Mit 60 Pferdestärken 217 Meter hoch - Vor 50 Jahren wurde die Obereichsfeldische Verbandswasserleitung in Betrieb gesetzt (1961)

Überaus groß war die Freude der Bewohner der sechs Höhendörfer Büttstedt, Effelder, Eigenrieden, Küllstedt, Struth und Wachstedt, als in der letzten Oktoberwoche 1911 endlich eine Wasserleitung das ersehnte Nass spendete. Zunächst waren es in den einzelnen Orten noch die vollgelaufenen Brunnen, aus denen man schöpfte. Sämtliche Hausanschlüsse wurden aber im Laufe der Woche in Betrieb genommen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich überall die frohe Kunde: „Das Wasser ist angestellt!“, und alles stand in fieberhafter Erwartung an den Ausflussstellen. Am 6. November 1911 konnte der Obereichsfelder Wasserleitungsverband offiziell seinen Betrieb eröffnen.

Was war all dem vorausgegangen? Die genannten Dörfer litten unter einer katastrophalen Wassernot. Büttstedt hatte nur den „Margarethenbrunnen“, welcher gutes Trinkwasser spendete. Bei Wasserknappheit wurde er vom Gemeindediener täglich nur eine Stunde geöffnet. Das Wasser für das Vieh holte man an der Luhne, was zu Streitigkeiten mit dem Anröder Gutsbesitzer Wiersdorf führte. In Effelder speiste zwar der „Kellerborn“ durch eine Wasserkanalleitung mehrere Nebenbrunnen. Zur Zeit großer Trockenheit versiegte er aber und mehrere Feuersbrünste wurden zur Katastrophe. Eigenrieden hatte mit nur zwei Brunnen und einem Feuerlöschteich eine ebenfalls unzulängliche Wasserversorgung. Die Dörfer Küllstedt und Wachstedt hatten zwar viele Seen und Brunnen, doch wurden fast alle Seen trockengelegt und in Ackerland umgewandelt. Die Brunnen sind zumeist im Zuge der Dorfseparation zugeschüttet worden. Bei Wassernot musste von den Bewohnern der bezeichneten Dörfer der mühselige Weg nach den Quellen im „Luttergrund“ und im „Küllstedter Grund“ gemacht werden, die aber auch bald überlaufen waren.

Unerträgliche Zustände brachte die Wasserarmut in Struth. Wenn die wenigen öffentlichen Brunnen, wie „Pumpenborn“, „Scheunenborn“ und „Feldborn“ versagten, mussten die Einwohner hinab nach Kloster Zella zur „Friedaquelle“ zum Wasserschöpfen. Ein einziger Brunnen im Ort lieferte aber nur brauchbares Trinkwasser. Er stand unter Schloss und Riegel der Ortspolizei. Es bekam jeder Haushalt alle 7 Tage 20 Liter, sage und schreibe pro Tag nicht volle 3 Liter Trinkwasser! Da verstehen wir wohl den Ausspruch des Chronisten Gatzemeyer: „Mag uns der Himmel vor Feuersbrunst behüten!“ Der damalige Ortsschulze Fritsch schrieb in einem Notruf an die zuständige Behörde: „Wir wollen ja gern auf alles andere verzichten, denn auf eine Eisenbahnverbindung können wir doch zu unseren Lebzeiten nicht rechnen, um hierin mal den Kreis in Anspruch zu nehmen. Mithin, hochverehrte Herren des Kreistages, seid recht mildherzig und helfet, helfet uns die große Wassernot zu erleichtern, damit die Gemeinde nicht zugrunde geht. Der Kreistag kann sich in den Herzen aller Betroffenen ein stetes Andenken sichern, solange nur ein Tropfen Wasser aus der Leitung fließt.“

