Joseph Richwien

Kunst- und Kirchenmaler (1912 - 1992)

Joseph Richwien

Am 10.01.1912 wurde Joseph Richwien in Lengenfeld unterm Stein als Sohn einer Bauernfamilie geboren.

Nach Absolvierung der Volksschule von 1918 bis 1926 in Lengenfeld unterm Stein erlernte er das Malerhandwerk in Mühlhausen bei der Firma Jakobi. Nach erfolgter Lehrzeit begann er seine Arbeit bei der Firma Aloys Schuchart, Bildschnitzerei und Kirchenmalerei, in Geismar mit weiteren Restauratoren und Kunstmalern unserer Region.

Um seine künstlerischen Fähigkeiten und seinen Erfahrungsschatz zu erweitern, nahm er eine Arbeit bei der Kunstmalerei Firma Willi Jakob in Würzburg auf. Im Jahre 1936 heiratete Joseph Richwien Frau Elisabeth Richwien, geborene Richwien.

Zu weiteren Studien besuchte er 1937 bis 1938 die Malerschule Karl Sonner in Olching bei München. Am 01.10.1940 musste Joseph Richwien sein künstlerisches Schaffen bis 1945 unterbrechen, um seiner Militärpflicht nachzukommen. Die Kriegsjahre brachten ihn nach Frankreich und Rußland. Ohne größere gesundheitliche Schäden und nach durchlaufener Gefangenschaft kehrte er 1945 auf Maria Himmelfahrt zu seiner Familie zurück.

Ab 1947 nahm er seine Arbeit als Kirchenmaler und Restaurator von seinem Heimtort aus für das Eichsfeld auf. Bereits 1949 malte er seine Heimatkirche mit der „Lebensgeschichte der Gottesmutter“ aus und gestaltete das Deckengewölbe des Chorraumes mit dem Gemälde „Gott Vater mit den zwölf Aposteln“. Außerdem restaurierte er 1950 die Decke der Kirche Siemerode.

1953 legte er den Grundstein seines Hauses. 1954 bezog er mit seinen 3 Töchtern und 1 Sohn dieses Haus, in welchem er 30 Jahre künstlerisch tätig war. Von 1956 arbeitete er als freischaffender selbständiger Maler und Restaurator in vielen Kirchen und Museen unserer Region und darüber hinaus.

1956 bis 1958 restaurierte er die Altäre der St.-Aegidien-Kirche in Heiligenstadt, 1962 die Altäre der Kirche Niederorschel und malte 1957 Deckenbilder und den Kreuzweg für die Kirche in Geismar. Ebenfalls 1957 restaurierte er Altäre und den Kreuzweg der Kirche in Küllstedt. Daran schlossen sich 1959 die Restaurierungsarbeiten der Deckenmalereien und Altäre der Kirche in Thalwenden, 1950 der Kirche in Bickenriede und 1962 der Kirche in Gernrode an. Hier in Gernrode malte er auch die Taufkapelle aus. Die Kirche in Effelder wurde von ihm 1960 bis 1964 ausgemalt. Zeitlich an diese Arbeiten reiht sich die Gestaltung je eines Kreuzweges für Hundeshagen und Breitenworbis, in Hundeshagen restaurierte er auch den Hochaltar und das Tonnengewölbe.

Die Mehrzahl der Kirchen und fast alle Altäre, die Joseph Richwien restaurierte, stehen unter Denkmalschutz. Im Sommer 1988 malte er trotz seines hohen Alters die Kirche in Lengenfeld unterm Stein aus. Er hinterließ auch für die Heimatgeschichte von Lengenfeld unterm Stein, für viele noch unbekannt, für Lengenfeld ein großartiges Lebenswerk.

Der am 02. Februar 1991 eingeweihte Hochaltar in der neugotischen dreischiffigen Hallenkirche von Lengenfeld unterm Stein stellt den krönenden Abschluß seines künstlerischen Schaffens dar.

Am 06. Januar 1992, wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag, verstarb nach kurzer Krankheit Joseph Richwien in Lengenfeld unterm Stein.

Der Gemeinderat der Gemeinde Lengenfeld unterm Stein beschloss in seiner Sitzung am 31. Januar 1992, Herrn Joseph Richwien die Ehrenbürgerrechte postum zu verleihen.


+++In memoriam Joseph Richwien+++
Eine Würdigung des Lengenfelder Ortschronisten Walther Fuchs


Am 6. Januar 1992 verstarb in seiner Heimatgemeinde Lengenfeld unterm Stein der weit über das Eichsfeld hinaus bekannte und geschätzte Kirchenmaler Joseph Richwien, wenige Tage vor Vollendung seines 80. Lebensjahres. Am 10. Januar, seinem Geburtstag, wurde er zu Grabe getragen.

Leer bleiben wird für immer sein „Stammplatz“ in der Schlossstraße in Lengenfeld unterm Stein, wo er mehrere Jahrzehnte seine kreativen Gedanken auf der Leinwand umsetzte und viele Gemälde, Kreuzwege und Altarbilder schuf.

