e l n i e d e r u n g. Für diese Zeit ist die Getreidesense auf dem Rittergute Gohra im Bezirk Danzig bezeugt 16 ).
Um 1850 - W e t t e r a u i. Hessen. Wilhelm Kammer: „Dieser Brauch (das Getreide mit der Sichel zu schneiden) hat sich bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten. Unsere Großeltern haben die Frucht zunächst noch nur mit der Sichel geschnitten. Der Vorgang war so, daß der Schnitter mit der linken Hand ein Bündel Halme unter den Ähren packte und mit der Sichel in der Rechten / die Halme abhieb.“ 17 )
In Großbartloff im E i c h s f e l d e war die Erntesichel noch 1865 im Gebrauch 18 .
_____________
37. Bd., Verlag Joh. Heinr. Zedler, S. 891/92. 14) Ebenda S. 99/100. 15) Versuch eines Wörtb. d. hochdeutschen Mundart. 16) Gesindeordnung des Barons von Löwenclau auf Gohra. 17) Geschichtl. Volksk. d. Wetterau . . Hess. Blätter f. Volksk., XXX - XXXI 1931 - 32, S. 61. 18) Nik. Görich,
In Effelder, ebenfalls im s ü d l i c h e n E i c h s f e l d e gelegen (Krs. Mühlhausen i. Thür.), wurde Ende der 1860er und Anfang der 1870er Jahre alles Getreide mit der Sichel geschnitten 19 ).
Eine 93 jährige Frau in Lengenfeld im s ü d l i c h e n E i c h s f e l d e entsinnt sich, daß im Jahre 1874, als sie 10 Jahre alt war, die Frucht nur mit der Sichel geschnitten wurde 20 .
In der V o g t e i , zum Kreise Mühlhausen i. Thür. gehörig, verwandte man die Sichel zum
Schneiden bei der Ernte noch in den Jahren 1868 - 75 21 ).
So ist also im Südeichsfelde und in der benachbarten Vogtei die Getreidesense erst in den Jahren nach 1870 in Aufnahme gekommen.
„Im S ü d e n W e s t f a l e n s (Siegerland, Wittgenstein) schnitt man das Getreide noch bis vor kurzem mit der Sichel, einem halbmondförmigen Messer mit einem kurzem, meist gedrechseltem Griff. Das Mähen geschieht hier in gebückter Stellung und wird meist von den Frauen verrichtet. . . . . Bei dem steinigen Boden des Sauer - und Siegerlandes konnte sie sich als Schneidegerät lange halten, da man hier eine Sense allzu leicht an einem Stein schartig schlägt.“ 22 ) Leider wird kein Zeitpunkt vom Verfasser angegeben. In den Jugenderinnerungen des Wilhelm Kathol, der 1851 zu Berlar im Kreise Meschede (Sld.) geboren wurde, finden sich keine Angaben über den Gebrauch der Erntesichel, obwohl die bäuerlichen Verrichtungen im Jahreslauf ausführlich geschildert werden.
Peßler fand um 1930 in S t e i e r m a r k und an der Nordseeküste in H o l l a n d die Sichel als Erntegerät im Gebrauch. Ein eigenartiges Verfahren sah er in einigen Teilen B a y e r n s , wo man bei der Roggenernte zuerst die Ähren mit der Sichel abschnitt und zusammengebunden auf dem stehenbleibenden Stroh trocknen ließ 23 ).
Ein Mittelding zwischen Sichel und Sense, die Kniesense mit etwa 50 cm langem Stiel, war noch um 1860 im Amte Seldes (Braunschweig) im Gebrauch, um Erbsen und Linsen zu mähen 24 ).
Es ist die S i c h t e oder das S i c h e t , eine kurzstielige Sense, die Peßler noch in O s t f r i e s -
l a n d , dem W e s t e r w a l d e und auch in Holland als Erntegerät fand 25 ).
Nach kukelhaus ist die Kniesense, die sogenannte Sichte - vor allem in der Technik des Mähens - mit der Sichel verwandt. „Diese Sichte, die heute noch gebräuchlich ist im n ö r d l i c h e n W e s t -
____________
Chronik d. eichsf. Dorfes Gr. - Bartl., S. 90. 19) Mitgeteilt von der Mutter des Verfassers. 20) Frau Magd. Richard, geb. Lorenz. 21) Otto Busch, D. Pflüger, Jahrg.1925, S. 77. 22) H. Kükelhaus, Erntegerät und Erntebrauch in Westfalen, S. 5. 23) Volkskunde, Bd. 2, S. 13. 24) Andrae, Braunschw. Volksk., 1896. 25) Handbuch d. Volksk. 2. Bd., S. 13 26) Kükelhaus S. 5/6.
f a l e n , im W e s t m ü n s t e r l a n d und in der G r a f s c h a f t B e n t h e i m , stellt ein Zwischenstück von Sense und Sichel dar. Ebenso wie die Sichel wird auch die Sichte nur mit eine Hand gefaßt. Das getreide wird eher abgeschlagen als gemäht. Die Kniesense hat bereits ein ausgeprägtes Sensenblatt, das jedoch kleiner als das gewöhnliche ist; außerdem ist der Stiel bedeutend kürzer und in der Mitte nach außen griffartig umgeknickt.“ 26 )
Im Mittelalter war in deutschland nun die Grassense im Gebrauch. Um 1240 schreibt Wernher der Gartenaere, ein Dichter aus dem Innviertel, in seinem Epos „Meier Helmbrecht“: dem vater er bracht ein wetzestein . . . und eine segense, daz nie hant so guote gezog durch das gras.“
In der aus dem 13./14. Jahrhundert stammenden „Ottokars Reimchronik „ lesen wir: „... als da der mader uz gras mit der segense machet heu.“
Arnold Lühning bemerkt in seiner Dissertation über die schneidenden Erntegeräte: „Eine systematische Untersuchung im Atlas der deutschen Volkskunde fehlt heute noch.“ - Die vorstehende Abhandlung erhebt keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit. Aber bei Benutzung aller verfügbaren einschlägigen Quellen ließen sich wohl die ungefähren Zeitangaben über das Aufkommen der Getreidesense in den verschiedenen deutschen Landschaften und den benachbarten Ländern ermitteln. - (Siehe auch Nachträge!)
_______________
Q U E L L E N N A C H W E I S
Grimm: Deutsches Wörterbuch, 10. Bd., Hirzel Leipzig.
Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 12. u. 13. Auflage, bearb. v. Alfred Götze, Walter de Gruyter u. Co., Berlin u. Leipzig, 1943.
Hansen: Das deutsche Bauerntum, J. Hermann Niermann - Verlag, Berlin - Schöneberg.
Stundenbuch des Herzogs Jean de Berry. Neudruck.
Flämischer Kalender: Farbige Wiedergabe aus dem Codex latinus, Verlag F. Bruckmann, München.
P. Brueghel: Flämisches Volksleben, Verlag Woldemar Klein, Berlin.
Das Brueghelbuch, Schroll Verlag, Wien.
Von rosen ein krentzelein. Alte deutsche Volkslieder, herausg. von Hubert Stierling, Verlag K. R. Langewiesche, Düsseldorf u. Leipzig.
Thomas Platters Lebenserinnerungen eines fahrenden Schülers. Voigtländers Verlag, Leipzig, 1912.
Hessische Blätter für Volkskunde, Bd. XXX - XXXI: 1931 - 32, Selbstverlag der Hessischen Vereinigung für Volkskunde, Gießen 1932.
Das Ständebuch von Jost Amman, mit Reimen von Hans Sachs, 1568. Neudruck im Insel - Verlag.
Johann Coler, Oeconomia, 1598, Wittenberg.
Georgia Curiosa oder Adliges Land- und Feldleben, (der) Herren von Hohenberg. Anderter Teil, Nürnberg, in Verlegung Michael und Johann Friedr. Endters Seel. Erben, 1687
Kaspar Stieler: Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs. Nürnberg 1691. - Zeitungs Lust
und Nutz. Hamburg 1695. 2. Ausgabe, Hamburg 1697.
