2 Jahre Lengenfelder Echo

Man darf ruhig behaupten, dass in keiner eichsfeldischen Gemeinde auf dem Gebiete der Heimatforschung und Heimatpflege so rührig gearbeitet wird wie in Lengenfeld unterm Stein. In schöner Harmonie hat sich dort ein Kreis ernster und selbstloser Heimatfreunde in der Ortsgruppe des Kulturbundes zusammengefunden und ein Beispiel gegeben, dem manche größere Gemeinde und vor allem die Städte des Eichsfeldes nacheifern sollten.

Sicherlich wäre die Arbeit der Lengenfelder Heimatfreunde nicht auf so fruchtbaren Boden gestellt, wenn nicht Bürgermeister Münch mit der Gemeindevertretung und der gesamten Gemeinde voller Anteilnahme hinter dieser Arbeit stände. Man merkt es dem kleinen Orte im grünen Tal unterm Hülfensberge, seinen schmucken Fachwerkhäusern und sauberen Straßen an, dass er von liebenswürdigen Händen gepflegt wird. Im Gemeindeamt selbst wurde ein wunderschöner Kultusraum eingerichtet, und neben den schönen Ausflugszielen besitzt Lengenfeld unterm Stein seit einem Jahre eine erfreuliche „Besonderheit“. Denn voll Spannung erwarten die Einwohner Monat für Monat ihre Dorfzeitung, das „Lengenfelder Echo“, das von der Ortsgruppe des Kulturbundes herausgegeben wird.

„Vater Rummel“ – heute ein Achtzigjähriger – veröffentlicht in dieser Zeitung laufend seine Ortschronik und seine Forschungen über Burg und Stadt Stein; er ist über das Eichsfeld hinaus bekannt durch seine Schmetterlingsforschung, wurde doch eine eichsfeldische Abart des Buchenspinners nach ihm ,,Aglia tau ferenigra extrema Rummel“ benannt. Herr Lambert Rummel war trotz seines hohen Alters auch diesen Sommer wieder in Wald und Feld, um in unermüdlicher Kleinarbeit Insekten zu fangen und zu züchten – besonders unsere Nützlinge und Schädlinge – um seine Sammlungen immer noch mehr zu bereichern, die ein beachtenswertes Lehrmittel der Land- und Forstwirtschaft unserer thüringischen Heimat darstellen. „Wir schreiben für unsere Dorfzeitung alle ehrenamtlich“, erzählt Herr Rummel, „nur so kann unsere Zeitung erscheinen, denn die Auflage kann ja für eine Dorfzeitung nicht groß sein, und die Unkosten, die durch die Drucklegung entstehen, werden gerade durch den Verkauf der Zeitung gedeckt. Wir besorgen sogar die Zustellung selber. Aber jedes Haus in Lengenfeld kauft das Echo“.

Den zweiten Teil der Ortschronik, der die Zeit von 1815 bis zur Gegenwart erfasst, schreibt Lehrer Walther Fuchs. Wir lesen manchen schönen Aufsatz von ihm im „Lengenfelder Echo“. Walther Fuchs ist auch Berichterstatter für die Mundartforschung der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.

Voll Freude berichtet Bürgermeister Münch dem Gast, der Lengenfeld besucht, wie alle die heimatkundliche Arbeit fördern. „Ein werktätiger Bauer schreibt Gedichte“, sagt er, und bei einem Gang durch das Dorf begegnen wir diesem „Dichter und Bauern“, Herrn Josef Menge, der gerade mit seinem Gespann auf das Feld fährt. Eines seiner Gedichte im „Echo“ heißt: „Denn wäre nicht der Bauer, dann hättest du kein Brot“.

Rührig sind der Heimleiter des FDGB-Ferienheimes Bischofstein, Kollege Albert Resch, und der Kulturreferent, Kollege Ferdinand König. In jüngster Zeit wurde die Lage der ehemaligen Stadt Stein unter der Ruine des Bischofsteins erforscht. Die ehemalige Stadt Stein war von Graben und Mauer umgeben. Unlängst fand der Schlossgärtner, Herr Ewald Riese, viele Scherben, die von Gefäßen aus der alten Stadt stammen. Diese Scherben wurden vom Kollegen König in mühsamer Arbeit zusammengefügt und ergaben eine Grape, einen Becher mit rundem Fuß und eine Vase.

Im „Lengenfelder Echo“ lesen wir von allen diesen Forschungen, aber auch von Orchideen des Südeichsfeldes, von der Geburtshelferkröte, vom letzten Zehntschnitter, von der Arbeit der Gemeindevertretung, vom goldenen Priesterjubiläum des Herrn Pfarrers Johannes Krebs und von den Veranstaltungen des Kulturbundes. Ein treffliches Mundartgedicht über dem „Generalstreik“ ist unterzeichnet „Der Alte vom Berge“.

Die lebenden Heimatfreunde gedenken auch der Verstorbenen. Mit welcher Rührung lesen wir doch die Gedichte des Lengenfelders Heinrich Richwien, aus dessen Liederkranz hier nur die eine Strophe zitiert sei:

„Dort, wö de großen Wälder sinn,
met veelen Tann und Buchen drinn,
do wö es Trift und Bärge gibt
und wö de Heimatglocken lütt,
do es minn liebes Lengenfald,
do benn ich darheim.“

Der noch lebende Herr Heinrich Richwien widmete seinem verstorbenen Vetter, dem Heimatdichter Adam Richwien, in Anlehnung an dessen Gedicht „Vergessen“ die Strophe:

„Hin zu deiner Grabesruh –
Aus den Wipfeln der Zypressen
Raunt und flüstert es dir zu:
Die Heimat hat dich nicht vergessen.“

So schmiedet das „Lengenfelder Echo“ das Band zu einer echten Dorfgemeinde, in der man die Güter der Vergangenheit und Gegenwart liebt und pflegt. Möge alle die selbstlose Arbeit der Lengenfelder Heimatfreunde Nachahmung finden und vor allem das Herz der Schuljugend weiter machen und aufgeschlossener für ihr schönes Heimatdorf, damit die Jungen später als Erwachsene dieses Erbe stolz und froh übernehmen und es einst von den Jungen widerhalle, das „Lengenfelder Echo“.

Autor: Unbekannt
(Quelle: Eichsfelder Heimatbote. Mitteilungsblatt für alle Eichsfelder Landsleute in Ost und West. Heiligenstadt, Sonnabend, den 11. Januar 1958).