Als Kirchenmaler und Restaurator hat sich Joseph Richwien um das Eichsfeld, aber auch um die Erhaltung zahlreicher sakraler Kunstgüter im gesamten Thüringer Raum verdient gemacht. Rund 100 Kreuzwege für Kirchen im Eichsfeld, im Thüringer Wald, in der Rhön, im Erzgebirge, ja selbst in Berlin hat er entworfen und gemalt.

Mit vierzehn Jahren war er bei namhaften Kirchenmalern und Restauratoren in die Lehre gegangen und legte damit den Grundstein für seine Fertigkeiten, die ihn als Meister in seinem Fach auszeichneten. Im Jahre 1946 hatte er in seinem Geburtsort Lengenfeld unterm Stein eine Kirchenmalerwerkstatt eröffnet. Seitdem hat er nicht nur sakrale Kunstwerke restauriert und so vor dem Verfall bewahrt, sondern vor allem viele Kirchen durch seine schönen und ergreifenden Kreuzwegdarstellungen und Deckengemälde bereichert.

Der neue, in der Lengenfelder Dorfkirche von ihm gemalte Hochaltar, der am 10. Februar 1991 eingeweiht wurde, krönte seinen außergewöhnlichen Lebensweg. Wie an diesem Altar, wo die Christianisierung des Eichsfeldes durch den hl. Bonifatius und die Verbindung der hl. Elisabeth zu Thüringen und dem Eichsfeld bildhaft dargestellt ist, so zog sich durch sein gesamtes Schaffen wie ein Leitfaden die tiefe Religiosität und Heimatverbundenheit.

Ob in seiner Heimatpfarrkirche, den Kirchen von Siemerode, Breitenworbis, Niederorschel, Gernrode, Thalwenden oder Friedrichsrode (Gemeinde Helbedündorf im thüringischen Kyffhäuserkreis), wo er die Gemälde „Geburt Jesu“, "Golgotha“ und "Auferstehung“ schuf – überall brachte sich Joseph Richwien hingebungsvoll und in meisterhaft künstlerischer Ausführung ein. Bis zu seinem letzen Atemzug blieb seine Schaffenskraft ungebrochen. Was der Geistesschaffende Rolland einmal mit den Worten „Der wahre Künstler wird niemals aufhören, seiner Kunst zu dienen“ umriss – auf Joseph Richwien traf dieses zweifelsfrei zu.

Joseph Richwien

Er hatte noch manch große Pläne, die nun auszuführen ihm der Tod nahm. Aber Joseph Richwien wird über seinen Tod hinaus den Eichsfeldern in Erinnerung bleiben – mit den ungezählten sakralen Kunstwerken und den schönen Kreuzwegdarstellungen, die er selbst bescheiden „ländliche Malerei“ nannte, die aber ausdrucksstark von der Glaubensverbundenheit und dem Einssein mit der umsetzenden Thematik künden.

„Ich bin dankbar, dass ich so vieles tun konnte“, hat er bei der großen Runde zu seinem 75. Geburtstag gesagt. Und dankbar sind nun vor allem die Eichsfelder für das, was er in über sechs Jahrzehnten leistete. Sein Sohn Peter-Raphael wird das Erbe seines Vaters weiterführen. So wird die Kirchenmalertradition des Hauses Richwien zum Lobe Gottes und zur Freude vieler Menschen weiterleben.

Wenn Joseph Richwien in das Atelier seines Lengenfelder Wohnhauses ging, galt sein Blick oft der kleinen Kreuzigungsgruppe an der Dielenwand. Einst geschnitzt von seinem Urgroßvater, war ihm dieses kleine Kunstwerk stets Erinnerung an die reiche handwerklich-künstlerische Tradtition der Richwiens. Doch eigentlich war sie ihm mehr. Sie war ein Stück Programm für seinen Lebensweg. Er hat im Glauben an den Auferstandenen gelebt und ihn mit seiner tagtäglichen Arbeit verherrlicht.

Lengenfeld unterm Stein und das gesamte Eichsfeld trauern um einen großen Künstler. Joseph Richwien wird unvergessen bleiben.

Am Freitag, dem 31. Januar 1992 wurde unser Kirchenmaler Joseph Richwien durch die Gemeindevertretung in einer besonderen Sitzung zum Ehrenbürger unserer Gemeinde Lengenfeld unterm Stein ernannt.


Joseph Richwien wäre am 10. Januar 100 Jahre alt geworden
Sakrale Kunst wurde weit über die Heimatregion hinaus geschaffen und restauriert


Das biblische Geschehen mit dem Leiden Christi und das heilsame Wirken von Heiligen haben keinen Eichsfelder Kirchenmaler des vorigen Jahrhunderts mehr inspiriert als Joseph Richwien. Am 10. Januar 1912 wurde er in Lengenfeld unterm Stein geboren. Davon zeugen allein etwa 100 Kreuzwege sowie Altarbilder und Deckengemälde für Kirchen im Eichsfeld, im Thüringer Wald, in der Rhön und im Erzgebirge. Selbst in Berlin hat er entworfen und gemalt.