Johann Leonhard Frisch : Teutsch - Lateinisches Wörterbuch, 1 - 2, Berlin 1741.
Großes vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, 37. Bd., Verlag Leipzig und
Halle, 1743 Johann Heinrich Zedler.
Johann Christoph Adelung: Versuch eines vollständigen grammatisch - kritischen Wörterbuchs der
Hochdeutschen Mundart. 1 - 5 Leipzig, 1775 - 1786; 1793- 1801.
Gesindeordnung des Barons v. Löwenclau, in : Eichsfeld. Heimatstimmen 1957.
Görich: Chronik des eichsfeldischen Dorfes Gr.-Bartloff.
Der Pflüger, Jahrg. 1925, Urquell-Verlag Erich Röth, Mühlhausen.
Erntegeräte und Erntebrauch in Westfalen,v. Hugo Kükelhaus. Verlag des Landesmuseum in Münster,1956.
Arnold Lühning: Die schneidenden Erntegeräte, Diss. Göttingen 1951 (in Maschinenschrift).
Wernher der Gartenaere, Meier Helmbrecht. Neudruck, Reclam Leipzig.
Mündliche Mitteilungen aus Effelder und Lengenfeld im Eichsfelde.
_____________
Ein alter Gewittersegen
In der Abgeschiedenheit des südeichsfeldischen Dorfes Pfaffschwende konnte sich ein alter Gewittersegen bis an die Grenzen unseres fortschrittlichen Zeitalters retten. Er lautet:
Watterchen, Watterchen, täile dich!
De häilje Tre - ifautigkäit läite dich! (Dreifaltigkeit)
Se läite dich äwwer Baark un Tal,
Gitts än Bernchen (geschlossenes e) hall un klar.
Die um 1865 geborene gewährsfrau entsinnt sich aus ihren Kinderjahren, daß bei schweren Gewittern die Nachbarn zu ihrem Großvater kamen, der als über achtzig Jahre alter bettlägeriger Mann dann jedesmal den Segen vorbetete.
____________
Volkstümliche Familiennamen in Lengenfeld
Viele Familien haben neben ihrem offiziellen Namen, oder besser gesagt, an dessen Stelle noch einen Sondernamen im Volksmunde, der gewöhnlich von Vornamen, Beruf oder Wohnstääte eines Vorfahren, der gewöhnlich von Vornamen, Beruf oder Wohnstätte eines Vorfahren abgeleitet ist. Mit Selbstverständlichkeit spricht man von Ale Schulzens, Ale Backersch, Nüpürsch, Amtsschriebersch, Schenk, Post, Schustersch , Schmeeds, Schniedersch, Teppersch, Millkaspersch, Gänseschärtens Kiwe -
härtens, Wainerhans, Kochbarwens, Riekens, Stoffels, Kattersch, Bartels, Mälchersch, Fischhans, Größhans, Kläinans, Hahnans, Phieleps, Lünans, Aschnans, Plonhans, Torhans, Hansalms, Strüßeeweliens, Hansmertens, Michelsmertens, Fraanstreesens, Stangenwännersch, Heppensems, Awärtspetersch, Schuhpetersch, Diewelsnasens, Wittstäins, Spitzen u. a.
Diese Art der Familienbenennung rührt aus der Zeit her, als es noch keine amtlichen Familiennamen gab. Volkstümliche Familiennamen tauchen auf, halten sich mehrere Generationen hindurch oder gar Jahrhunderte lang und verschwanden wieder. So ist mancher der genannten Namen nachweislich einige hundert Jahre alt. Welche kommen mit dem Heranwachsen neuer Geschlechter außer Gebrauch, neue entstehen.
An einigen Beispielen soll gezeigt werden, wie Namen dieser Art in unserm Dorfe entstanden sind. Im Reuterschen Lagerbuch (1610) wird G r o ß h a n s Fischer als Einwohner Lengenfelds aufgeführt. In früheren Jahrhunderten war der Vorname so häufig, daß man zur besseren Unterscheidung die Neubildungen Großhans, Kleinhans, Junghans, Althans formte. Sämtliche genannten Formen kommen auch (in anderen Gegenden) als amtliche Familiennamen vor, wurden also schon im 14. Jahrhundert gebraucht, als die Familiennamen aufkamen.
1658 lebte K l e i n h a n s Witzel, wie die Kirchenrechnung aus jenem Jahre bezeugt.
Mit Z ä l l j e n s werden einige Zweige der Sippe Richwien benannt, die dem Gerechtigkeitshause Nr. 180 unterm Kirchberge entstammten (Heutiger Besitzer: Georg Pfromms Erben). Der Name rührt her von Cyriax, Rischwien. früher Cylliax gesprochen, der in der Gemeinderechnung von 1713 als Besitzer des Hauses angegeben ist.
Mit S p i t z e wird im Lagerbuche von 1822 die Stelle am Eingang des „Hohlen Weges“, heute Bahnhofsraße geheißen, bezeichnet, auf welcher später das Richwiensche Haus, heutige Besitzer Adam Richwiens Erben, erbaut wurde.
L ü h n a n s , volkstümlicher Name für einen Zweig der Sippe Hardegen im Gerechtigkeitshause Nr. 57 am Wasser. Hans Luhn, auf den dieser Name zurückgeht, hatte 1713 ein Haus, nahe der „Stenner Brücke“, das mit in dem Winkel zwischen Oberland und Keudelsgasse lag und beim Bahnbau abgerissen wurde.
H e p p e n s e m s , gebildet von Höppners Simon, der 1733 in Gerechtigkeitshause Nr. 149 in der Herrengasse, jetzt Engelhardt u. Co., Witzenhausen, wohnte, als volkstümlicher Zuname für einen Zweig der Sippe Höppner gebräuchlich. Das 1694 erbaute Gerechtigkeitshaus heißt im Volksmunde „Heppensems Hüüs.“
M e l s c h e r s c h , für einen Zweig der Sippe König gebräuchlich. 1713 wohnte Melchior König in dem Gerechtigkeitshause Nr. 67/68
im Oberlande, jetzt von Wwe. Joseph Simon und Martin Hardegen bewohnt.
S t a n g e n w e n n e r s c h , Name für einen Zweig der Sippe John, herrührend von Werner Stange, der 1794 im Oberlande, Ger. - Haus Nr. 106 wohnte (jetzt Michael Lorenz).
H a n s m e r t e n s heißen die früheren Bewohner des Hauses Ecke Unterland/Goltgasse, der jetzigen „Gede“. Daneben ist auch noch die Bezeichnung „Hansmertens Hüüs“ gebräuchlich. 1786 wohnte der Schmiedemeister Hans Martin Hagemann in diesem vermutlich als Garten - die Hofsteden von Wwe. Simon und Gottfried Habig.
A w ä r t s p e t e r s c h. Dieser Name wurde früher für die Familie des alten Schusters Fischer am Plone gebraucht und ist allmählich außer Gebrauch gekommen. Einige Vorfahren Fischers waren Wirte in der Gemeindeschenke. So wird in der Zeit von 1744 - 58 Hans Henrich Fischer als Inhaber der Gemeindeschenke genannt. „Awärts“ ist Alte Wirts. Vergl. Ale Schulzens!
S t r ü ß e w e l i e n s werden Rodekirchs in der Keudelsgasse genannt. Die Mutter von Aloys Rodekirch, der im Jahre 1835 geboren wurde, hieß Eva Elisabeth, geb. Strauß.
Ausdrücklich sei bemerkt, daß diese volktümliche Bezeichnungen nichts mit Onamen oder Spitznamen zu tun haben, deren Entstehung auf Haß oder Spottsucht „des lieben Nächsten“ zurückgeht.
