Annaberg - Vom gutsherrlichen Vorwerk zum LPG-Betriebsteil

Oberhalb des heutigen Evangelischen Altersheimes Kloster Zella liegt auf einem Bergvorsprung des Friedatales, gekennzeichnet durch die Verwitterungsprozesse der hier vorhandenen Muschelkalkformation, die ehemalige Gutsschäferei Annaberg. Name und Ursprung kommen von der früheren Wallfahrt zu Ehren der heiligen Anna her.

Nach der Schul- und Ortschronik von Struth von Gatzemeyer war der Annaberg ein von weit her gern besuchter Wallfahrtsort. In dieser idyllischen Waldecke, begünstigt durch die einwandfreie Akustik des nahen Friedatales, waren die Gesänge der heranziehenden Prozessionen für das Gemüt ein Hochgenuss. Nur eine Stelle aus der Schul- und Ortschronik von Struth von Gatzemeyer möge das bekräftigen: „Als einst Schreiber am Feste der hl. Anna sich diesen Genuss bereiten wollte und sich daher an den Rand des Berges begab, traf er daselbst einen alten Mann, welcher äußerte, dass er zu gerne an diesem Ort verweile. Dieser mir damals so schätzenswerth gewordene Mann, ich glaube, ich darf ihn hier nennen, war der Buchdrucker Herr Friedrich Cordier aus Heiligenstadt“. Er kam alljährlich im Sommer hierher.

Auf einer alten Grenz-Regulierungskarte ist der Annaberg eingezeichnet als ein Vorwerk von Kloster Zella. Noch zu Klosterzeiten wurden die Ländereien des Annaberges sehr beschwerlich vom Kloster aus verwaltet. Ein schmaler Talweg, heute noch als Wirtschaftsweg bezeichnet, führte aus dem Talgrund auf die Höhe des Annaberges. Ackergeräte, Wagen und Vieh mussten hier transportiert werden. Es war eine recht unrentable Angelegenheit.

Nach der Säkularisation im Jahre 1810 wurden die Mühlhäuser Kaufherren Rohling und Lutteroth weltliche Besitzer von Kloster Zella und damit auch des Annaberges; die Annenkapelle war in dem Vertrag nicht namentlich angegeben. Ein langwieriger Rechtsstreit erkannte ihnen schließlich das Eigentumsrecht am Annaberg und seiner Kapelle zu.

Es sind nun genau 100 Jahre her – im Sommer 1869 wurde die Annen-Kapelle abgebrochen – seitdem der Annaberg nunmehr der reinen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung zugänglich gemacht wurde. Mehrere Male wechselten die Besitzer des ehemaligen Klostergutes Zella und noch öfters wechselten die von diesen eingesetzten Pächter oder Verwalter. Mit Hilfe der Einwohner von Effelder und Struth, die meistens für einen recht kargen Lohn auf den ca. 500 Morgen umfassenden Ländereien arbeiten mussten, wurde die Ökonomie des Annaberges aufrecht erhalten.

Ständig beschäftigte Landarbeiter und der Schäfer bewohnten die neben dem früheren uralten Kranz von 14 stattlichen Linden errichteten Landarbeiterwohnungen. Einige von ihnen stehen noch, aber das alte Pfarrhaus am Wege der früheren Schäferei gegenüber musste wegen Baufälligkeit vor etwa 10 Jahren ebenfalls abgebrochen werden.

Mit dem letzten Kloster- und Annaberg-Besitzer führte die Gemeinde Struth in den Jahren 1923-1925 Verhandlungen zwecks Pachtung der Ländereien, um dort auf Genossenschafts-Basis eine Gemeinde-Dauerweide anzulegen. Das Unternehmen begann 1925 und arbeitete auch einige Jahre rentabel. Sobald aber niederschlagsarme Perioden kamen, waren die großen Weideflächen mager bestückt.
Im Jahre 1931 lesen wir in wirtschaftlichen Notizen der Weideverwaltung: „Der Weidebetrieb des letzten Sommers steht in Bezug auf Rentabilität, beeinträchtigt durch die ungünstige Witterung, im Vergleich zu den ersten Jahren erheblich zurück“. Der leicht durchlässige Muschelkalk hielt die Nieder schlage zu kurz für die Vegetation auf und so wiederholten sich noch einige Jahre hintereinander diese wirtschaftlichen Rückschläge. Infolge unseres rauen Klimas – die Weide lag unmittelbar unter der höchsten geologischen Verwerfung des Landkreises Mühlhausen (500 Meter über dem Meeresspiegel) – war auch die Wachstumsperiode zu kurz. Das Unternehmen war im Jahre 1936 nicht mehr tragbar, und so stellte denn die Genossenschaftsweide ihren Betrieb wieder ein. Die Ländereien gingen danach in die private Bewirtschaftung Struther Pächter über.

Nach 1945 zogen Neubauern auf dem Annaberg ein, und im Zuge der Bodenreform entstand hier eine regelrechte Neubauernsiedlung. Lange vor der Kollektivierung der Landwirtschaft gründete sich hier eine kleine Genossenschaft, die aber mit 39 Einwohnern und 124,39 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche überhaupt nicht leistungsfähig war. Im März 1966 übernahm die LPG „Obereichsfeld Struth“ den Annaberg als Betriebsteil. Der Annaberg, vorher dem Kreis Worbis zugehörig, wurde dann in den Kreis Mühlhausen übernommen und als Ortsteil von Struth eingemeindet. Die Bewirtschaftung ist seitdem in besten Händen. Die Übelstände wurden beseitigt, die nach dort verlagerte Viehaufzucht rentabel gestaltet, die Arbeiter vom Annaberg in die LPG „Obereichsfeld Struth“ übernommen und Stallungen und Straßen besser ausgebaut. Damit ist die Ökonomie des Annaberges heute in bewährten Händen.

Vinzenz Hoppe (1969)