Rund 2400 Kunstwerke sind es im Laufe des jahrzehntelangen Schaffens insgesamt geworden. Und es wären noch weit mehr gewesen, wenn Joseph Richwien nicht hätte in den Krieg ziehen müssen.

Aber selbst im Schützengraben hatte der von Malerei besessene Eichsfelder stets seinen Skizzenblock und den Bleistift dabei. Eine Brust- oder Umhängetasche mit einem Bündel von Zeichnungen retteten dem damals etwas über 30 Jahre alten Soldaten und Familienvater vermutlich das Leben, als sich in dem Papier Geschoss- oder Granatsplitter verfingen. Und ausgerechnet trafen sie den Kopf der wenige Tage zuvor mit Bleistift gezeichneten Mutter.

Diese und andere Porträts sowie Erinnerungen an die Heimat malte Richwien jeweils aus dem Gedächtnis heraus, weil er immer an zu Hause gedacht hatte. Im Familienarchiv befinden sich aber auch verschiedene seiner erhaltenen Arbeiten von Menschen aus den damaligen Kriegsgebieten. So von einer Ukrainerin aus dem Jahre 1943 oder von den Mädchen Susanna und Simon, die der Soldat und Maler am 22. November 1942 in dem kleinen Winzerdorf Moux an der französischen Mittelmeerküste traf und festhielt.

Schon lange vor dem Krieg hatte Joseph Richwien eine bemerkenswerte Schaffensperiode. Bereits als Kind war dessen künstlerisches Talent unverkennbar. Richtig "explodiert" muss er dann mit 13 oder 14 Jahren sein, wie sein Sohn Peter-Raphael sagt. Ein erstes Selbstporträt in Öl entstand 1931 als 19-Jähriger. An diesem Bild sollten später auch die Töchter Anneliese (Schriftstellerin Anneliese Blacha wohnt heute in Ferna), Margret und Theresia ihre Freude haben.
Ebenfalls 1931 wagte sich Joseph Richwien an ein erstes großformatiges Abendmahl-Gemälde heran. Auf diesem Bild hat sich der Künstler links am Tisch stehend als einer der Apostel selbst verewigt.

Weil er nicht auf der Stufe eines Malergesellen stehen bleiben wollte und ihn sein künstlerischer Schaffensdrang weiter trieb, besuchte er 1937/38 die Malerschule von Karl Sonner in Olching bei München. "Der Fleiß war vorbildlich, das Können hervorragend. Die selbstschöpferische Tätigkeit in ornamentaler wie figürlicher Art ist ausgezeichnet", wurde dem begabten 26-Jährigen in seinem Zeugnis bescheinigt.

Den Grundstein für sein späteres künstlerisches Wirken hatte er zunächst während seiner Lehre als Maler bei dem renommierten Malermeister Gustav Jacobi in der Erfurter Straße in Mühlhausen gelegt.
Im Jahre 1946 machte sich Joseph Richwien selbstständig und wirkte fortan nicht nur im geliebten Eichsfeld, sondern in vielen Teilen der damaligen DDR. Zu den ersten Werken zählten 1949 die großen Deckengemälde im Chor und im Mittelschiff in seiner Taufkirche "Mariä Geburt" in Lengenfeld/Stein. Ein Jahr später nahm er die Deckenrestauration der durch einen amerikanischen Bombenangriff schwer geschädigten Kirche "St. Nikolaus" in Siemerode vor. Auch den Altären von "St. Ägidien" in Heiligenstadt und "St. Marien" in Niederorschel verhalf er zu neuem Glanz.

Das Bild mit den Emmaus-Jüngern im Struther Hochaltar zählt ebenfalls zu den Arbeiten Richwiens. Hier hat er sich dem Barockstil auf exzellente Weise angepasst. Dass das Gemälde aus seiner Feder stammt, dürfte daher kaum bekannt sein.
Nicht wenige der Arbeiten des Lengenfelder Künstlers und Restaurators sind nach relativ kurzer Zeit aber wieder verschwunden. Warum unter anderem die 1952/53 entstandenen Bonifatius-Darstellungen in Wendehausen, die großformatigen Elisabeth-Bilder in der katholischen Pfarrkirche "St. Elisabeth" in Eisenach oder die Malereien in der Hildburghäuser Kirche vernichtet worden sind, darüber herrschen heute nach wie vor Rätsel und Schweigen.
Gekrönt hat Joseph Richwien sein bemerkenswertes Lebenswerk als 79-Jähriger mit dem Flügelaltar in seiner Heimatkirche. Dargestellt sind darauf Szenen aus dem Leben der heiligen Elisabeth von Thüringen sowie des heiligen Bonifatius.
Der außergewöhnliche Kirchenmaler verstarb am 6. Januar 1992 und wurde vier Tage später, genau an seinem 80. Geburtstag, in Lengenfeld zu Grabe getragen. Noch im gleichen Monat wurde er posthum zum Ehrenbürger von Lengenfeld/Stein ernannt.

Reiner Schmalzl
(Quelle: Thüringer Allgemeine vom 07.01.2012)