_____________
Volkstümliche Redensarten,
die an verflossene Kulturepochen erinnern
Gesammelt in Lengenfeld unterm Stein in den Jahren 1920 - 25
1. - Daas äss änne Schanne wart (Das ist eine S c h a n d e wert) = Der Schuldige gehört eigentlich an den Schandpfahl (Pranger), den es auch in Lengenfeld gab, und für den laut Gemeinderechnung im Jahre 1800 ein neues Halseisen angeschafft wurde. Vermutlich befand sich der Pranger an der Westwand der Gemeindeschenke, d. h. auf der Seite nach dem Anger hin.
2. - An G a l j e n un an Höchen! = Ausdruck des Unmutes. In Luthers Sprichwörtersammlung heißt es : Aus an galgen!
3. - Vun äm Verrater frißt kän Rawe (Von einem Verräter frißt kein Rabe). Man könnte den Gedanken weiter spinnen : Nachdem er (der Verräter) am Galgen geendet ist.
4. - Daas schmeckt an Galjen nit = schmeckt ganz und gar nicht.
5. - Bes git kän arjres Schwaart, alswann d’r Battelmann stieht uffs Pfard (Es gibt kein ärgeres Schwert, als wenn der Bettelmann steigt aufs Pferd). = Schlechte Menschen können gewöhnlich ihre Herkunft nicht verleugnen und mißbrauchen ihre Macht, wenn sie in gehobene Stellungen gelangen.
6. - War Vater un Mutter nit gehorche wall, dar muß’m Kaubfall gehorche. In der Lebensbeschreibung des Orgelvirtuosen Joseph Maria Homeyer findet sich die Stelle: „... und es wäre mir nicht dahin gekommen, dem Kalbfell gehorchen zu müssen:“ In der Schwalm sagt man: Bär net well Odder parieren, dä muß nach Spandau maschiern. Die hessischen Festungsgefangenen mußten laut Abmachung mit Preußen ihre Haft in Spandau verbüßen, weil Hessen keine große Festung hatte.
7. - Tucks Prööt wack, de Saltaten kummen (Tu´s Brot weg, die Soldaten kommen!) Die Redensart wird als scherzhafte Bemerkung von Leuten gebraucht, die zu Bekannten kommen und bei ihrem Eintritt gerade noch bemerken, wie man etwas vor ihnen verbergen will. Sie erinnert an die Zeiten, da fremde Kriegsvölker brandschatzend durch die Lande zogen.
8. - Ees nimmt alles uff, was gerädden un gefahren kommt. - Von einem leichtfertigen Frauenzimmer gesagt. Die Redensart ist in einer Zeit entstanden, da noch Reiter und Fuhrleute über die Landstraßen zogen. Wer denkt da nicht an den Reitesmann im alten Volksliede!
9. - Fuhrmann fahr witter, morjen wärds kimmer (schlechter), hieß es in der Zeit des Herbergs- und Fuhrmannslebens im Herbst; im Frühjahr dagegen: „Fuhrmann blieb hi, morjen wärds besser!“
10. - Werfs nit sö wiet wack. - Zweifelnder Einwand gegen eine gewagte prahlerische Behauptung. In Diedorf hat sich der ursprüngliche alte Wortlaut der Redensart erhalten. Dort heißt es: „Werf de Boorten (Barte) nit sö wiet wack!“ Das erinnert an die Zeiten, da noch der Wurf mit der Barte bei Kampfspielen geübt oder zur Festlegung der Grenzen benutzt wurde. „Die Angelsachsen haben den mit der scuris,dem securis, dem Beilwurf abgemessenen und abgezäunten Besitz.“ Der Bayer, welcher den Hof abzäunen will, wirft das Beil nach Mittag, Morgen und Abend, nach Norden entscheidet der Schattenfall.“ (Rübel, Die Franken..., S. 233). Im Münsterlande lautet das Wort: Smit dat nich so wiet wägg ! (Aug. Wibbelt, Drücke Möhne).
11. - Daas ganze Heemn (Hefe) un Trinken. = Der ganze Rest des selbstgebrauten Bieres, das Trinken hieß, mitsamt der Hefe, die als Bodensatz vom Gären her zurück geblieben war. Bedeutung: Das ist der Rest, ist noch alles, was da ist oder was übrig geblieben ist.
12. - Was känn Eel git, git Schlohkuchen. - Die Rückstände beim Ölschlagen oder pressen ergaben den „Schlohkuchen“ (Schlagkuchen),
der als Viehfutter verwandt wurde. Bedeutung: Ehe man etwas wegwirft, überlegt man sich, ob es nicht doch noch zu etwas zu gebrauchen ist.
13. - Vun dam Schlage gits känn Eel = Das gibt es nicht. Das geht auf keinen Fall.
14. - Do get d´r Säier raacht ! Ausruf in einer unangenehmen Lage. Saier mundartlich Säier, war ein Wanduhr mit Ziehgewichten und Unruhe (Perpendickel).
15. - Ha het entwärr (entweder) ä Funk (Fund) or an Sprung geton. = Er ist auf unerklärliche Weise reich geworden. Das geht nicht mit rechten Dingen zu.
16. - Do wärd dich d´r Schwienehärt veer behite, bedeutet Ablehnung: Das gibt es nicht !
18. - Mee hun nach känne Schwiene sesamm gehutt (gehütet) = Ausdruck der Ablehnung einem Menschen gegenüber, von dem man sich ungeziemender Weise geduzt fühlt, dessen plumper Vertraulichkeit man sich erwehren will.
19. - Daan kenn ich wie än Hessentre-ier. = Den kenn ich ganz genau. Der Hessendreier war ein hessisches Geldstück, das bis zum Jahre 1866 galt.
20. - Bepackt si wie än Millesel - wie ein Mühlenesel, der in früheren Zeiten die Säcke voll Mehl tragen mußte.
21. - Äwwerwasser ha. = Im Vorteil sein. - Der Müller an kleinen Gewässern z.B. in Faulungen sammelte das Wasser, staute es durch Wehre und ließ, wenn er mahlen wollte, das Oberwasser laufen.
___________________
Spezialitäten der alten Lengenfelder Küche
Unsere Voreltern, die in den Jahrzehnten vor 1900 lebten, aßen noch manches, das ihre verwöhnten Nachfahren von heute mit Entrüstung zurückweisen würden. Die meisten Dorfbewohner jener Zeit waren Raschmacher, Wollenkämmer, Wanderarbeiter und Tagelöhner. Soziale Fürsorge in dem Maße wie heutezutage war unbekannt. Die Handwerker und Landwirte litten an chronischem Geldmangel. Die Lebenshaltung war bescheiden, die Ansprüche gering. Obschon das Friedatal mit seinen Berglehnen nicht zu den begünstigten Landwirtschaftsgebieten zählt, so lassen doch die Methoden der heutigen Landwirtschaft dem Boden ganz andere Erträge abringen, als vor 70, 80 Jahren. Mit der Entwicklung rationeller Methoden im Landbau, mit den Einrich -
tung von Zigarrenfabriken, mit dem Ausbau der sozialen Fürsorge hob sich naturgemäß auch die Lebensweise der Leute, so daß eitel ( = trockenes) Brot mit Kümmelsalz bestreut oder mit Senf bestrichen, oder aufgesottene Kartoffeln (Pellkartoffeln) in „Soomneel“ ( = Rapsöl) getunkt, vom Küchenzettel der heutigen Generation verschwunden sind. Redensarten wie: „Wö Katüffel sinn, do äss d’r Hunger angebungen“ und: „Än Baasbittel un änne Ze-in ( = Ziege), daas äss eer ganzes V’rmee-in
( = Vermögen)“ erinnern an die armen Leute von damals. Daß bei einer 6 köpfigen Familie ein ganzer Hering zum Mittag - oder Abendessen auf den Tisch kam, war noch zu Beginn der 1890er Jahre keine Seltenheit. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts kriegten die Kinder armer Leute die ganze Woche hindurch eitel ( = trocken) Brot mit zur Schule. Das ganze Jahr hindurch, nicht einmal fetten Donnerstag, gab es Wurstbrot mit. Ein 1865 geborener Lengenfelder erzählte aus seiner Jugend: „Wenn das Bißchen Tunkwerk bald alle war und wir Kinder maulten, weil wir noch nicht satt waren, sagte Vater: „Tückt unger de Fann ( = Pfanne), do kriede waas traane!“ Daß es in Deutschland Gegenden gab, in denen die Leute eben so bescheiden und vielleicht noch ärmlicher lebten, als bei uns, hören wir bspw. aus dem Paderbornischen von Wilh. Oekes in „Dorfleben vor 60 Jahren“ (Zeitschr. für rhein. und westf. Volksk. 1916).
