Als Lengenfeld unterm Stein von der Pest heimgesucht wurde
Mehrmals durchzog der „schwarze Tod“ mit all seinem Grauen und Schrecken das Eichsfeld. Wenn man glaubte, er habe nun dieses Gebiet verlassen, kehrte er noch einmal zurück, und zwar viel furchtbarer als zuvor. Nach Wolfs „Politische Geschichte des Eichsfeldes“ betrug die Zahl der Todesopfer im Amt Bischofstein 1743 Menschenleben. In Lengenfeld wurden diejenigen, die an Pest starben, am Siechrasen begraben. Johannes Hardegen ließ dort ein Kreuz errichten. –
Noch heute erzählt man sich eine Sage aus der Pestzeit, höchstwahrscheinlich stammt diese von der letzten Pestwelle her:
„Es schlägt die Uhr zur Mitternachtsstunde. Die Winde sausen und toben. Düster ist die Nacht, da klopft der Tod, der eiskalte Tod, ans erste Haus von Lengenfeld. Er forderte das erste Opfer der Pest. So geht es weiter, das zweite, das dritte Haus – barg einen Toten. Der Tod schwingt seine Sense und es fallen blühende Menschenleben – so, wie die Ähren beim Mähen. Tiefer Schmerz wohnte in den Herzen der Angehörigen. Angst, Sorge, Kummer und Mitleid rang in ihnen. Ein großes Weh ergriff die Gemüter. Stolz und Ansehen brach in Massen. Erschaudern und Erschüttern wohnten in ihrer Mitte.
Da lag ein Kind – umjammert von der klagenden Mutter. Hier lag stilles Gedulden auf den Zügen einer Mutter, die bald hernach das Zeitliche segnete. Ein reicher Gutsbesitzer starb fluchend. Ein altes Mütterchen faltete die Hände zum letzten Mal. Der größte Geschäftsmann starb mit seinem Geldsack in der Hand. Ein Familienvater segnete seine Kinder, bald danach brach sein Auge. Lautes Rufen drang zu Gott, aus gepressten Herzen. Flehentlich falteten die noch Gesunden die Hände. Tag und Nacht rief man zum Herrn um Hilfe. Bis an die Ecke des Oberdorfes war die Seuche gedrungen. Da erscholl der Ruf, aus unbekanntem Munde: ‚Trinkt Pimpernell, dann sterbt ihr nicht so schnell.’ Es wurde Pimpernell gesammelt und gekocht – und wie ein Wunder, das häufige Sterben nahm ein Ende. Gott wurde gepriesen – ihm wurde gedankt für seine Güte. Eine Prozession wurde festgelegt. Lob- und Danklieder wurden gesungen.“
So hat man es bis zum heutigen Tage erhalten. Noch heute nennt man die Ecke, bis zu welcher die Seuche so stürmisch gedrungen war, „Wietsteinsecken“.
Wer es nicht glauben will, der frage einen alten Lengenfelder.
Anneliese Blacha
(Quelle: Lengenfelder Echo, Nr. 2/3 1956)