Ähnlich lauteten auch die Eingaben der anderen Gemeindeoberhäupter. Die betreffenden Stellen wurden aufmerksam. So erschien im Jahre 1909 der damalige Mühlhäuser Landrat, Geheimrat Dr. Klemm, in der Gastwirtschaft „Zum Deutschen Hause“ in Struth und erzählte dem Wirt Ruhland, dass er auf seinem Wege von Eigenrieden nach hier 64 Struther angetroffen habe, die aus dem Luhnschen Steinbruch Wasser geholt hätten. Dabei sei ihm die zweckmäßige Einrichtung aufgefallen, auf dem gefüllten Eimer ein Holzkreuz schwimmen zu lassen, um das Herausschlagen des Wassers zu vermeiden. Ruhland machte den Landrat auf die noch größere Zahl der Wasserholer bei Kloster Zella aufmerksam. Dr. Klemm versprach, sich mit allen Kräften für die Beseitigung dieser Not einsetzen zu wollen. Er hat sein Wort eingelöst, denn nunmehr wurde das bereits im Jahre 1880 angeregte Wasserleitungsprojekt Obereichsfeld ernstlich in Angriff genommen. In den beteiligten sechs Dörfern fanden sich weitblickende Männer, die sich rastlos dafür einsetzten. Im Jahre 1910 erfolgte der Zusammenschluss der sechs Gemeinden zum „Obereichsfelder Wasserleitungsverband“. Am 2. Juli 1910 erhielt er sein Statut und die Rechte einer öffentlichen Körperschaft. In Einwohnerversammlungen wurde nunmehr auf einen baldigen Bau der Wasserleitung gedrängt und allgemein wurde die Ansicht laut: Lieber erst Wasserleitung als elektrisches Licht.

Am Samstag, dem 14. Januar 1911 wurde in der Gemeindeschänke zu Effelder von 16 Mitgliedern des Verbandsausschusses der Zuschlag des in drei Lose aufgeteilten Projektes an folgende Firmen verteilt: J. H. Brandt, Kassel, Bräus, Braunschweig, und Deutz. Die Kosten der Anlage wurden veranschlagt auf 500.000 Mark.

Über den Bau selbst ist zu sagen: Das Wasser liefert die nie versiegende Gläsenerquelle im Luttergrund, die ihre Niederschlagszufuhr aus dem bergigen Westerwald erhält. Durch die Triebkraft der dicht vorbeifließenden Lutter wird das Wasser mittels einer Turbinenanlage für 60 Pferdestärken 217 Meter hochgepumpt zum Hochbehälter auf dem „Rain“ zwischen Effelder und Struth (517 Meter). Bei nicht ausreichender Wasserkraft treten zwei Dieselmotoren mit 50 Pferdekräften als Ersatzantrieb in Tätigkeit. Das tritt aber nur in seltenen Fällen ein. Im Hochbehälter haben die Orte Küllstedt, Wachstedt, Büttstedt und Eigenrieden besondere Sammelbecken. Die Quellfassung des Gläsener hat als Nebenfassung noch zwei Brunnen aus Zementringen, die aber durch Rückschlagventile von der Hauptquellfassung abgeriegelt werden können und somit nur in ganz trockenen Zeiten mit in Betrieb gesetzt werden. In 150 mm weiten Stahlrohren erfolgt die Zuleitung von der Quelle zum Pumpwerk in der Spitzmühle bei Großbartloff.

Das gesamte Wasserwerk kostete damals 489.389,71 Mark. So kam denn im Jahre 1911 nach einem tropischen Sommer für unsere Höhendörfer endlich die Erlösung aus aller Wassernot, denn auch im heißesten Sommer hat seitdem die Gläsenerquelle nie ganz versagt.

Am Hochbehälter auf dem „Rain“ kündet eine Gedenktafel für den tatkräftigen Förderer Landrat Dr. Klemm von dem großen Werk vor 50 Jahren.

Vinzenz Hoppe
(Quelle: „Eichsfelder Heimatborn“, Ausgabe vom 29.09.1961)