In mageren Jahren streckte man das Brot mit Wickenmehl oder buk Gerstenbrot. Morgens gab es bis in die 1850er Jahre Mehlsuppe, der je nach Können und geschmack der Familie, Milch beigemischt wurde, und Brot zum Einbrocken. (Im Ravensberger Lande hieß die Morgensuppe, aus Mehl und Grütze bereitet, Imt (Unsere westf. Heimat, v. Karl Prümer). In Voerde bei Friedrichsfeld am Niederrhein gab es noch 1914 zum ersten Frühstück, Milchmehlsuppe.) Nach dieser Zeit bürgerte sich Korn -, Gersten - und Zichorienabsud ein. In den Jahren um 1890 setzte sich der Bohnenkaffee, gemischt mit „Titschen“ ( = deutschem Kaffee aus Zichorien), durch. Ackermänner, Tagelöhner, Holzhauer - kriegten zum Frühstück Kochkäse, Matten ( = Quark), Wurst oder Speck als Zubrot, zum Vesperbrot Käse oder Fett, mittags eine kräftige, jahreszeitlich bedingte Suppe und abends Bratkartoffeln und saure Milch oder aufgesottene Kartoffeln mit Schmant - oder Senftunkwerk ( = soße).
Eine reichhaltige Auswahl schmackhafter Suppen bot Abwechslung für das Mittagessen. Viele Gerichte aus früheren Zeiten sind noch heute gang und gebe. Da gab es Kartoffel -, Brot -, Schnippelbohnen -, Möhren -, Kohlrabie -, Riwel - „Schugaarschten“ (Schälgersten - oder Graupensuppe) und Hülsenfruchtsuppen, Hotsel oder „Beeren“ ( = Birnen) und Tiebchen, Zwetschen -, Apfel - und Kirschsuppe und wie sie alle heißen, meistens mit Speck geschmelzt (ausgebratene Speckkrumen oder - stückchen). Ein paar Löffel saurer Schmant als Zugabe erhöht bei mancher Suppenart den Geschmack. Graupen - und auch
Nudelsuppe wurde mit „Reemnstickchen“ ( = geräucherte Schweinsrippe) oder mit Garwurstscheiben gekocht. Kartoffelsuppe mit Garwurst schmeckte auch nicht schlecht. Ab und zu gab es, zur Freude der Kinder, Reisbrei, Milchsuppe, Nudelsuppe mit Butter geschmelzt mit Bratkartoffeln, Kartoffeltiebchen
( = Klöße), diese aus geriebenen Pellkartoffeln. Mit der hierbei anfallenden Brühe wurde zur nächsten Mahlzeit Brotsuppe gekocht. Aus gekochtem Kachelkuchenteich entstanden „Heemntiebchen“ ( = Hefeklößchen): mit süßer Mustunke übergossen, bildeten sie den Höhepunkt kindlicher Tafelfreuden.
Fleisch kam, abgesehen von Schlachtzeiten, höchstens sonntags auf den Tisch. Nach dem Schlachten gab es für einige Wochen eingesalzene Knochen zu kochen; den Winter hindurch kamen hartes Werk (Hülsenfrüchte) und saurer Kohl oft auf den Tisch, zu Ostern Lämmchensbraten, im Sommer saisonbedingter Salate und Gemüse, sowie Birnen-, Kirsch -, Milch - und Biersuppe, im Herbst Kohlgerichte Praforschkohl oder Schmorkohl, Kumstkohl. Das sonntägliche Mittagsmahl setzte sich häufig aus Reissuppe oder Suppe mit selbstgemachten Nudeln und Rindfleisch, sowie Salzkartoffeln zusammen.
Einem grünen Salat oder einem Gurkensalat auf eichsfelder Art, mit saurem Schmant, kommt so leicht keine andere Zubereitungsart gleich, wie auch der eichsfeldische Kartoffelsalat mit Schmant und ausgelassenem Speck warm zubereitet, seinesgleichen sucht Senf - und Schmanttunkwerk, beides mit Speck und Zwiebeln zubereitet, ergaben mit Pellkartoffeln genossen, eine leckere Mahlzeit. Reibekuchen in der Größe eines Suppentellers. „Schürren“ genannt, Schminken, Süßkuchen und „Fetthänse“ bildeten ab und zu willkommene Abwechslung beim Mittag - oder Abendbrot. Mindestens einmal in der Woche kamen Heringe mit Pellkartoffeln auf den Tisch. Zum Abendbrot gab es zuweilen Kartoffelplätze, mit Mus oder Fett gegessen. Ein beliebtes Gericht waren Schwenkkartoffeln. Aufgesottene Kartoffeln, geschält und mit heißem Öl, kleingeschnittener Zwiebel und Essig durcheinander geschüttelt, ergaben die beliebten Schwenkkartoffeln. Wer es sich leisten konnte, tat anstelle des Öles Specksoße dazu.
An Zubrot sind zu nennen: Rübensaft, kurz Saft genannt. Zwetschenmus, saurer Schmant, Schweinefett ( Schmalz), Butter, Kochkäse und bei schweren Arbeiten, wie bereits erwähnt, Wurst und Speck. Gern wurden auch Kachel -, Eisen - und Steinkuchen zum Vesperbrot mit aufs Feld geschickt. Letztere waren aus Gerstenmehl gebacken. Der Name Steinkuchen mag auf vorgeschichtliche Zeit zurückgehen, als man die dünnen Teigfladen auf erhitzten Steinen buk, wie es heutzutage noch bei primitiven Volksstämmen Brauch ist.
Das soziale Gefälle ( = Unterschied) zwischen der Lebenshaltung von Handelsleuten, Ackermännern ( = Bauern) und Landwirten, Krämern und Handwerkern einerseits, sowie Tagelöhnern, Raschmachern und Wanderarbeitern anderseits war bedeutend und trat auch in der Lebens -
weise in Erscheinung, wenn sich auch die Unterschiede, namentlich von der Zeit der Jahrhundertwende ab, mehr und mehr verwischten. Bezeichnend für die sozialen Verhältnisse jener Zeiten waren die Redensarten: Manche wischen mee Fatt vum Müle ob, wee oorme Liete nin krien; und: Liichtmasse, do kunn de Herren bie Tage gasse, de Büren wann se wunn un de Battelliete, wann se waas hun.
____________________________________
Lengenfelder Flurnamen
Unter den etwa 140 Lengenfelder Flurnamen sollen nur einige genannt werden, die nicht auf den ersten Blick zu deuten sind. H a l l e r (hochdeutsch Heller) mit dunklem a. Das ein paar Wegestunden von Lengenfeld entfernt liegende Dorf Heldra, mundartlich Haller genannt, bringt seinen Namen mit Hollundertal in Verbindung. So können auch wir annehmen, daß unser Flurname auf eine alte Form oder eine Abkürzung von Hollunder, auf Holler zurückgeht. Das dunkle a oder offene o macht den Übergang von o zu a verständlich. Der „Haller“ ist eine kleine Senke mit einem Hohlweg, dessen Raine früher mit Schwarzdorn, Hagedorn und Holunder bewachsen waren.
Im T u l k e n, 1664 Auf dem T u l c h e . Ahd dola, mhd dol-Röhre, Abzugkanal, fries. dole = Grube, Graben. Tulken gehört zur Wortfamilie Tal und ist verwandt mit Teller, Dälle, Tülle. Es bedeutet soviel wie Bodensenkung, Vertiefung, Mulde. Der Flurname findet sich auch in Wilbich, Heyerode, Effelder (Touk), Reinholterode (Tulkenweg). In Grebendorf, Hitzelrode, Altenburschla, Abterode am Wißner und Burghofen kommen ähnliche Bezeichnungen mit der gleichen Stammform vor. Abterode: Dolken = schwere unförmige Schuhe.
