Adam Richwiens Beerdigung
Lengenfeld, 1. Oktober (1928)
Die Reihen der auf literarischem Gebiet Schaffenden haben sich in den letzten Jahrzehnten arg gelichtet. Hermann Iseke, dem bedeutendsten der Sänger seiner Heimat, folgen ins Jenseits Karl Macke, Emil Jakobi, Albert Hörning, Martin Weinrich, Fritz Fuldner. Und nun hat sich der Grabhügel auch über Adam Richwien gewölbt, diesem schlichten, hochbegabten, liebenswürdigen Volksdichter der in Wahrheit von sich sagen konnte:
"Heimat dir, du liebe traute
Sang ich, bis die Saite sprang …"
Dass auch seine engere Heimat erkannte, was sie an Adam Richwien verlor, ergab sich aus dem ehrenden Gedächtnisworten, die Herr Pfarrer Krebs während des Hochamts in die Predigt einflocht. Ein Blick auf den Lebenslauf dieses Kreuzträgers und Heimatsängers werfend, betonte er, dass Richwiens Gedichte stets tiefe Gottesfurcht und Heimatliebe beseelt habe und daher zur Hebung der Religiosität und zur Förderung der Heimatbewegung beigetragen hätten. Als Mensch habe der Entschlafene sich stets eines guten Lebenswandels befleißigt und ein edles Beispiel gegeben, das nur Nachahmung ansporn.
Als er vor einem Jahr den schönen Spruch dichtete, den jetzt die neue Glocke seiner Heimatkirche ziere, – als er dem Wirken des entschlafenen Pfarrers Kirchner und dem Einzuge seines Nachfolgers Verse gewidmet habe, hätte niemand gedacht, dass er nun so bald auch die irdische Heimat mit dem Jenseits vertauschen müsse. Sein Andenken werde in seiner engeren Heimat und bei den zahlreichen Freunden, die er sich durch seine schöne Dichtkunst erworben habe, in Ehren bleiben.
Das stattliche Trauergefolge, das nachmittags nach der Vesper an dem Leichenbegängnis teilnahm, sowie die überreichen Kranzspenden, legten Zeugnis ab für die hohe Beliebtheit, deren sich der Heimgegangene erfreute. Hatte es den ganzen Sonntagvormittag in Strömen geregnet, so bahnten sich – während der Zug sich zum Friedhof bewegte – Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Wolken.
Nachdem die kirchlichen Funktionen am offenen Grab durch Herrn Pfarrer Krebs vollzogen waren und Herr Hauptlehrer Jünemann das Fünf-Wunden-Gebet beendet hatte, sang die Trauergemeinde ergriffen: „Es neiget sich zum End’ – bald, bald mein sterblich Leben …“ Namens des Turnvereins, der mit umflorter Fahne geschlossen am Grabe stand, widmete Herr Kirchner dem Dahingeschiedenen ehrende Worte. Sein Bild werden in den Herzen seiner Freunde wie ein teures Vermächtnis bewahrt werden. Treu habe Adam Richwien bis zum Tode seinem Gott, seiner Heimat und seinem Vaterlande gedient. Ein geistvoller, talentbegabter, gemütreicher Mensch sei in ihm dahingegangen, dem Liebe und Dankbarkeit über das Grab hinaus folge für all’ das Gute, was er erreicht und erstrebt habe. –
Namens der Freunde in Heimat und Fremde, die sich Adam Richwien durch sein poetisches Schaffen gewonnen hat, sprach Herr Schriftsteller Georg H. Daub an der offenen Gruft einen ehrenvollen Nachruf. Kurz sei der Lebenslauf Richwiens gewesen, noch kürzer die Spanne seiner dichterischen Tätigkeit, – aber schon in diesen wenigen Jahren habe er schöne Gedichte und Novellen zum Preis seiner engeren Heimat geschaffen, die ihm ein bleibendes Andenken sichern würden. So, wie die Eichsfelder das Grab des vor einiger Zeit in Göttingen verstorbenen Fritz Fuldner in Ehren halten würden, so würden sie auch zur letzten Ruhestatt Adam Richwiens wallen, wenn dessen Bedeutung erst überall recht erkannt werde. –
Damit hatte die Trauerfeier ihr Ende erreicht und die Leidtragenden zerstreuten sich. Überall konnte man nur Worte des Lobes über den edlen Charakter, die christliche Gesinnung und die außerordentliche Begabung des Toten hören. An dem frischen Grabe aber, das sich auf dem tannenumsäumten, abseits gelegenen Gottesacker geöffnet hatte, blieben nur die nächsten Angehörigen zurück, darunter die in fassungslosem schmerz weinende Ehefrau und drei unversorgte Kinder, ein Knabe und zwei Mädchen, sowie Geschwister des Entschlafenen. Möge der innige Anteil, den viele Eichsfelder in Heimat und Fremde an Adam Richwiens allzu frühem Tode nehmen, auch dazu beitragen, sie über den herben Verlust zu trösten.
Quelle: Eichsfelder Heimatbote, Heiligenstadt, Samstag den 6. Oktober 1928