Als man noch in Lengenfeld unterm Stein Bier braute

Nach den Gemeindeakten bearbeitet von Georg Leister

Die kurmainzischen Landesherren hatten den großen eichsfeldischen Gemeinden die Braugerechtigkeit verliehen. Diese Dörfer waren berechtigt, in ihren gemeindeeigenen Brauhäusern für den örtlichen Bedarf Bier zu brauen. Durch eine kurfürstliche Verordnung aus dem Jahre 1561 hatte auch Lengenfeld unterm Stein dieses Vorrecht erhalten, „soviel Bieres zu ihrem Essen zu brauen, als sie bedurften". Jedoch war es untersagt, Bier außerhalb der Ortschaft zu verkaufen.

Das Lengenfelder Brauhaus stand im Mitteldorf, in der Backgasse am Friedabache, eine günstige Lage, da zum Brauen viel Wasser benötigt wurde. Als Neubau war es 1822 auf dem Platze des alten baufälligen Brauhauses, als langes einstöckiges Fachwerkgebäude, zwischen den Wohnhäusern von Wilhelm Hedderich und Jakob Schade errichtet worden. Die Giebelseiten zeigten nach Osten und Westen. Nur die ältere Generation Lengenfelds kann sich noch dessen erinnern, da das Gebäude bereits schon vor dem ersten Weltkriege, weil es als Ruine das Dorfbild verunstaltete, abgebrochen wurde.

Ein Inventurverzeichnis, das sich bei den Gemeindeakten befand, gab sämtliche Gegenstände, die man zum Bierbrauen benötigte, an. Es nannte eine kupferne Braupfanne, die 1797 von dem Kupferschmied Müller in Eschwege für 344 Taler angefertigt war und ein Gewicht von sieben Zentner hatte. Ferner waren vorhanden zwei kleine und zwei große eichene Braubottiche, ein steinerner Wassertrog, drei Schoppen, zwei Maischbäume, ein hölzerner Bierstab und eine Metze zum Malzmessen.

Das Brauhaus und die Gemeindeschänke wurden zusammen einem Pächter vergeben, so dass der Gemeindewirt auch das Bierbrauen besorgte. Der Pachtpreis für beide Häuser betrug 1830 28 Taler. Außerdem Pachtgeld musste der Wirt für jedes Fass Bier, das in der hiesigen Braupfanne gebraut wurde, zwei gute Groschen = 25 Pfennige an die Gemeindekasse zahlen. Diese Einnahme wurde in den Gemeinderechnungen als „Pfannengeld" bezeichnet.

Der Pächter war verpflichtet, ein gutes und gesundes Bier, aus luftgetrocknetem Malz gebraut, zu liefern, richtige und geeichte Maße in Gläsern und Krügen zu führen und die Braugeräte vor und nach dem Brauen sorgfältig zu reinigen. Um Grünspanbildung, ein giftiges Kupferacetat, in der Braupfanne zu verhindern, wurde diese vor jedem Brauen immer mit Schmalz eingefettet. Diese Arbeit besorgte der Gemeindediener. Die Kosten für das Kaufen des Schmalzes, die mit 25 Silbergroschen jährlich angegeben sind, trug die Gemeindekasse. Daher findet man in allen alten Gemeinderechnungen bei den Ausgaben die Bezeichnung „Pfannenschmiergeld". Als Entschädigung für seine Tätigkeit im Brauhause, erhielt der Gemeindediener nach jedem Brauen sechs Eimer Dünn- oder Nachbier, das nach Abzug der zweiten Würze durch einen kalten Aufguss auf die Treber hergestellt wurde.

Das Quart Bier, nach preußischem Maße waren dieses 1,15 l, kostete im Wirts- und Brauhause 6 Pfennig. Den Bierpreis setzte die Ortsbehörde nach der Höhe des Malzpreises fest. Es möge auch erwähnt werden, dass die Lengenfelder Burschen berechtigt waren, das Bier, das sie zur Kirmesfeier benötigten, selbst im Brauhause zu brauen.

Als etwa in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in den Kreisstädten die gewerblichen Bierbrauereien aufkamen, wurden deren Biere in den eichsfeldischen Dörfern immer mehr begehrter, und so kam das dörfliche Bierbrauen zum Erliegen. Im Jahre 1840 wurde von dem Schankwirt Jakob Lorenz zum letzten Male Zapf- und Pfannengeld gezahlt. Somit endete ein althergebrachtes, örtliches Brauchtum.

Georg Leister
(Quelle: Eichsfelder Heimatstimmen. Nr. 4 – April 1972)