Am T i p p s t i e g , abgeleitet von T i w e , das in der nahe verwandten Mundart von Niederhone soviel bedeutet wie Klumpen oder Ackerscholle. Tippstieg würde also Klumpenstieg bedeuten. Da die auf dem Gewohnheitsrecht beruhenden schmalen Zustreckewege quer durch Ackerbreiten, sowohl beim Felgen als auch vor der Bestellung jedes Mal mit aufgerissen und umgebrochen werden und in dieser Zeit die Fußgänger sich ihren Weg durch ein Gewirr von „Tiwen“ oder Klumpen bahnen müssen, so ist der Name Tippstieg für einen solchen Weg wohl verständlich. Vergl. „Tiebchen“ = Teigklümchen. An ähnlichen Namen kommen vor: Diebstieg in Geisleden, Heuthen und in Lindewerra, Diewesweg bei Treffurt, Diebstiegk in Apfelstädt, Deibstieg in Bufleben (mundartliche Aussprache), Diefstieg in Sonneborn (Thür.). Im Kreise Eschwege finden sich Diebstieg und Diebspfad.
Am T ü ü m n z a u l : Zagel ist ein mittelalterlicher Ausdruck für Schwarz. Unser Flurname bedeutet also Taubenschwarz, weil an dieser
Stelle der Wald in Form eines Taubenschwarzes in das Ackerland hineinragte. Geismar und Wilbich haben auch einen „Tüümnzäul“. Im Sondershäuser Stadtforst gibt es enen Schwalbenzagel. Vergl. Wäun für Wagen; träun für tragen !
An den Zielbäumen. Bäume, nach denen man sich - namentlich im Winter bei hohem Schnee - zurechtfinden kann. Vergl. das „Krause Bäumchen“ in Westfalen ! - In Worbis und Wendehausen gibt es eine Zielhecke, zwischen Neustadt und Hainrode einen Zielbaum.
In der G e m o ß e n , 1664 in der Moßen. Vermutlich altes Gemeindeland, das nach dem „Bäurischen Aufruhr“ (Bauerkriege) vermessen und in Lose aufgeteilt, an die Gerechtigkeitsbesitzer verkauft wurde. Gleiche Bedeutung hat der Flurname „Die Geteilten“ in Effelder, Wachstedt und Struth. In alten Gemeinderechnungen und Lagerbüchern aus der kurmainzischen Zeit heißt aufgeteiltes Gemeideland „Losland“, weil beim Verkauf die Anteile ausgelost wurden. - Heyerode : Gemoßen; Thurnhosbach, Krs. Eschwege: Gemöse; in vielen Dörfern des ehemaligen Herzogtums Gotha: Krutmoßen (Krautmaßen).
Der S i e w e l s b a a r k (hochd. Siebelsberg) hat seinen Namen vermutlich von einem Burgmann oder Pfandherrn Namens Siebold, der 1385 auf Schloß Steyn war.
Die erste und zweite H a b e z u c h t , 1586 erstmalig erwähnt, im Jursidiktionalbuche von 1609 (Würzb.) zu „Habichtzucht“ verbalhornt. Der Name ist wohl gleichbedeutend mit „Heimzucht“ im Raume zwischen Ruhr und Lippe, die ein Nutzungsrecht der Mark- oder Holzgenossen darstellt. Danach könnte „Habezucht“ die Berechtigung sein, aus dem Walde eine Habe oder einen Nutzen zu ziehen, z. B. Holz zu hauen, Schweine zu mästen. Vergl. Hab und Gut ! Die Heimzuchten zwischen Ruhr und Lippe standen durchweg den Adelshöfen, Klöstern und Oberhöfen zu (Hendus). Unsere Habezucht gehörte zum Erbburglehen der von Hanstein auf Bischofstein (Das Nydderste Hus).
Der T h i e n b a a r k (Dienberg, Dünberg), kommt erstmalig 1490 in einer Urkunde vor und ist ein nördlicher Ausläufer des Gaiberich. Ableitung vermutlich von „Thie“ = Dingstätte. Der östlich davon verlaufende Ausläufer des Gaiberich ist die Spindelsburg, von Speen, Spahn = ahd. Streit. Den Gaiberich, Geuberg hält man für eine Gaudingstätte aus karolingischer Zeit.
___________________________
Hansmertens Kramladen
konnte man in der Vorstellungswelt der Kinder mit einer Schatzkammer vergleichen, um deren Wunderdinge ihre Wunschträume kreisten. Dort gab es alles, was in damaliger Zeit ein Kinderherz begeisterte: Malsteine (= Malzzuckersteinchen), Johannesbrot, Süßholz, bengalische Streichhölzer, Spielpistolen, Knallplätzchen, Trillerpfeifen, Hauch- und Abziehbilder, Knicker (Schösse), Schlagreifen, Puppen, Bälle ......
„Schon die gelben, roten und blauen Butzenscheiben hatten ihren bestechenden Reiz. Wer da hindurchlugte, sah eine Wunderwelt. Nicht auszumalen, was die Schaukästen und Regale alles bargen, und was von der Decke alles herabbaumelte. Hie vom TapetenSnagel bis zur Großmutterbrille, da vom Lampion (von uns Fackel genannt) bis zur Kienrußbutte, dort vom buntflechtigen „Salbendspatschen“ bis zum hölzernen Kuhstallslatscchen:“ ( Eichsfeldia Nr. 157; - 3. Juli 1928).
Die Fülle der ausgestellten Waren, sowie einzelne Reklameplakate dämpften das einfallende Tageslicht zu mildem Schein, wie es sich für diese magische Märchenwelt geziemte, In der Dämmerstunde erhellte ein Öllicht in Zinnfassung den Raum. Die altertümliche Hängewaage mit zwei großen Messingschalen hatte ein langes Pendel, das wie eine riesige Stopfnadel aussah.
„Und erst um „Nikolaustagk“ und „Christtagk“! Es konnte nicht anders sein, als daß St. Nikolaus und Christkind von „Hansmertens“ beziehen mußten. Niemand anders hatte ja so „häbsche Trumpeten“, Bilderbücher, Pistolen und Knall - Platzrohre, Trillerpfeifen und Geischeln (= Peitschen).“ - (Eichsfeldia Nr. 157; - 3/7. 1928).
Hansmertens Franz, der nach dem Tode seiner Mutter, der guten alten „Wase Mrichen“ als Besitzer des Ladens in Erscheinung trat, war ein Mann mit realem Sinn und geschäftlichem Weitblick. In scheinbarem Gegensatz hierzu standen seine angeborene Gutmütigkeit und ein gelegentlicher Hang zur Großmut, die sich zuweilen in Gesten äußerten, welche bie manchen Dorfbewohnern nicht die rechte Würdigung fanden: Vor dem Schulzenamt (Montags Hüs) steht eine Schar Arbeitsloser. Da tritt aus der Tür seines Ladens heraus Hansmertens Franz, eine Kiste Zigarren in der Hand. Mitleidig, wie er ist, reicht er die Kiste herum, damit sich jeder eine Gratiszigarre nehme. Einige Ungenügsame aber wollten zwei oder drei Stück fassen, worauf Franz nur das eine Wort: „Unverschämt!“ hören läßt. - Sprachs und verschwand mit der Kiste, woher er gekommen.
________________________
Leute aus dem alten Lengenfeld
K i e w c h ä r t e n s C h r i s c h t o f f e l sichelte im blauen Kittel bei der „Schwarzen Brücke“ Sammatzen (Binsen) ab, die er als Streu für seine Ziegen verwenden wollte. Neben ihm stand sein Tragekorb. Ein paar Bekannte kamen des Weges, und es entspann sich folgendes Gespräch. „Na Chrischtoffel, Hesdann ä Braantwien meet?“ - „Ach daan brüch ich nit, Hi fließt je Wasser genuck; daas äss gesund,un
mee werd nit besoffen. In d´r Christnaacht sall je ´s Wasser vun zwälve bis äine Wien si.“ - „Hesde´s dann schuint geprawirt?“ - „Je natierlich; do ben ich mol üm 12ans Blanktalswasser bin Harz. Kasper din Hüüs gegenn un wull mich sö raicht lawe. Vun Wien han ich nischt geschmaacht. Daas Wasser bläib Wasser. Awwer de Engel han ich heert singe.´s kamb sö vum Wawerbiel her. Sö waas Scheenes han ich millabig na nit geheert.“ (J. F. )
Der alte G e m e i n d e d i e n e r A n r e e s Müller war ein Eichsfelder von echten Schrot und Korn. Beim „Üsklingeln“ machte er nicht viele Worte. Dabei verstand er es, die trockenen amtlichen Texte der Bekanntmachungen dem Volke mundgerecht zu machen, indem er sie oft in platter Sprache verkündete, zuweilen mit originellen Zusätzen und Erläuterungen. - „Daar Mann met dan Schlappöhren äss do! „Schwiene bie Julchen“ oder: „Fickel im Klööster!“ schallte es durch die Gassen. Und jeder wußte, daß im Gasthof zur Krone oder in Klosterzella Ferkel zum Verkauf standen. Für ihn war, wie für die Alten um 1900 überhaupt, Hochdeutsch eine Fremdsprache, die man nur mangelhaft beherrschte, und bei der man immer wieder ungewollt in Platt verfiel. So übersetzte er denn jeden Text, der ihm langatmig und gepreitzt erschien, kurz und treffend in die Volksprache, sein liebes Lengenfelder Platt.
Schlichtheit und Derbheit paarten sich bei ihm mit Frohsinn und Humor. Manches Scherzrätsel, von ihm selbst ersonnen, lebt noch heute im Volke weiter. War äsann (ist denn) d´r kreßte Räubväul? (D´r Gerichtsvollzir or Axkütter). - Was stettan am letzten Hüse?) (´s ohnäinsletzte = zweitletzte). - Wö hettan ‘s Schwien de mäisien Hore? (Üssewänns). - Was ässan (ist denn) än Ärrtum (Irrtum)? (Wamme in de Haand sch . . . t und denkt, ‘s werr änne Gollammer). - Wann werd dann de Kuh wärr zum Reend? (Wann se geschlacht äss, do gitts känn Kuhfläisch, do gitts Reendfläisch). Solche und ähnliche Scherzrätsel hatte Anrees immer vorrätig und wußte sie bei passender Gelegenheit an den Mann zu bringen. Vetter Anrees ließ sich nicht verblüffen. Schlagfertig parierte er dämlich Anreden. Ein Halbwüchsiger, der ihm zurief: „Na, Vetter Anrees, Dee räucht je kaalt!“ erhielt zur Antwort: „D’r Damp get derch de Hosen!“ Zäh hing Vetter Anrees am Althergebrachten und wußte nicht genug des Rühmens der guten alten Zeit von früher. Mit Liebe und Hochachtung sprach er von seinem Jugendlehrer, dem „alen Michel“, wie der im Jahre 1878 verstorbene, als tüchtiger Schulmann gerühmte Lehrer Michael Lorentz im Volksmunde hieß.
„Der letzte Tag im Jahre war für Anrees der schönste. Brachte er ihn doch in den Genuß eines alten, einträchtigen Gemeindeprivilegs. Von Haus zu Haus zog er dann, den Quersack über der Schulter und das ungefüge Nachtwächterhorn unterm Arm, das „nuiwe Johr“ zu blasen. Und in des Quersacks gähnende Hohlung flossen Würste, Speck -
stücke, „hartes Wark“ ( = Hülsenfrüchte) und allerlei sonstige für Küche und Haushalt nützliche Sachen, während der Geldbeutel am Ende der Runde eine beachtliche Schwere aufwies“ (Eichsfeldia Nr. 73; 30.3.1911).
Nachdem der alte Gemeindediener sich zur Ruhe gesetzt hatte, ging seine Frau Mrilene in die Zigarrenfabrik. Nun mußte Vetter Anrees das Essen kochen; aber blieb ihm noch Muße genug, um bei schönem Wetter stundenlang im Fenster zu liegen, sich von Passanten ansprechen zu lassen und mit ihnen Gespräche über das Wetter oder über Dorfneuigkeiten zu führen. Wenn aber ein Neugieriger fragte: „Was kochte dann hitte, Vetter Anrees?“ dann bekam er regelmäßig zu hören: „Oh, än bischen Katüffelsoppen, än bischen Katüffelsoppen!“
Der Lehrer A u g u s t D i e t e wirkte von 1882 - 1895 in Lengenfeld und steht bei den alten Lengenfeldern noch in guter Erinnerung. Glänzende Unterhaltungsgabe, natürlicher Mutterwitz und schlagfertige Antworten in jeder Lebenslage machten ihn weit und breit bekannt und beliebt. Einst kam Diete von Krombach her mit einigen Kollegen im Kutschwagen zu einer Konferenz nach Dingelstädt gefahren, die bis dahin von der Lageweile beherrscht wurde. Durch wenige, mit todernster Mine geäußerte humorvolle Bemerkungen trug er sofort eine fröhliche Stimmung in die Versammlung. Überall und immer war Diete ein gern gesehener Gast, der Frohsinn brachte und den Trübsinn verscheuchte.
Auf einer Lehrerkonferenz in Lengenfeld mußte Diete eine Lehrprobe halten. Es sollte das Lied „Im schönsten Wiesengrunde“ eingeübt werden. Alles ging wie am Schnürchen. Nur eins bemängelte der gestrenge Herr Schulinspektor Dr. Regent, nämlich daß die Geige nur mit einer Saite versehen war. Schlagfertig erwiderte Diete: „Ein Meister wird auch mit einer Saite fertig.“ Dröhnender Beifall und allgemeine Heiterkeit lohnten den Wackeren. Selbst Dr. Regent konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Am lautesten aber lachte und klatschte der damalige Lengenfelder Ortsschulinspektor Sachse mit den Lehrern im Hotel Grundmann - vulgo, „die Farbe“ genannt - eingekehrt. Nur August Diete, der große Humorist und ausgezeichnete Gesellschafter fehlte, weil er eine kleine Verletzung an der Nase hatte. Sachse schickte ein Briefchen an Diete mit der Bitte, doch in die „Farbe“ zu kommen und zur fröhlichen Unterhaltung beizutragen. Dieser jedoch schrieb auf die Rückseite des schulrätlichen Briefes folgende ablehnende Antwort:
„Daß die Herren in der Farbe!
Sich nicht ärgern an der Narbe.
Meines Vorsprungs im Gesicht,
Eben deshalb - komm ich nicht.“ Diete
Eines Tages brachte Diete eine Sprechmaschine (ein Grammophon) mit in die Schule. Nach den Klängen einiger Schlager wie „Stiebel muß sterben, ist noch so jung, jung, jung“ und „Im Grunewald, im Grunewald ist Holzaktion“ ließ er dann seine kleinen Jungen und Mädchen tanzen, während er selber schmunzelnd den Platzmeister spielte.
____________
Der Spuk im Zellschen Grunde
Vor vielen Jahren zogen an einem Aschermittwoch der alte Hischens Heusepp und Albackersch Niklais mit einem Handschlitten zum Ferkelkauf nach Mühlhausen. Zum schutze gegen die Kälte nahmen sie bisweilen einen herzhaften Schluck aus ihren Kännchensflaschen, die in der Oberländer Schenke vorsorglich gefüllt worden waren.
An Stellen, wo die Straße sich senkte, kamen sie auf ihrem Schlitten schnell und ohne Kräfteverlust voran. Diesen fröhlichen Sport aus fernen Kindertagen übten sie nun wieder beim Teichhölzchen aus und gedachten verständigerweise ihn weiter auszunutzen auf der stundenlang ständig fallenden Heerstraße von Eigenrieden nach Mühlhausen.
Nicht weit von Kloster zella hörten sie plötzlich ein brausendes geräusch, und aus dem Walde hervor kam ein Ungetüm, gleich einem Pferd ohne Kopf, das in immer kleineren Kreisen um die Männer herumstampfte. Wie Dampf zischte aus seinem Halse der Atem und schloß die Wanderer in konzentrische Nebelringe ein. Die beiden Landsleute standen vor Schreck wie gebannt auf der winterlichen Landstraße, erweckten Reue und Leid und erwarteten das nahe Ende ihres irdischen Daseins. Ihre Haare sträubten sich zu Berge und hoben beinahe ihre derben Wintermützen mit hoch. In höchster Not faßte einer sich ein Herz, das Ungeheuer anzureden: „Dü kannst nischt gewulle. Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des häiligen Gäistes, Amen!“ wobei er sich bekreuzte; und plötzlich verschwand der böse Spuk, und sie standen allein auf stiller Winterstraße.
Wie aus schwerem Traume erwacht, starrten sie sich eine Weile wortlos und verwundert an, bis einer die Sprache wiederfand und den sinnvollen Vorschlag machte, die aufgeregten Nerven durch einige herzhafte Schlücke aus ihren Kännchensflaschen zu beruhrigen, wogegen der andere nicht einzuwenden hatte. „Trinke Trost des reinen Lebens!“ mögen sie wie Goethe (im Zauberlehrling) gedacht haben, als sie, auf ihrem Schlitten sitzend, die Fläschlein bis zur Nagelprobe leerten, in dem frohen Bewußtsein, daß es ja in Struth, Eigenrieden, Peterhof und Mühlhausen an Gelegenheit zum Wiederfüllen nicht mangele.
Nie in ihrem Leben hat ihnen, wie sie immer wieder versicherten, der Branntwein so gutgetan, als nach dem unheimlichen Abenteuer bei Kloster zella. Keine Macht der Erde aber hätte die beiden Biedermänner veranlassen können, fürderhin an einem Aschermittwoch über Land zu gehen. (Erzählt von Bodens Wase Kathrin, Michels Mutter, die es von ihrem Onkel Schwarzmann, Hischens Heusepp gehört hat).
____________
N A C H T R Ä G E
Z u S e i t e 1: Zwischen den Abschnitten 4 und 5 einfügen (nach Rocholz). „Hier sei angemerkt, daß die Trauerfarbe sehr verschieden ist bei den Völkern der Erde: gelb bei den ägyptern, dunkelbraun bei den Persern, bei den G r i e c h e n und R ö m e r n für die Männer schwarz, für die Frauen w e i ß ; blau trauern bisweilen die Mohammedaner, w e i ß die C h i n e s e n. Die Südvölker verwenden schwarz bei Todesfällen statt der üblichen roten Körperbemalung. In D e u t s c h l a n d galt noch im 14. Jahrhundert w e i ß als eigentliche Trauerfarbe, offenbar, weil sie im Norden natürliche Winterfarbe ist; dann erst folgt das Schwarz und kämpft noch heute hie und da mit dem Weiß. Violett und Rot kennt man aus England und Frankreich im Mittelalter, bevor die weiße Farbe allgemein wurde - vielleicht wieder allgemein neben der schwarzen. Seit dem 17. Jahrhundert scheint in Deutschland das Schwarz gesiegt zu haben. Immer wieder aber treten weiße Frauen - Schleier auf; und immer wieder auch neigt überall in der Welt die Trauer gelegentlich zu üppigen Kleidermoden, wie es auch der Volksbrauch tut, dem auch die Trauer feierlich und festlich ist und des Schmuckes bedarf, der bedeutungsvoll ist und zugleich Zauber ausübt.“ (Aus: „Vom deutschen Jahreslauf und Brauch“ von Hans Hahne, verlegt bei Eugen Diederichs, Jena, S. 65.)
Z u S e i t e 1: Zwischen Abschnitt 5 und 6 (nach Dr. W. Peßler): „Bei den Verhüllungen der Frauentracht tritt der alte Schutz - und Gegenzaubergedanke deutlich zutage . . . so zeigen doch ältere Abbildungen weiblicher Bestattungstrachten die Sorgsamkeit, mit der man sich gegen die Gefahren eines Nachgezogenwerdens abdeckte.“ (Dr. W. Peßler, Handbuch, 1934 - 1938, 2. Bd., S. 193.)
Z u S e i t e 5, oben, vor Iserheide, Krs. Minden, einzusetzen: Im R a v e n s b e r g i s c h e n tragen die Heukenweiber oder Klageweiber bei Beerdigungen ein schwarzes Tuchkleid, schwarze Schürze und ebensolche Kapuze. Unter der Kapuze, so daß die Stirne verdeckt ist, eine weiße Binde. je nach der sozialen Stellung der leidtragenden Familie saßen 3 - 8, bei Sattelmeiern bis zu 10 Heukenweiber vorne
auf dem Leiterwagen. Hinter ihnen stand der Sarg. Jostes zeigt in seinem Trachtenbuche Abbildungen von Heukenfrauen aus allen Landschaften Westfalens (Eduard Schoneweg, Das Leinengewerbe in der Grafschaft Ravensberg, verlegt bei E. Gundlach, Bielefeld, 1923, S. 192).
Z u S e i t e 5, zwischen Abschnitt 4 und 5 (nach Wendenfrauen):
In einigen Ortschaften, z. B. in dem Dorfe Schleife, werden heute noch (1957; d. Verf.) die großen weißen Trauertücher von den Frauen getragen (Natur u. Heimat, 10/1957, S. 319; Wolf Lücking, Paul Nedo, Die Lausitz, Sorbische Trachten.“ - Akademie - Verlag Berlin 1956).
Z u S e i t e 6, Ceylon, Nordindien gehörend: Als der indische Freiheitskämpfer Tansia Topi am 18. April 1859 von den Engländern hingerichtet wurde, gaben zehntausend von waffenlosen Hindus, die sich in Weiß, die Farbe der Trauer gekleidet hatten, ihrem sterbenden Helden das Geleit (Aus einer illustrierten Zeitschrift).
_____________
A n m e r k u n g z u S e i t e 18, Abschnitt 2 (Frühstückssuppe): Haslach i. Baden 1849 „Ich war kaum aufgestanden und saß eben bei dem üblichen Morgenimbiß, einer Milchsuppe“ (Hansjakob, D. Theodor S. 59, Reclam, Leipzig 1908, S. 59).
Heinz Rosenkranz, Zur Geschichte d. Thür. Volksnahrung in Südostthüringen: „Im Thüringer Flachland hat sich wohl die Mehlsuppe länger gehalten, da sich noch heute (1957) die älteste generation ihrer erinnert“ (Thüringer Heimat, Jahrg. 1957, 3/148 Weimar).
Z u S e i t e 18, Abschnitt 2 (Bohnenkaffee): Die ersten Kaffeebohnen brachte um das Jahr 1875 eine Frau namens Steinwachs mit ins Dorf. Es dauerte jedoch noch eine Reihe von Jahren, bis auch die ärmeren an gewissen Tagen (Festen) sich Bohnenkaffee mit Cichorie gemischt, leisten konnten.
Z u S e i t e 21. G e m o ß e n. 1500 - Eschwege und Umgegend: ...... daß die vom Augustinerkloster zu Eschwege besessenen, unten genannten „Gemoßen“, geholzte und gebirge . . . mit Malsteinen abgegrenzt worden sind. Die vermessung erstreckte sich auf folgende „gemoße“ und Gehölze: eine „gemaißen“, genannt der Hartrodisberg, eine „gemoßen“ und eine „gelengede“ die hinaufgehen bis in die Telle, eine „gemoßen“ zwischen den gen. gemoßen und Symon Smedes Kindern „gemoßen“, ein Ort oder „gemaiße“ Holz an dem Eckewege, stoßend an der Augustiner Holz, ein „ort“ Holz über den vorgenannten „gemaißen“, stoßend oben an den „oreyn“ . . . (A. Huyskens, D. Klöster d. Landschaft an d. Werra, Marburg, Elwert 1916, n. 720).
Z u S e i t e 21 (Habezucht), Anmerkung: Wallis (Schweiz), Thomas Platter. 1499 - 1582: „Da der Bauer, der hieß Antscho (Antoni) an der H a b z u c h t . . .“ (Thomas Platter, herausg. v. Horst Kohl Voigtländers Verlag, Leipzig, 1912, S. 16).
Z u S e i t e 23: Wenn Vetter Andrees beim Ausschellen nach den neuen Bekanntmachungen gefragt wurde, falls er gerade von einer Ausrufstation zur nächsten unterwegs war, fertigte er die neugierigen Fragen unwirsch mit der Bemerkung ab: „Nischt värr Battelhete, nischt värr Battelhetel.“
N a c h t r ä g e z u „D i e w e i ß e T r a u e r f a r b e „
Z u S e i t e 1, zwischen die Abschnitte 4 (Rocholz) und 5 (Dr. W. Peßler) gehörend:
Prof.Dr. Walther Steller nimmt an, daß die weiße Trauerfarbe aus Paris stammt. Die modische Witwentracht der französischen Königin im 15. Jahrhundert war weiß; sie wurde deshalb „reine blanche“, die „weiße Königin“ genannt. Diese Mode wurde um 1600 Trauerform der Straßburger Patrizierinnen, in der Folgezeit sodann bürgerliches und bäuerliches Brauchtum von Vorarlberg bis Nordfriesland und den gesamten ostdeutschen Raum. - Soweit Dr. Steller.
Z u S e i t e 6, Abschnitt 2, I t a l i e n : Zur Zeit des Dichters Dante Alighieri, geb. 1265 zu Florenz, gest. 1321 zu Ravenna, gehörte zur Witwentracht eine weiße Binde (Com. Div. Purg. 8.Ges. Vers. 74; Reclams Ausgabe S. 178 unten).
_____________________
N a c h t r ä g e z u „S i c h e l u n d S e n s e „
Zu Seite 9 zwischen die Abschnitte 1607 und 1687:
1630 - S c h l e s i e n , D e u t s c h b ö h m e n (?) Balthasar Schnurrn, Vollständiges und schon aller Orten bekanntes Kunst-, Haus- und Wunderbuch. Frankfurt a. M., Kaaß. In dem Buche läßt nur eine Stelle, in der von „geschnitten oder gehauen koren“ die Rede ist, auf die Art der schneidenden Erntegeräte, in diesem Falle also Sichel u n d Sense, schließen (S. 239), Von Korn - Ohst.).
Zu Seite 9, zwischen die Abschnitte 1691 und 1741:
1713 - Der kluge Landmann, Franckfurt und Leipzig, 1713, Anderer Teil, Seite 69/70 „Die Art des Schneidens betreffend .... gestalten man entweder die Früchte mit denen Sicheln oder mit einer Sensen auf dem Boden abgeschnitten; oder man hat eine Hand voll angefasset / und in der Mitten abgenommen. Heutigen Tages aberist es die gemeinste Weise, daß man mit der linken Hand das Stroh anfässet und mit der in der rechten Hand gefaßten Sichel abschneidet. Wann dann solches geschehen, wird erstlich die Frucht auf die Bänder geschnitten und etliche Stunden an der Sonne gelassen .... Nachgehends werden die Garben zusammen gebunden und aufgestellet.“
Ebenda, Anderer Teil, S. 428/29, „Das Gras wird mit der Sensen oder auch mit der Sichel oder dem Grasstumpf abgeschnitten, absonderlich wo Mangel an Wiesen ist, allwo die Leute nachzumähen und wann etwas stehend geblieben, daselbige durch die Nachmähe, welches man die Wiesen schrapfen, ficilire pratum nennet, zu nutzen flegen.“
Zu Seite 10, nach 1734 (Joh. Chr. Adelung):
1763, G ö t t i n g e n und U m g e g e n d . - Beckmann, Johann, Grundsätze der teutschen Landwirthschaft, Göttingen und Gotha, Dietrich, 1763, S. 86/87 „Das Getreide wird entweder mit der Sense abgemähet (gehauen) oder mit der Sichel geschnitten. Jenes scheint vor letzterem unstreitige Vorzüge zu haben; beyde Werkzeuge sind aber in verschiedenen Gegenden von verschiedener Beschaffenheit.“
„Von der Vergleichung der Sense und Sichel, siehe Schriften der Berner Gesellschaft 1762, 2, S. 199 und 1763, 3, S. 168; - du Hamel, la culture des terr., VI und daraus einen Auszug biy Mill I, S. 416.
Oek. Nachrichten III, S. 645, Museum rusticum I, S. 36 und 309, wo die Fig. 5 und 6 abgebildete sogenannte Hennegauische oder Hausense eben diejenige ist, welche auch hier, um Göttingen, unter dem Namen der Klopfsense nebst der gewöhnlichen, gebraucht wird.“
„Mit der Sense wird entweder an- oder abgehauen. Ist ersteres, so folgt der Mäher ein Abraffer, ist aber letzteres, so kömt das Getreide in lange Strecken oder Zeilen, die man Schwaden nennet, zu liegen.“
Zu Seite 10. Es folgt anschließend:
1772 - M a u l b r o n n M. Balthasar Sprenger. Vollständige Anfangsgründe des Feldbaues oder Einleitung in die gesamte Landwirtschaft, S. 479. „Der Sichel gibt man die Figur eines Bogens, damit sie die Hand voll Halme recht faßt, welche man damit abschneiden will.“ - Sprenger wohnte in Maulbronn. - Das Buch ist in Stuttgart bei Mezler erschienen.
Zu Seite 10. Es folgt anschließend:
1799 - Christian Friedrich Germershausen, Ökonomisches Reallexikon, Leipzig bei Gottl. Feind. Bd. 4, S. 384 „Die Sichel ist ein schneidenes Werkzeug, womit Gras und Getreide abgeschnitten werden .... Die Grassichel sind kleiner als die Kornsicheln ... In unserer Gegend (Germershausen war Pastor in Schlalach; d. Verf. ) ist zum Abschneiden des Korns nicht die Sichel, sondern nur die Sense gebräuchlich, weil die letztere weit mehr die Arbeit fördert. Man könnte sich aber auch da der Sichel bedienen, wo das Lagerkorn sehr unordentlich unter einander liegt und viel Zeit erfordert wird, eine Handvoll nach der andern mit der Sensenspitze hervor zu suchen, wobei das Abhauen mancher Ähren nicht vermieden werden kann; nicht zu gedenken, daß dergleichen verwirrtes Lagerkorn mit der Hand beim Absicheln mehr gerade auf das Schwad gelegt / und hiermit das Einsammeln des Getreides auch erleichtert wird, weil das Absicheln durch die Mägde geschehen, und hiermit eine Ausgabe für die Schnitter oder Mäher erspart werden kann.“ -
Zu Seite 11:
1941 - S t i y n S t e u v e l s (Frank Lateur), geb. 4.10.1871 in Heule, lebte in Ingovigem, schrieb über die südflämischen Bauern.
„Die Schnitter stehen gebeugt in Hemd und Hose da, haben aufgekrempelte Ärmel und ein geknotetes Taschentuch auf dem Kopf zum Schutze gegen den Sonnenstich. Sie haben die Sichel in der einen, den Haken in der andern Hand und schneiden in regelmäßigen Schlägen die zusammensinkenden Halme über der Wurzel ab; mit dem Haken werden die Halme aufgefangen und in Garben nach rückwärts gezogen, wo sie in einer Reihe bereit liegen, um gebunden zu werden:“ (Die zwölf Monde, Engelhorn - Verlag Adolf Spemann, Stuttgart 1941, S. 80).
Es folgt anschließend:
1941 - In der Umgegend von Linz a. d. Donau schnitten im Jahre 1941 die Bauern ihr Getreide mit der Sichel in der Art, wie Peßler es 1930 in der Steyermark sah.